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„Welches ist dein Dienstgrad?“ fragte er.

„Leutnant, Herr“, antwortete der Hindu.

„Führ mich in den Palast Holkars.“

„Mit Ihrem…, diesem…?“ fragte der Hindu zögernd und zeigte auf Louison.

„Parbleu!“ erwiderte Corcoran ungehalten. „Glaubst du, daß ich mich meiner Freunde schäme, wenn ich bei Hofe bin?“

O Brahma und Buddha! dachte der arme Hindu. Was für eine verrückte Idee habe ich da nur gehabt, einen Kanonenschuß auf dieses friedliche Schiff abzufeuern? Welchen Grund mag ich wohl gehabt haben, diesen harmlosen Weltenbummler nach seinem Namen zu fragen? O Rama, unsichtbarer Held, leih mir deine Kraft und deinen Mut, damit ich diesen Tiger von meiner Seite vertreibe, oder gib mir lieber deine Schnelligkeit, damit ich meine Beine unter den Arm nehmen und in meinem Haus Unterschlupf finden kann.

„Na, wie steht’s?“ fragte Corcoran. „Bist du mit deinen Überlegungen fertig? Louison wird ungeduldig.“

„Aber Herr“, entgegnete der Hindu, „wenn ich Sie in den Palast von Fürst Holkar führe, mit einem Tiger auf Ihren Fersen – ach, wohl eher auf meinen –, wird Ihnen der Fürst den Kopf abschlagen lassen.“

„Glaubst du?“ meinte Corcoran.

„Ob ich es glaube, Herr! Ob ich es glaube! Fürst Holkar begibt sich nie abends zur Ruhe, ohne nicht vorher fünf oder sechs Personen gepfählt zu haben.“

„Sieh einer an… Dieser Holkar gefällt mir… Ich habe mich entschieden; wir werden sehen, wer von uns beiden den anderen pfählen wird.“

„Aber Herr, er wird sicher mit mir beginnen!“

„Ach was, keine Ausflüchte mehr! Geh voran, oder ich hetze dir Louison auf den Hals.“

Diese Drohung ließ den Mut des Hindus wieder anwachsen. Da er sechs Schritt hinter sich die Krallen und Zähne der Tigerin fast körperlich spürte, war er nicht mehr so sicher, ob ihn Holkar pfählen würde. Im stillen sandte er noch ein letztes Gebet an Brahma, den Vater alles Seienden, und marschierte dann entschlossenen Schrittes durch das Tor des Palastes. Corcoran folgte ihm dichtauf, und Louison strich glücklich um die Beine ihres Herrn.

Dank dieser doppelten Eskorte betrat Corcoran unangefochten den Palast. Jeder ging ihm so weit wie möglich aus dem Weg. Aber als er zu Füßen des Turmes angekommen war, in dem sich Fürst Holkar mit seiner Tochter niedergelassen hatte, weigerte sich der Hindu weiterzugehen.

„Herr“, sagte er, „wenn ich mit Ihnen nach oben steige, ist mein Tod gewiß. Bevor ich auch nur ein einziges Wort zu meiner Rechtfertigung vorbringen könnte, hätte mich Holkar schon geköpft; und Sie selbst, Herr, falls Sie weiter auf diesem tollkühnen Vorhaben bestehen, werden ebenfalls…“

„Schon gut!“ unterbrach ihn Corcoran. „Holkar ist nicht so bösartig, wie man ihn schildert, und ich bin sicher, er wird meine Freundin Louison nicht zurückweisen. Für dich mag das tatsächlich anders sein.“

„Herr“, sagte der Hindu ehrerbietig, „kein Kopf sitzt so gut auf meinen Schultern wie mein eigener, und wenn es diesem großen Fürsten gefällt, ihn abzuschlagen, so kenne ich keine Salbe, die ihn wieder festmachen könnte… Mögen Brahma und Buddha mit Ihnen sein!“

Mit diesen Worten verschwand er.

Corcoran versuchte nicht, ihn zurückzuhalten, sondern stieg unverzüglich die zweihundertsechzig Stufen empor, die zu der Terrasse führten, von der Fürst Holkar schweigend auf das Narbadatal hinabsah.

Louison war ihrem Herren vorausgeeilt und erschien als erste auf der Terrasse.

Bei ihrem Anblick stieß die schöne Sita einen Schrei aus. Fürst Holkar drehte sich blitzschnell um, zog eine Pistole aus seinem Gürtel und gab einen Schuß auf das Tier ab.

Glücklicherweise schlug die Kugel ins Mauerwerk, prallte von dort ab und streifte Corcoran, der dicht hinter seiner Freundin die Terrasse betreten hatte, an der Hand.

„Ihr seid schnell, Fürst Holkar!“ rief der Kapitän, ohne sich weiter um die geringfügige Schramme zu kümmern. „Hierher, Louison!“

Der Ruf kam gerade noch zur rechten Zeit, denn die Tigerin war im Begriff, sich auf ihren Feind zu stürzen und ihn in Stücke zu reißen.

„Hierher, mein Kind!“ rief Corcoran noch einmal. „So ist’s brav. Kusch, zu meinen Füßen! Sehr schön… Und jetzt geh zu der Prinzessin und erweise ihr deinen Respekt…, fürchten Sie nichts, Madame, Louison ist brav wie ein Lamm. Sie will Sie um Verzeihung bitten, weil sie Sie erschreckt hat… Los, Louison, geh, bitte die Prinzessin um Verzeihung!“

Louison gehorchte, schlich zu der Prinzessin und legte sich zu deren Füßen nieder. Sita kraulte sie mit der Hand, was der Tigerin sehr zu gefallen schien.

Währenddessen verhielt sich Holkar noch immer mißtrauisch.

„Wer sind Sie?“ fragte er verärgert. „Wie haben Sie bis hierher vordringen können? Bin ich etwa schon von meinen eigenen Sklaven verraten und den Engländern ausgeliefert worden?“

„Fürst“, erwiderte Corcoran ruhig, „Ihr seid nicht verraten worden, und wenn es etwas gibt, wofür ich Gott überaus dankbar bin – neben dem Glück, daß er aus mir einen Bretonen namens Corcoran gemacht hat –, dann dafür, daß er mich nicht als Engländer hat zur Welt kommen lassen.“

Holkar ergriff, ohne ihm zu antworten, ein kleines silbernes Hämmerchen und schlug damit auf einen Gong.

Niemand erschien.

„Fürst Holkar“, sagte Corcoran lächelnd, „im Palast ist niemand, der Euch hören könnte. Beim Anblick Louisons haben alle die Flucht ergriffen. Aber beruhigt Euch, Louison ist ein wohlerzogenes Mädchen und weiß sich zu benehmen… Und nun, mein Fürst, welchen Verrat fürchtet Ihr?“

„Wenn Sie kein Engländer sind“, erwiderte Holkar, „was sind Sie dann, und woher kommen Sie?“

„Fürst“, sagte Corcoran, „es gibt in diesem riesigen Universum zwei Arten von Menschen oder, wenn Sie so wollen, zwei führende Völker – ohne das Eure vergessen zu wollen –, das sind die Franzosen und die Engländer. Sie sind einander spinnefeind, wie Hund und Katze, wie Tiger und Büffel, wie Panther und Klapperschlange. Es sind zwei gierige Rassen – die eine giert nach Ruhm, die andere nach Geld –, aber beide sind sie gleichermaßen kampflustig und bereit, sich in alle Angelegenheiten einzumischen, in die einzumischen man sie nicht gebeten hat. Ich gehöre zu dem ersteren dieser beiden Völker. Ich bin Kapitän Corcoran…“

„Was?“ rief Holkar erstaunt aus. „Sie sind dieser berühmte Kapitän, der die Brigg Sturmsohn kommandiert?“

„Berühmt oder nicht“, sagte Corcoran, „ich bin jedenfalls dieser Kapitän.“

„Sie sind tatsächlich derjenige“, fragte ihn Holkar, noch immer erstaunt, „der bei Singapur von zweihundert malaiischen Piraten überrascht wurde und nicht mehr als sieben Mann bei sich hatte und dennoch diese Briganten allesamt ins Meer geworfen hat?“

„Das war ich in der Tat“, antwortete Corcoran. „Wo habt Ihr denn diese tolle Geschichte gelesen?“

„In der Bombay-Times. Denn diese verdammten Engländer sind immer als erste informiert, wenn etwas auf dem Ozean passiert; sie haben sogar einige Zeit versucht, aus diesem Corcoran einen Engländer zu machen.“

„Ein Engländer! Ich!“ schrie der Bretone empört.

„Ja, aber die Irreführung hielt nicht lange vor. Man hängte, wie Sie vielleicht erfahren haben, ein Dutzend dieser malaiischen Spitzbuben, aber ein dreizehnter entkam, während man die Gefangenen zum Galgen führte, verschwand in den Straßen von Singapur und verbarg sich dort einige Zeit, bis er eine Gelegenheit fand, sich auf einer chinesischen Dschunke nach Kalkutta einzuschiffen. Und von Kalkutta ist er hierher gekommen, um in meinem Land Unterschlupf zu finden. Er ist ein mohammedanischer Inder. Er hat uns erzählt, bei welchem Abenteuer er einmal auf den berühmten Kapitän Corcoran getroffen ist.“