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»Soweit die Sinne die Lehre bestätigen, können ihre Eindrücke herangezogen werden«, meinte ein anderer. »Was versehentlich damit vereinbar erscheint, ist zu mißachten.«

»Welche Argumente oder Beweise würden euch genügen, die Falschheit der Lehre anzuerkennen?« fragte ich.

»Nichts ist erlaubt, was die Lehre im falschen Licht erscheinen läßt«, sagte der Mann, der den Namen Kürbis trug.

»So steht es in der Lehre«, erklärte ein anderer.

»Eine Lehre, die sich nicht widerlegen läßt, ist auch nicht zu bestätigen«, argumentierte ich. »Eine Lehre, die nicht einmal theoretisch in Frage gestellt werden kann, stimmt einfach nicht, sie ist hohl. Wenn die Welt nicht auf sie einwirken darf, kann sie auch keine Auswirkung auf die Welt haben. Dann verkündet sie ein Nichts. Dann ist sie ein Gebrabbel, so nichtssagend und leer, wie es eitel und sinnlos ist.«

»Dies sind tiefgreifende Erörterungen«, sagte der Mann, den ich für den Anführer hielt. »Da sie nicht in der Lehre stehen, brauchen wir uns damit nicht zu befassen.«

»Seid ihr glücklich?« fragte ich. Vielleicht kam ich mit solchen verbalen Formeln weiter, auch wenn sie im Grunde nichtssagend waren.

»O ja«, sagte der erste Bursche hastig. »Wir sind sehr, sehr glücklich!«

»Ja!« fielen einige andere ein.

»Güte sei mit dir!« rief jemand.

»Ihr seht mir aber nicht glücklich aus«, widersprach ich. Selten hatte ich eine bekümmertere, apathischere Gruppe von Lebewesen gesehen.

»Wir sind glücklich!« beharrte eine Stimme.

»Das wahre Glück liegt im Einhalten der Lehre«, verkündete jemand.

Ich zog meinen Dolch und hob ihn drohend, als wollte ich damit auf den ersten Mann einstechen. Er hob den Kopf und entblößte mir den Hals. »Friede und Licht und innere Ruhe und Zufriedenheit und Güte seien mit dir!« sagte er.

»Interessant«, murmelte ich und steckte das Messer wieder fort.

»Der Tod ist ohne Schrecken für alle, die das Leben nie richtig kennengelernt haben«, sagte Grunt.

»Was ist das Leben? Was der Tod?« fragte der Mann. »Beides ist unwichtig.«

»Wenn du nicht weißt, was sie sind«, sagte ich, »solltest du dir über ihre Wichtigkeit vielleicht kein Urteil erlauben.«

Mein Blick wanderte zu den beiden Männern mit den gefiederten Lanzen. »Wo habt ihr die Lanzen gefunden?«

»Im Gras«, antwortete einer. »Jemand verlor sie beim Kampf.«

»Wolltet ihr sie benutzen, um euch gegen das Ungeheuer zu verteidigen?« fragte ich.

»Nein! Natürlich nicht!«

»Ihr hättet es vorgezogen, aufgefressen zu werden?«

»Widerstand ist nicht erlaubt«, sagte der Mann.

»Kämpfen ist gegen die Lehre«, warf der Mann mit der zweiten Lanze ein.

»Wir verabscheuen Gewalt«, fügte ein dritter hinzu.

»Ihr hattet die Lanzen gehoben«, sagte ich. »Weshalb?«

»Wir dachten, du wolltest vielleicht gegen das Ungeheuer kämpfen«, sagte einer der Männer. »Dann hätten wir dir natürlich eine Lanze überlassen.«

»Und für wen war die zweite Lanze?« erkundigte ich mich.

»Für das Ungeheuer«, sagte der Bursche mit der ersten Lanze.

»Wir hätten es nicht erzürnen wollen«, sagte der Mann mit der zweiten Lanze.

»Ihr hättet es zugelassen, daß andere für euch kämpfen«, fragte ich, »und hättet euch mit dem Ergebnis abgefunden?«

»Ja«, sagte der erste Lanzenträger. »Wir sind nicht alle so edel und mutig wie Kürbis.«

»Was sind das für Leute?« wandte ich mich an Grunt.

»Waniyanpi«, antwortete dieser. »Sie leben nach Wertvorstellungen von Feiglingen und Idioten!«

Die Sklavenkette hatte uns inzwischen eingeholt. Mir fiel auf, daß keiner der Waniyanpi den Blick hob, um sich Grunts unbekleidete Schönheiten richtig anzuschauen.

Dann kehrte mein Blick zu Kürbis zurück, der trotz seiner Äußerung in der Gruppe den ersten Rang zu bekleiden schien.

»Wem gehört ihr?«

»Dem Kaiila-Stamm«, antwortete Kürbis.

»Ihr seid weit von zu Hause fort«, stellte ich fest.

»Ja.«

»Was macht ihr hier?«

»Wir wurden hergebracht, um das Schlachtfeld aufzuräumen«, antwortete er. »Wir müssen die Toten begraben, die Wagen zerschlagen und verbrennen und andere Überreste auf ähnliche Weise beseitigen.«

»Dann muß man euch schon lange vor dem Kampf hergeführt haben«, sagte ich.

»Ja«, sagte Kürbis.

»Habt ihr den Kampf beobachtet?«

»Nein. Wir mußten mit dem Gesicht nach unten liegen, die Augen geschlossen. Ein Junge blieb bei uns.«

»Um euch zu bewachen?«

»Nein, um uns vor Tieren zu schützen«, sagte Kürbis.

»Weiter westlich, zwischen anderen Wagen, liegt noch ein Toter.«

»Wir werden ihn finden«, sagte Kürbis.

»Das Schlachtfeld ist schon weitgehend geräumt«, stellte Grunt fest. »Ihr dürftet nicht die einzige Waniyanpi-Gruppe gewesen sein, die hier am Werk war.«

»Das ist richtig«, sagte Kürbis.

»Sind die anderen noch hier?«

»Das weiß ich nicht.« Ich wußte nicht, was Grunt mit seinen Fragen bezweckte.

»Wie viele Wagen dieser Art gab es?« fragte ich und deutete auf das Fahrzeug im Hintergrund, das zu den gedrungenen, geschlossenen Wagen der Söldnertruppe gehört hatte.

»Siebzehn«, antwortete Kürbis.

Diese Information beruhigte mich. In der Kolonne waren ursprünglich siebzehn Wagen dieses Typs gewesen, und siebzehn zerstörte Wagen hatte ich gezählt. Die Ungeheuer, die darin gehaust hatten – angesichts des Temperaments und Revierdenkens der Kurii in jedem Wagen sicher nur ein Wesen – waren sicher freigekommen. Die meisten mochten tot sein.

»Wie viele Gräber habt ihr und die anderen Waniyanpi ausgehoben?« wollte ich wissen.

»Über eintausend«, antwortete er.

Ich pfiff durch die Zähne. Es hatte wirklich hohe Verluste gegeben.

»Dabei mußt du dir klarmachen«, warf Grunt ein, »daß die roten Wilden ihre Toten selbst bestatten.«

Ich brachte im ersten Moment kein Wort heraus.

»Es war ein schlimmes Massaker«, fuhr Grunt fort. »Das hatte uns Kornähre schon mitgeteilt.«

»Wie viele von den Gräbern waren für Siedler, für Menschen von den großen Wagen?«

»Etwas mehr als vierhundert«, antwortete Kürbis und schaute sich zustimmungsheischend nach den anderen um.

»Ja«, sagte mehr als eine Stimme.

»Dann scheinen die Siedler bis zum letzten Mann ausgelöscht worden zu sein«, sagte Grunt.

Ich nickte. Der erste Angriff hatte vermutlich dem Siedlerteil des Zuges gegolten, der sich nicht so gut verteidigen konnte wie die Soldaten.

»Dann sind also ungefähr sechshundert Soldaten gefallen«, rechnete Grunt.

»Ja«, bestätigte Kürbis und erhielt wieder Bestätigung von seinen Leidensgenossen.

»Das ist sehr interessant«, sagte ich zu Grunt. »Denn daraus ergibt sich, daß an die vierhundert Soldaten geflohen sein müssen.«

»Daß sie nicht hier auf dem Schlachtfeld gefallen sind, muß nicht heißen, daß sie noch leben«, sagte Grunt. »Vielleicht hat man sie viele Pasang weit über die Prärie verfolgt und niedergemetzelt.«

»Die Wagen scheinen mir gründlich ausgeplündert zu sein«, stellte ich fest. »Dazu mußten sich unsere Freunde Zeit lassen. Außerdem weiß ich nicht, ob sie sich zugetraut haben, eine abwehrbereite Kolonne zu attackieren.«

Grunt zuckte die Achseln. »Ich auch nicht«, sagte er.

»Jetzt zu den Ungeheuern«, wandte ich mich an Kürbis. »Und zwar meine ich die von der zottigen Art, wie dich eben eines angreifen wollte. Wie viele davon habt ihr begraben, wenn überhaupt?«

»Neun«, gab Kürbis zurück. »Aber wir haben sie nicht begraben, da sie keine Menschen sind.«

Frustriert schlug ich mir auf den Oberschenkel.

»Wo sind diese Leichen?« fragte ich. Ich wollte feststellen, ob sich Kog oder Sardak unter den Toten befanden.

»Das wissen wir nicht«, erwiderte Kürbis. »Die Flieher haben Seile angebracht und die Toten fortgeschleppt, auf die Felder.«

»Ich glaube, sie wußten nicht, was sie mit den Wesen anfangen sollten«, sagte einer der Männer.