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Barnaba dachte an das Gefühl, beobachtet worden zu sein. Dann lachte er laut auf. Selbst wenn es hier einmal irgendein Geschöpf gegeben hatte, das die ersten Bewohner dieser Höhle geängstigt hatte, musste es doch schon seit Jahrhunderten tot sein. Die Zeichnungen waren uralt!

»Das Einzige, was hier erschreckend ist, ist unsere blühende Fantasie«, sagte Barnaba mit sehr lauter Stimme. Fast hätten ihn seine Worte überzeugt.

Pferdehandel

Als Shaya die Augen aufschlug, blickte sie in das Antlitz ihres Vaters. Er wirkte besorgt! Zum ersten Mal seit so vielen Jahren. Tat sie ihm leid? Oder war sie schon einfältig geworden? Ihr Verstand aufgespießt … Sie blinzelte. Ihre Augen schmerzten nicht. Bedeutete dies, dass nichts geschehen war? Oder dass der Heiler besonders gut sein Handwerk verstand?

»Ist es geglückt, Miau?«

»Ich übe meine Kunst seit vielen Jahren aus, allweiser Madyas. Deshalb wurde ich auserwählt, um hier behilflich zu sein.«

»Belehre mich nicht!«, zischte der Unsterbliche. »Ist es geglückt, oder muss ich fürchten, dass sie Shaya vierteilen?«

Der Heiler senkte demütig das Haupt. »Es lag nicht in meiner Absicht, mich dem Unsterblichen Madyas gegenüber schulmeisterlich zu verhalten. Ich bitte demütig um Verzeihung, sollte meine Wortwahl den Eindruck erweckt haben, dass …«

»Scheiß auf Verzeihung!«, polterte ihr Vater los. »Ich will wissen, ob es der Mistkerl merkt, wenn er seinen Schwanz in sie steckt. Dann verlangt er nämlich die Gäule zurück. Und antworte gefälligst klar und ohne dein übliches hochnäsiges Getue, Miau! Glaube nicht, ich sei dumm und würde den Spott hinter deinen Worten nicht bemerken.«

Shaya schloss die Augen. Wie hatte sie so dumm sein können zu glauben, dass sich etwas geändert hatte. Es ging um Pferde und nicht um sie.

Noch immer lag sie mit Ledergurten festgeschnallt auf dem Tisch. Die Beine gespreizt. Sie kämpfte gegen ihre Verbitterung an … Und gegen die Tränen. Und … Sie musste wissen, was der Heiler ihr angetan hatte. Sie war eine Kämpferin. Sie durfte sich nicht in ihr Selbstmitleid ergeben. Wie es schien, hatte Shen Yi ihr keine Nadel in ihr Hirn gestoßen. Sie sollte ihren Verstand nutzen!

»Kein Mann, der die Pforte zum geheimen Garten der Prinzessin bestürmt, wird bemerken, dass dieses Tor sich bereits einmal geöffnet hatte.«

Was? Was hatte der Heiler mit ihr angestellt?

»Es ist nicht irgendein Mann. Es ist ein Unsterblicher, der diese … Pforte bestürmen wird«, sagte ihr Vater ein wenig ruhiger.

Shaya traute ihren Ohren nicht. Sie schlug die Augen auf. Ihr Herz machte einen Sprung. Hatte Aaron es geschafft? Hatte er die Devanthar überzeugt, die verbotene Hochzeit letztlich doch zu billigen?

»Seht, wie die Augen der holden Shaya leuchten, Unsterblicher. Es ist der Glanz der wiedererlangten Jungfräulichkeit, der sich darin spiegelt.«

»Wiedererlangte Jungfräulichkeit«, schnaubte ihr Vater verächtlich. »Rosstäuscher sind wir. Das kann man nicht schönreden. Aber die Zeremonie verlangt nach einer Jungfrau, daran hat der Gesandte keinen Zweifel gelassen.«

»Und diese Jungfrau haben wir heute erschaffen, allmächtiger Madyas«, sagte Shen Yi höflich, aber bestimmt.

»An wen soll ich verheiratet werden?« Shaya konnte sich nicht länger gedulden. Wollte, dass ihre Träume in Worte gerannen. Wollte ihr Glück ausgesprochen hören.

Ihr Vater blickte zu ihr hinab, die Stirn gerunzelt, als überlege er, ob sie ein Anrecht darauf hätte, den Namen jetzt schon zu erfahren. »An den Unsterblichen Muwatta, den Herrscher Luwiens.«

Sie keuchte. Das konnte nicht sein! »Muwatta?«, fragte sie zögerlich. Wie war das möglich? Warum hatte er ausgerechnet sie erwählt? Sie waren einander noch nie von Angesicht zu Angesicht begegnet.

»Ja, Muwatta, der Erzkönig. Unsterblicher Herrscher Luwiens. Der Gebieter über eine Armee von Kriegern mit Eisenwaffen. Ein Nachbar, der seine Krieger immer wieder in unser Land einfallen lässt. Er hat ein weites Stück Steppe verwüstet, als er nach den Söldnern des Unsterblichen Aaron suchte.«

Es schmerzte Shaya, den Namen ihres Geliebten zu hören. Sie konnte immer noch nicht fassen, was ihr Vater gesagt hatte. Muwatta! Was wollte der Luwier von ihr?

»Aber … haben die Devanthar nicht verboten, dass die Kinder der Unsterblichen einander heiraten? Ist das nicht seit urdenklichen Zeiten so?«

Ihr Vater schüttelte bedächtig den Kopf. Sein Gesicht war wieder die unnahbare Maske, die ihr so vertraut geworden war, bar jeden Gefühls. »Nein. Der Weiße Wolf und die geflügelte Daimonin Išta haben der Vermählung zugestimmt. Du wirst nicht einfach irgendeines der Weiber Muwattas in seinem Harem. Du wirst die Heilige Hochzeit mit ihm begehen. Er wird als Gott zu dir kommen und mit der jungfräulichen Shaya ein Kind zeugen. Du wirst zum Symbol der Fruchtbarkeit Luwiens.« Ein zynisches Lächeln spielte um seine Lippen. »Eine Prinzessin der Ischkuzaia. Wer hätte das gedacht, dass Pferdediebe und Bauern zueinanderfinden?«

Shaya wurde schwindelig. Sie musste die Augen schließen. Das konnte nicht wahr sein! Das war ein böser Traum. Es konnte nicht Wirklichkeit sein, dass Muwatta geglückt war, was sie und Aaron für unmöglich gehalten hatten.

Aaron würde eine Provinz seines Königreiches für sie geben, da war sie sich sicher. Aber so, wie ihr Vater sich aufführte, war der Handel mit Muwatta schon beschlossene Sache. Und da wurde ihr klar, warum der Herrscher Luwiens unter allen Frauen ihres Volkes ausgerechnet sie zum Weib haben wollte. Er suchte Rache an Aaron, der ihn einst fast entmannt hatte.

»Wie viel hat Muwatta für mich geboten?«

»Fünfhundert Pferde aus den königlichen Gestüten. Und er erwartet keine Mitgift für dich.«

»Was wirst du mit den Pferden tun?« Sie schaffte es, jedes Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen. Sie klang jetzt genauso kühl und geschäftsmäßig wie ihr Vater.

»Einige werde ich behalten. Andere verschenke ich an verdiente Berater und Krieger, die sich im Kampf ausgezeichnet haben. Es wird sie bald im ganzen Königreich geben. Sie werden frisches Blut in unsere Herden bringen. Sie werden unser Volk stärker machen.«

»Spricht etwas dagegen, mich von meinen Fesseln zu lösen?« Sie wollte wenigstens sitzen, wenn sie ihrem Vater klarmachte, was für ein Narr er gewesen war.

Fast augenblicklich traten die beiden Eunuchen an den Tisch und lösten die Lederbänder. Sie spürte einen stechenden Schmerz tief zwischen ihren Schenkeln, als sie sich aufsetzte.

»Ihr solltet in den nächsten Tagen noch viel liegen, ehrenwerte Prinzessin«, erklärte ihr Shen Yi beflissen.

Ihr Vater hatte sich bereits abgewandt. Er war allein gekommen. Wenigstens diesmal hatte nicht der halbe Hofrat ihrer Demütigung beigewohnt. Und weil er fast allein war, konnte sie offen mit ihm reden.

»Hast du dich nie gefragt, warum die am wenigsten ansehnliche deiner Töchter zur Heiligen Hochzeit auserwählt wurde? Ich bin keine vierzehn mehr. Und dass ich nur über wenige weibliche Tugenden verfüge, wird Muwatta sicherlich schon zugetragen worden sein. Was glaubst du? Warum will er mich und keine meiner viel schöneren Schwestern? Mich, ein Weib, das mehr Narben auf seiner Haut trägt als die meisten deiner Krieger?«

Madyas drehte sich langsam um. Er trug abgewetzte Reithosen aus Hirschleder und ein speckiges Wams. Stoppeln prangten auf seinen Wangen. Er sah nicht wie ein Fürst aus. Er hätte irgendein Krieger sein können, wären da nicht diese Augen. Hart, unnachgiebig, fordernd. Dunkle Abgründe. »Darüber habe ich lange mit dem Rat gesprochen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass er dich haben will, um mit dir einen Sohn zu zeugen, der ihn stolz machen wird. Manche glauben, dass in dir die Seele eines Kriegsfürsten unserer Ahnen wiedergeboren wurde, Shaya. Nur dass sie, durch eine Laune der Götter, nun im Körper eines Weibes steckt. Wenn du ein Sohn wärest, würdest du an meiner Seite über unser Volk herrschen.«