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Die Worte verursachten Nodon Schmerzen. Wie geschmolzenes Metall fraß sich die Stimme in sein Hirn, ohne dass er hätte sagen können, welche der acht Himmelsschlangen zu ihm gesprochen hatte. An den gepeinigten Gesichtern der anderen Elfen war abzulesen, dass sie alle diesen Schmerz teilten.

Bislang war es stets unser Bestreben, mit dem geringstmöglichen Einsatz von Gewalt den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Wir waren nachsichtige Herrscher. Diese Tage sind nun vorüber. Das Volk der Zwerge soll lernen, was es bedeutet, den Zorn der Himmelsschlangen zu erwecken. Schon morgen werden wir die Tiefe Stadt angreifen. Wir werden sie vernichten. Kein Zwerg, der sich in den Stollen dort verkrochen hat, soll überleben. Wir werden sie alle richten. Jene, die den Mord am Schwebenden Meister begangen haben, ebenso wie jene, die sie dabei unterstützten oder die diesen feigen Anschlag auch nur billigten.

Der Schmerz, der die Worte des Drachen begleitete, erreichte eine Intensität, wie Nodon es noch nie erlebt hatte. Er schloss die Augen. Versuchte die Pein durch sich hindurchfließen zu lassen, sich ihr nicht entgegenzustemmen. Einer der Novizen schrie auf. Welcher Drache war so unbeherrscht? Die Macht seines Zorns würde bald die ersten Toten unter den Drachenelfen fordern, wenn er sich nicht zügelte!

Wir werden die Weiber der Mörder richten und die Brut, die zwischen ihren Schenkeln hervorgekrochen ist. Wir werden die Gaffer töten, die kamen, um die Leichenteile unseres Bruders anzustarren. Die ganze Stadt soll sterben, auf dass nie wieder ein Zwerg es wagt, auch nur den Gedanken zu hegen, einen Drachen zu jagen.

»Brennen sollen sie!«, rief einer der Novizen.

Auch Nodon fühlte sich mitgerissen vom flammenden Zorn des Drachen. Es war schon lange an der Zeit, die anmaßenden Zwerge zu strafen.

Es ist unser Wunsch, dass keiner der Zwerge seiner Strafe entkommt. Und so soll es geschehen: Lyvianne, zeig es ihnen!

Mit diesen Worten leuchtete ein seltsames Gebilde über ihren Köpfen auf. Ein Gespinst aus blauem Licht. Leuchtende Linien, unregelmäßige Halbkugeln. Nie zuvor hatte Nodon etwas Derartiges gesehen.

»Dies ist ein Plan des Höhlensystems der Tiefen Stadt«, erklärte Lyvianne. »Unsere Späher haben jeden Eingang, jeden verborgenen Luftschacht, jeden Wasserlauf aufgespürt. Kein Weg, der in die Stadt hineinführt, ist uns verborgen.«

Lyvianne hatte sich seit seinen Tagen in der Weißen Halle nicht verändert, dachte Nodon. Sie war kühl, berechnend, unnahbar. Ihr einziger Makel war es, dass sie sich für den Goldenen entschieden hatte. Im Grunde hätte sie viel besser in das Gefolge Nachtatems gepasst.

All unsere Brüder und Schwestern, deren Odem reinigendes Feuer ist, werden Anteil an der Rache für den Schwebenden Meister haben. Tatzelwürmer, Silberschwingen, Sonnendrachen und Dornwürger, sie werden auf allen Winden herbeieilen und auf den Pfaden der Drachen.

Ein rotes Leuchten umfing die Endpunkte des labyrinthischen Höhlenplans.

Ob Luftschacht oder Felspforte, das geflügelte Volk wird jeden Ausgang der Tiefen Stadt besetzen. Wir alle werden im selben Augenblick unseren flammenden Atem in die Zwergenstadt hauchen, auf dass der Fels selbst Tränen aus rot glühender Lava über unseren schändlich gemordeten Bruder vergießt.

»Nach dem Flammenangriff obliegt es uns, die Rache der Himmelsschlangen zu vollenden«, ergriff Lyvianne erneut das Wort. »Wir werden die Eingänge stürmen und uns durch die Luftschächte abseilen, um den letzten Überlebenden das Lied zu ihrem Totentanz zu spielen. Meister Dylan und seine Novizen werden dafür Sorge tragen, dass jeder in der Tiefen Stadt der Melodie unserer Klingen lauschen wird.«

Lyvianne fand offensichtlich Gefallen an der Planung dieses Massakers. Nodon würde sich den Befehlen des Erstgeschlüpften nicht widersetzen, aber ein Gemetzel unter Zwergenweibern und ihrer Brut empfand er als unwürdig.

Dylan erhob sich unter den Elfen, die im weiten Krater versammelt waren. Er war hochgewachsen und schlank. Selbst für einen Elfen war er ungewöhnlich hellhäutig. Nodon hatte Dylan nie gemocht. Er wirkte wie aus Licht und Wind gesponnen. Unwirklich, ätherisch, nicht greifbar. Seine silberfarbene Iris mit himmelblauen Einsprengseln erinnerte Nodon an den Türkisschmuck der Kobolde von Bainne Tyr, den fruchtbaren Ebenen unweit des Jadegartens. Das weiße Haar des Elfen war fein wie Spinnweben und reichte ihm über die Schultern bis fast zu seinem Gürtel. Dylan war kein Mann des Schwertes. Er war ein Zauberweber, wie es nur wenige unter den Drachenelfen gab. Wenn er ihn sah, überkam Nodon stets der Gedanke, dass alle Elfen so wie Dylan werden mochten, die sich zu sehr der Magie verschrieben. Diese Kunst zu üben entrückte die Zauberweber aus der wirklichen Welt. Und eines Tages würden, so vermutete Nodon, diese Elfen wie die Alben einfach verschwinden.

»Zwerge sind niedere Geschöpfe«, begann Dylan mit überraschend tiefer, melodiöser Stimme, die so gar nicht zu seiner zarten Erscheinung passen wollte. »Auch wenn ihr Anblick das Auge beleidigt und ihr Geruch eine Verwandtschaft mit Kobolden vermuten lässt, sollte keiner von euch den Fehler begehen, sie zu unterschätzen. Sie sind verschlagen und kämpferisch. In die Enge getrieben, werden sie womöglich über sich selbst hinauswachsen, um ihre Brut zu schützen. Und während die Männchen sich uns voller Todesverachtung entgegenwerfen, werden die Weibchen mit ihren Jungen zu den Häfen der Tiefen Stadt flüchten.« Dylan blickte zum leuchtenden Plan der Tunnel, der über ihren Köpfen schwebte, und neue Linien erschienen. Silbern, gewunden, mündeten sie in kleinen Seen. »Es gibt einen Haupthafen und etliche kleinere Nebenhäfen in der Zwergenstadt. Sie ist also wie ein Hasenbau angelegt, aus dem es stets mehr als einen Fluchtweg gibt. Doch morgen wird ihnen dies nichts nutzen. Selbst die Weißen Schlangen, geboren fern der Sonne in den Abgründen überfluteter Höhlen, werden an unserem Feldzug teilhaben. Ich selbst werde sie gemeinsam mit einigen auserwählten Novizen zu den Zwergenhäfen führen. Sie werden jedes jener Tauchboote, die von den Zwergen Aale genannt werden, zerschmettern, sobald sie versuchen, in den Schutz der unterirdischen Ströme zu flüchten. Und sie werden aus den Hafenbecken aufsteigen, um ihr Mahl unter den wenigen zu halten, die es bis zu den Landungsbrücken der Häfen schaffen. Viele werden es nicht sein! Wenn die Himmlischen ihr Feuer in die Stadt der Verdammten atmen, wird etwas Ungewöhnliches geschehen. Nicht allein die Flammen werden den Tod bringen. Die Luft wird schneller verbrennen, als sie durch die glühenden Schächte von der Oberfläche nachströmen kann. Das Feuer wird einen Wind entfachen, so stark, dass er womöglich auch uns Elfen von den Beinen reißt. Bitte betrachtet ganz genau die Karte über euren Köpfen und vergesst in der Hitze des Gefechtes nicht, was ihr jetzt sehen werdet!«

Nodon hob den Kopf und sah, wie sich das Glühen von den oberen Tunnelenden tiefer fraß. Gleichzeitig veränderte sich das Bild der am tiefsten gelegenen Tunnel und Höhlen. Ein silbernes Flimmern durchlief sie und strömte dem Glühen entgegen. Dabei veränderten sich auch die unteren Bereiche der Karte aus Licht. Aus dem Blau wurde ein mattes Orange, das sich immer weiter ausbreitete. »Die Luft wird aus den tiefsten Höhlen zum Feuer hingezogen werden«, fuhr Dylan fort. »Wer sich zu Beginn des Flammenangriffs dort unten aufhält, wird ersticken. Es gibt keine Rettung für die, die dort weilen. Ihr aber dürft bei eurem Angriff nicht zu schnell vorangehen. Gelangt ihr zu früh in diese Bereiche, seid auch ihr des Todes. Geht ruhig und besonnen vor. Und vergesst nicht, die Zwerge sind zäh. Niemand weiß, wie viele dort unten sind. Aber eines ist sicher – jene wenigen, die überleben, werden kämpfen. Unterschätzt sie nicht.«

»Damit unser Plan gelingen kann«, ergriff nun Lyvianne das Wort, »ist es wichtig, dass ein jeder von euch seinen Befehlen folgt. Jeder soll an einer vorbestimmten Stelle in die Tiefe Stadt eindringen und auf dem Weg vorgehen, den ich euch nun nennen werde. So wird sich das Netz um die Zwerge enger und enger ziehen, und keiner der Drachenmörder wird seinen tödlichen Maschen entgehen können.«