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Kolja kannte die schwarzen Federkränze, die die Bronzehelme umschlossen. Rabenfedern. Söldner. Ein halbes Jahr lang hatte er zu ihnen gehört, dann hatte er entschieden, dass er kein Aasfresser war. Die Raben verdingten sich an jeden. Ihr Ruf war schlecht. Ihre Soldverträge auch. Dennoch gab es etliche harte Kerle unter ihnen.

»Halten!«, beschwor Kolja noch einmal seine Männer, dann prallten die Schilde aufeinander. Er stemmte sich gegen den Schildrand des Kriegers, der ihn beschützte und stach nach dem Gesicht eines Raben. Gleichzeitig wurde seine Beinschiene von einem Speerstoß getroffen. Die Männer in der zweiten Reihe suchten nach Lücken in der Deckung. Sie stachen über und unter den Schilden hinweg. Überall stießen Speerspitzen vor. Schnell wie angreifende Schlangen. Stießen gegen Schilde, schrammten über Helme.

Die Schilde der vorderen Reihen rieben gegeneinander. Jeder versuchte den Feind zurückzudrängen. Der Mann hinter ihm drückte Kolja den Schild in den Rücken. Von vorne pressten die Raben. Der Hauptmann war froh, einen Glockenpanzer zu tragen. Wenn der Druck zu stark wurde, bekam man kaum noch Luft.

Er hatte Mühe, seinen Schwertarm freizubekommen. Er hieb mit aller Kraft seitlich an seinem Kopf vorbei. Doch er traf nur einen Schildrand. Ein Speer zielte auf sein Gesicht. Er riss den Kopf zur Seite. Das Stichblatt schrammte über die Wangenklappe seines Helms.

»Halten«, beschwor er seine Männer.

Pfeile stießen in steilem Winkel vom Himmel hinab. Die Plänkler! Sie schossen wohl aufs Geratewohl in den Himmel hinauf und vertrauten darauf, dass sie in dem dichten Gedränge etwas treffen würden. Um das Leben der Raben schienen sie sich dabei nicht sonderlich zu kümmern.

Etwas zuckte auf ihn zu. Kolja senkte im Reflex das Kinn auf die Brust. Eine Speerspitze traf auf seinen Helm und glitt nach oben hin ab. Fast hätte sie sein Gesicht getroffen.

Sein Schwert schlug eine Kerbe in den Schild des Raben vor ihm. Das Gesicht seines Gegners war kaum drei Handbreit entfernt. Er starrte ihm mit harten, schwarzen Augen entgegen. Ein silberner Schweißtropfen hing von seiner Nasenspitze.

»Ich mach dich kalt, Rotgesicht!« Wieder schnellte die Speerspitze vor.

»Haltet eure Speere tief. Stoßt nach ihren Beinen«, rief Kolja nach hinten.

Der Mann vor ihm senkte den Schild ein wenig, um sich zu schützen. Diesmal holte Kolja mit seinem Schwert nicht zu einem Hieb aus. Er setzte einen geraden Stich und jagte dem Mann vor ihm die Klinge durch die zusammengepressten Lippen tief in den Mund. Er hörte das Eisen über die gesplitterten Zähne knirschen, als er sein Schwert zurückzog. Blut quoll in pulsierenden Stößen aus dem Mund des Sterbenden. Voller Hass starrte der Rabe ihn an. Seine Augen brachen, aber er stürzte nicht. Der Tote war zwischen den drückenden und schiebenden Schildwällen eingekeilt.

Das Herz des Heeres

»Das reicht! Wir gehen über den Fluss!«

Muwatta war zufrieden. Alles war gekommen, wie er es geplant hatte. Er gab dem Boten Kuruntas ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Der junge Reiter hatte berichtet, dass die Elefanten erste Breschen in den Schildwall Aarons geschlagen hatten und der Angriff der Speerträger begonnen hatte.

Der Unsterbliche blickte über die Böschungen, die von seinen Sklaven eingeebnet worden waren. Mehr als zweihundert Schritt auf jeder Seite des trockenen Flusses. Er hatte seine Streitwagenschwadrone schon in der Nacht hierher verlegt. Der Ort, den er für die Überquerung ausgewählt hatte, lag hinter der weiten Biegung, dort, wo das trockene Flussbett sich nach Norden schwang. Die Stelle lag außer Sicht der Truppen Arams.

Muwatta hatte Späher ans andere Ufer geschickt. Dort war niemand. Erst Meilen entfernt lagerte eine kleine Truppe schwarz gewandeter Krieger, die die äußerste rechte Flanke von Aarons Schlachtlinie schützten. Vielleicht zweihundert Mann. Das war lächerlich. Die Streiter Luwiens würden wie ein plötzlicher Sommersturm über das Heer Arams kommen. Und so wie wütende Sturmböen den Weizen flachdrückten, würden sie die Schlachtreihe niederwalzen. Die zweihundert Krieger konnten sie nicht aufhalten. Auf jeden von ihnen kämen mehr als zehn Streitwagen.

Muwatta nahm die Zügel seines Wagens selbst in die Hand. Es war ein schwerer Sichelwagen, von vier prächtigen Rössern gezogen. Er lenkte ihn einen Hügel hinauf, sodass er die Streitmacht überblicken konnte, die er zum Sieg führen würde. Streitwagen aus allen Provinzen seines Reiches. Die Frontlinie würden die schweren Sichelwagen bilden. Auf die Flanken kämen die leichteren Wagen, die von je zwei Pferden gezogen wurden. Dort stand ein Bogenschütze neben dem Wagenlenker, der selbst bei voller Fahrt sicher sein Ziel zu treffen vermochte. Diese leichten Wagen hatten sich vor allem im Krieg in der Steppe bewährt und selbst den Reiterscharen der Ischkuzaia manche Niederlage beigebracht. Sie waren schnell wie der Wind und die Bogenschützen darauf jedem Steppenreiter überlegen. Die leichten Wagen würden die Flanken des Gegners überflügeln und in seinen Rücken fallen. Unablässig würden sie den Feind mit Pfeilen eindecken und dabei jedem Nahkampf ausweichen. Die schweren Sichelwagen aber würden die Frontlinie durchbrechen.

Stolz erfüllte Muwatta beim Anblick seiner Streitwagen. Dort unten gab es keinen einzigen Mann, der sich nicht schon in Schlachten bewährt hatte. Sie waren das Herz seines Heeres.

Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Alle blickten zum Himmel hinauf.

Muwatta folgte den Blicken. Über ihm sank Išta in langsamem Flug aus dem wolkenlosen Blau herab. Sie hielt mit beiden Händen einen langen Speer.

»Muwatta, mein Auserwählter.« Ihre Stimme wogte wie Donner von Horizont zu Horizont. »Diesen Speer hat mein Bruder Langarm für dich erschaffen. Er wurde geschmiedet, einen Unsterblichen zu töten. Aaron rüttelt an der Ordnung der Welt. Stelle ihn und nimm Rache für Nangog. Du hast meinen Segen, seinen Kopf zu nehmen. Aaron hat uns alle herausgefordert. Lass ihn heute für seinen Hochmut büßen. Die Augen meiner Brüder und Schwestern ruhen auf dir und den Deinen, Muwatta. Sie sind alle hier. Im Wind, in den Steinen, im Staub des Landes. Sie sind zugegen, um zu sehen, wie du die Ordnung unserer Welt bewahrst.«

Muwatta nahm den Speer aus den Händen der geflügelten Göttin. Ein unbeschreibliches Hochgefühl überkam ihn. Nichts und niemand würden ihm widerstehen. Er hob den Speer hoch über den Kopf, sodass all seine Streitwagenkrieger ihn sehen konnten. »Männer, folgt mir zum Ruhm. Heute werden wir alle unsterblich. Die Namen der Sieger dieses Tages werden bis ans Ende aller Zeiten in das Gedächtnis aller Völker eingebrannt sein!«

Mit diesen Worten nahm er die Zügel auf, lenkte den Wagen den Hügel hinab und passierte an der Spitze seiner Schwadronen die eingeebnete Uferböschung.

Die Garde vor!

Kurunta stand auf einem Hügel nahe am Steilufer und beobachtete die Schlacht. Nur eine der Reserveeinheiten war noch hinter der Linie Arams verblieben, und ihr Schildwall wankte. Die Männer in den ersten Reihen waren durstig und erschöpft. Der Kampf währte nun schon fast zwei Stunden. Obwohl die Mittagsstunde noch lange nicht erreicht war, war es schon unerträglich heiß. Verbissen rangen die Männer um jeden Fußbreit Boden, schoben und drückten. Wie Speere schleuderte er seine Angriffskolonnen gegen den Schildwall, griff immer an denselben Stellen an und zermürbte die Verteidiger. Zwei Drittel der Krieger Aarons hatten noch gar nicht gekämpft. Aber sie konnten ihren Platz nicht verlassen, ohne den Schildwall aufzulösen.

Aufgewirbelter Staub lag wie ein gelbbrauner Nebelschleier über den Kämpfenden. Sie litten Durst, Kurunta wusste das. Allein ihnen zuzusehen machte auch ihn schon durstig. Er schnippte nach einem seiner Leibwächter und ließ sich einen Schlauch mit Essigwasser reichen. Nichts löschte den Durst besser bei dieser Hitze.