Выбрать главу

In mir wuchs der Zorn. Daß ein Kur überlebt hatte, wußte ich, und nun schien festzustehen, daß den Wilden bis zu acht entkommen waren. Aus Medizingründen hatten viele Wilde wohl Bedenken gehabt, sie anzugreifen, da sie solche Wesen nicht kannten. Vielleicht stammten sie ja von der Medizinwelt! Wenn das so war, durften sie auf keinen Fall vernichtet, sondern mußten eher verehrt und geschützt werden. Wenn Sardak noch lebte, das wußte ich, würde er seinen Auftrag unbarmherzig weiterverfolgen.

»Interessieren dich Überlebende?« fragte Kürbis. »Du scheinst dich dafür zu interessieren.«

»Ja.«

»Nicht Soldaten, Ungeheuer und andere Flüchtlinge?«

»Ja.«

»Einige Kinder wurden verschont, junge Kinder«, sagte Kürbis. »Man fesselte sie in vier Gruppen. Die Flieher nahmen eine Gruppe, die aus sechs Kindern bestand. Die anderen drei Gruppen, jeweils fünf Kinder, wurden von den Sleen, den Gelben Messern und den Kailiauk fortgeführt.«

»Und die Kaiila?«

»Die haben keine Kinder genommen.«

»Die Kinder hatten großes Glück«, sagte einer der Männer vor mir.

»Ja«, sagte ein anderer. »Man wird sie ins Waniyanpi-Lager bringen und als Waniyanpi großziehen.«

»Welch ein Segen für sie!« rief eine Stimme.

»Es ist immer wunderbar, wenn die Lehre an die Jungen weitergegeben werden kann.«

»Ja, das ist die sicherste Methode, dafür zu sorgen, daß es immer Waniyanpi geben wird!« rief ein anderer.

Ich fragte mich, ob die Scheußlichkeiten und Verbrechen, die Erwachsene einander antaten, jemals an die Grausamkeiten herankamen, unter denen Kinder litten. Ich konnte es mir nicht vorstellen.

»Es gab andere Überlebende?« fragte ich.

»Einige junge Frauen«, sagte Kürbis. »Aber wir haben sie nicht beachtet. Sie waren nackt. Sie wurden gefesselt. Sie mußten unsere Herren neben ihren Kaiila begleiten.«

»Und wie wird ihr Schicksal aussehen?«

»Darüber wagen wir uns keine Gedanken zu machen«, erwiderte Kürbis errötend und senkte den Blick.

»Man wird sie versklaven, damit sie rückhaltlos ihren Herren dienen.«

Kürbis erschauderte.

»Möchtest du nicht auch so eine Sklavin haben?«

»Nein! Nein!« rief er, ohne den Blick zu heben. »Nein, nein!«

Die Heftigkeit seiner Reaktion fand ich bemerkenswert. Ich ließ den Blick zwischen den Waniyanpi herumwandern. Sie sahen mich nicht an.

»Gab es noch andere Überlebende?«

Dankbar hob Kürbis den Kopf. »Zwei«, erwiderte er. »Aber der eine wird es wohl nicht mehr lange machen.«

»Was meinst du?«

»Ein Junge, ein Staubfuß, möchte ich meinen. Er war Sklave bei den Soldaten. Man hat ihn drüben auf dem Hügel angepflockt. Wir sollen ihn am Leben erhalten, bis wir auf dem Schlachtfeld fertig sind, und ihn dann zurücklassen, damit er stirbt.«

»Das muß der junge Urt sein, der Sklave, der für die Söldner dolmetschen sollte«, sagte ich zu Grunt.

Mein Begleiter zuckte die Achseln. Er wußte nicht Bescheid. Ich hatte auch mehr zu mir selbst gesprochen.

»Und der andere?« fragte ich.

»Eine erwachsene Frau«, erwiderte Kürbis, »die, soweit ich weiß, ebenfalls mit den Soldaten kam.«

»Ausgezeichnet!« rief ich. »Ist sie blond und hübsch gebaut?«

»Sie ist blond«, antwortete Kürbis, »aber was den Rest deiner Fragen angeht, so durften wir nicht darauf achten.«

»Das muß Lady Mira aus Venna sein!« sagte ich zu Grunt.

»Ausgezeichnet, ausgezeichnet!«

»Kennst du sie?« wollte Grunt wissen.

»Wir sind uns einmal auf der Straße begegnet«, sagte ich. »Heute wird unser Zusammentreffen unter einem anderen Vorzeichen stehen.«

»Was ist los?« fragte Grunt besorgt.

»Nichts«, sagte ich. Ich freute mich – erstens daß die hohe Dame noch lebte. Zweitens fand ich es amüsant, daß die Nützlichkeit der blonden Agentin für die Kurii so jäh geendet hatte. Drittens konnte ich sie sicher auf die eine oder andere Weise überzeugen, mir einen Augenzeugenbericht von der Schlacht zu geben.

»Wo ist sie?« fragte ich Kürbis.

»Dort drüben, hinter dem Wagen«, antwortete er. »Wir haben sie dort untergebracht, damit wir sie nicht dauernd anschauen mußten.«

Staunend betrachtete ich die Waniyanpi und fragte mich, warum sie so verdrehte Ansichten hatten.

»Hebt die Röcke an, bis zur Hüfte, schnell!« befahl ich.

Schamvoll kam man meiner Aufforderung nach.

»Nein«, sagte Grunt. »Kastriert sind sie nicht. Die Veränderung wirkt durch den Verstand, durch die Erziehung, durch die Lehre!«

»Eine tückische Sache«, sagte ich.

»Ja«, bestätigte Grunt.

»Ihr könnt die Röcke wieder herunterlassen«, sagte ich.

Errötend kam man dem Befehl nach.

Ich drängte meine Kaiila auf den Wagen zu, den mir Kürbis gezeigt hatte.

17

»Du!« schrie sie und mühte sich hoch.

Ich sprang von meiner Kaiila und ging zu ihr. »Knie nieder!« herrschte ich sie an.

Angstvoll blickte sie zu mir auf. In ihren Augen standen Tränen. »Wie siehst du mich an?« fragte sie.

»Du bist wunderschön«, erklärte ich.

»Ich bin eine freie Frau!«

»Das sieht mir aber nicht danach aus«, erwiderte ich. Nackt kniete sie vor mir und trug ein improvisiertes Sklavenjoch, das ihr die Arme streckte.

»Trotzdem bin ich frei«, behauptete sie.

»Woher willst du das wissen?«

»Ich trage kein Brandzeichen«, antwortete sie unsicher.

»Du brauchst kein Brandmal zu tragen, um Sklavin zu sein«, sagte ich. »Das weißt du ganz genau.«

»Rette mich!« sagte sie. »Ich werde dich reichlich entlohnen!«

»Du wirst mir jetzt wahrheitsgemäß den Verlauf des Kampfes beschreiben«, sagte ich.

Ich wandte mich um, denn ich hatte ein Geräusch gehört. Mehrere Waniyanpi waren mir gefolgt.

»Ah, du hast sie gefunden!« sagte Kürbis.

»Ja«, gab ich zurück. Wieder fiel mir auf, daß weder er noch die anderen Waniyanpi die Frau direkt anschauten, obwohl sie einen prachtvollen Anblick bot. »Habt ihr diese Schönheit entkleidet und gefesselt?« fragte ich.

»Nein, nein!« sagte Kürbis hastig. »Das haben die roten Herren getan.«

»Aha«, sagte ich.

»Wir durften sie allerdings hinter dem Wagen anbinden, um sie nicht im Blickfeld zu haben.«

»Das war nett von euren roten Herren«, sagte ich.

»Ja.«

»Nun beschreib mir den Verlauf des Kampfes, wie du ihn mitbekommen hast!« sagte ich zu der blonden Gefangenen.

»Wir waren sorglos«, begann sie. »Wir hielten unsere Truppen für unbesiegbar. Wir rechneten nicht mit Problemen. Nur Verrückte würden uns angreifen, so redeten wir uns ein. Folglich wurden nur wenige Wächter aufgestellt, die ihren Dienst zudem nachlässig versahen.«

»Weiter!« drängte ich.

»Heute vor zehn Tagen fand der Angriff statt, gegen die achte Ahn. Die Wagen waren zur Abfahrt aufgestellt, die Tharlarion standen bereits im Geschirr. Da erschien plötzlich im Südosten eine kleine Horde roter Wilder. Alfred, Hauptmann aus Port Olni, nahm sich zweihundert Reiter und ritt los, um sie zu verscheuchen – für ihn schien es eher ein Jux zu sein, eine Art Spiel. Wir stiegen auf die Wagen, um ihm zuzusehen.«

Natürlich hätte Alfred diesen Ausfall nicht selbst leiten dürfen; allenfalls wäre ein jüngerer Offizier dafür in Frage gekommen.

»Gleich darauf erhoben sich hinter uns Hunderte von Wilden aus dem Gras; sie waren zu Fuß und schrien und fuchtelten mit ihren Waffen. Sie hatten sich heimlich durch das Gras angeschlichen. Die Prärie schien plötzlich von ihnen zu wimmeln. Sie eilten zwischen den Wagen hindurch. Besonders schlimm erging es dabei den größeren Wagen weiter westlich, den Siedlertrecks mit den Familien; sie waren praktisch wehrlos. Mein Wagen stand bei den Soldaten. Im Südosten erschienen aus einigen Senken plötzlich Hunderte von Reitern. Alfred war offensichtlich in eine Falle gelockt worden. Übergangslos sah er sich einer unbesiegbaren Übermacht gegenüber, schwenkte herum und floh, energisch verfolgt, zu den Wagen zurück. Dabei verlor er sicher viele Männer. Als er unser Lager erreichte, brannten die Siedlerwagen bereits. Er wollte ihnen nicht zu Hilfe kommen. Vielmehr rief er seine Männer zusammen und befahl den Rückzug nach Norden. Aus dieser Richtung hatten die Wilden zu Fuß angegriffen.«