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Das nächste Mal fing ich's mit den Bären gescheiter an. Ich bestrich die Deichsel eines Erntewagens mit Bienenhonig und legte mich nicht weit davon in den Hinterhalt. Was ich erwartet hatte, trat ein. Vom Duft des Honigs angelockt, erschien bald darauf ein riesiger Bär und begann an der Deichselspitze so gierig zu lecken, dass er sich nach und nach die ganze Deichselstange durch den Rachen, den Magen und den Bauch hindurch und am Hinterteil wieder herausleckte. Er stak wie am Spieße. Nun lief ich rasch hinzu, steckte durch das vordere Deichselende einen Pflock und ließ Meister Petz bis zum nächsten Morgen zappeln. Der Sultan, der zufällig vorbeispazierte, wollte sich fast totlachen.

Kurz darauf schlossen die Russen und die Türken Frieden, und ich wurde als einer der ersten Gefangenen ausgeliefert und nach Petersburg zurückgeschickt. Dort nahm ich meinen Abschied und kehrte nach Deutschland zurück. Es war ein so strenger Winter, dass sogar die Sonne Frostbeulen bekam, und ich fror noch viel mehr als auf der Hinreise. Da mein Litauer von den Türken beschlagnahmt worden war, musste ich mit der Schlittenpost reisen. In einem Hohlweg, der kein Ende nehmen wollte, bat ich den Postillion, mit seinem Hörn ein Signal zu blasen, damit wir nicht etwa mit einem uns entgegenkommenden Fuhrwerk zusammenstießen. Er setzte das Posthorn an die Lippen und blies aus Leibeskräften hinein. Aber sosehr er sich anstrengte, es kam kein Ton heraus! Trotzdem erreichten wir die nächste Poststation gesund und munter und beschlossen Rast zu machen und uns von den Strapazen zu erholen. Der Postillion hängte sein Hörn an einen Nagel beim Küchenfeuer. Und wir setzten uns zum Essen.

Auf einmal erklang's »Tereng, tereng, tereng, tengteng!« Wir sperrten die Ohren auf und machten große Augen. Dann merkten wir, warum der Postillion nicht hatte blasen können. Die Töne waren in dem Hörn festgefroren! Nun tauten sie nach und nach auf, und es wurde ein richtiges Tafelkonzert daraus. Wir hörten unter anderem »Ohne Lieb und ohne Wein«, »Gestern Abend war Vetter Michel da« und sogar das schöne Abendlied »Nun ruhen alle Wälder«.

So endete der Spaß mit dem Posthorn, und damit endet zugleich meine russische Reisegeschichte. Sollten womöglich einige Leser glauben, ich hätte bis hierher dann und wann gelogen, so rate ich ihnen in ihrem eigensten Interesse, das Buch zuzuschlagen. Denn auf der nächsten Seite bereits folgen Abenteuer, die noch wunderbarer als die bisherigen, aber ebenso wahr sind.

DIE WETTE MIT DEM SULTAN

Nach Jahren kam ich wieder in die Türkei. Diesmal aber nicht als Kriegsgefangener, sondern als Mann von Rang und Namen. Einige Botschafter stellten mich dem Sultan vor, der mich beiseite nahm und bat, einen ebenso wichtigen wie geheimen Auftrag für ihn in Kairo zu erledigen. Ich sagte zu und reiste kurz danach mit Pomp und Gefolge ab. Kaum hatten wir Konstantinopel verlassen, sah ich einen kleinen, dünnen Mann rasch wie ein Wiesel querfeldein rennen, und als er näher kam, entdeckte ich zu meinem Befremden, dass er an jedem Bein ein Bleigewicht von gut fünfzig Pfund trug. »Wohin so schnell?«, rief ich. »Und was sollen die Gewichte?« »Ach«, meinte er, »ich bin vor einer halben Stunde in Wien weggelaufen und will mir in Konstantinopel eine neue Stellung suchen. Die Bleigewichte trag ich nur, damit ich nicht zu schnell renne. Ich hab ja heute keine Eile.« Der Mann gefiel mir. Ich fragte, ob er mit mir reisen wolle. Und da wir rasch handelseinig wurden, zog er mit uns weiter. Durch manche Stadt und durch manches Land.

Eines Tages sah ich, nicht weit vom Weg, einen Mann in einer Wiese liegen. Er presste sein Ohr auf den Boden, als wolle er die Maulwürfe bei ihrer Unterhaltung belauschen. Als ich ihn fragte, was er da treibe, gab er zur Antwort: »Ich höre das Gras wachsen.« »Das kannst du?«, fragte ich. »Eine Kleinigkeit für mich«, meinte er achselzuckend. Ich engagierte ihn auf der Stelle. Leute, die das Gras wachsen hören, kann man immer einmal brauchen.

An diesem Tage hatte ich überhaupt Glück. Auf einem Hügel gewahrte ich einen Jäger, der das Gewehr angelegt hatte und damit Löcher in die Luft schoss. »Was soll das?«, fragte ich. »Wonach zielst und schießt du?« »Ach«, sagte er, »ich probiere nur das neue Kuchenreuter-sche Gewehrmodell aus. Auf der Turmspitze des Straßburger Münsters saß eben noch ein kleiner Sperling. Den hab ich heruntergeschossen.« Dass ich den Jäger mitnahm, versteht sich von selbst.

Wir zogen weiter und weiter, und eines Tages kamen wir am Libanongebirge vorüber. Dort stand, vor einem Zedernwald, ein untersetzter, kräftiger Bursche und zerrte an einem Strick, den er um den ganzen Wald geschlungen hatte. »Was soll das?«, fragte ich erstaunt. »Ach«, sagte er, »ich soll Holz holen und habe die Axt zu Hause liegen lassen!« Mit diesen Worten riss er auch schon den Wald, mindestens einen Hektar im Umfang, nieder. Was tat ich? Natürlich nahm ich ihn mit. Er verlangte eine ziemlich hohe Schwerarbeiterzulage, aber ich hätte ihn nicht auf dem Libanon gelassen, auch wenn es mich mein ganzes Botschaftergeld gekostet hätte.

Als ich endlich in Ägypten eintraf, erhob sich mit einem Male ein solcher Sturm, dass wir samt Pferden und Wagen umgeworfen und fast in die Luft gehoben wurden! In der Nähe standen sieben Windmühlen, deren Flügel sich wie verrückt um ihre Achsen drehten. Nicht weit davon lehnte ein dicker Kerl, der sich mit dem Zeigefinger das rechte Nasenloch zuhielt. Als er uns in dem Sturm zappeln und krabbeln sah, nahm er den Finger von der Nase und zog höflich den Hut. Mit einem Schlag regte sich kein Lüftchen mehr und alle sieben Windmühlen standen still. »Bist du des Teufels?«, rief ich ärgerlich. »Entschuldigen Sie vielmals, Exzellenz«, sagte er, »ich mach nur für den Windmüller ein bisschen Wind. Wenn ich mir nicht das rechte Nasenloch zugehalten hätte, stünden die Windmühlen gar nicht mehr auf ihrem alten Platz.« Ich engagierte ihn auf der Stelle. Wir zogen weiter nach Kairo. Als ich mich dort meines geheimen Auftrags entledigt hatte, entließ ich das gesamte Gefolge und behielt nur den Schnellläufer, den Horcher, den Jäger, den starken Burschen vom Libanon und den Windmacher in meinen Diensten.

Beim Sultan stand ich nach der ägyptischen Reise in noch viel höherer Gunst als vorher. Jeden Mittag und Abend aßen wir zusammen, und ich muss sagen, dass seine Küche besser war als die aller übrigen Herrscher, mit denen ich gespeist habe. Aber mit den Getränken sah es bitter aus, o jeh! Denn die Mohammedaner dürfen bekanntlich keinen Wein trinken. Das bereitete mir keinen geringen Kummer. Und, wie mir schien, dem Sultan selber auch. Eines Tages gab er mir nach dem Essen einen verstohlenen Wink, ihm in ein kleines Kabinett zu folgen. Nachdem er die Tür abgeriegelt hatte, holte er aus einem Schränkchen eine Flasche hervor und sagte: »Das ist meine letzte Flasche ungarischen Tokajers. Die Christen verstehen etwas vom Trinken, und Sie, Münch-hausen, erst recht. Nun, so etwas Delikates haben Sie in Ihrem ganzen Leben noch nicht getrunken!«

Er schenkte uns beiden ein, wir tranken, und er meinte: »Was halten Sie davon?« »Ein gutes Weinchen«, antwortete ich, »trotzdem steht fest, dass ich in Wien bei Kaiser Karl dem Sechsten ein noch viel besseres getrunken habe. Das sollten Majestät einmal versuchen!« »Ihr Wort in Ehren, Baron. Aber einen besseren Tokajer gibt es nicht! Ich bekam ihn seinerzeit von einem ungarischen Grafen geschenkt, und er schwor mir, es sei der beste weit und breit!« »Was gilt die Wette?«, rief ich. »Ich schaffe in einer Stunde eine Flasche aus den kaiserlichen Kellereien in Wien herbei, und dann sollen Sie Augen machen!« »Münchhausen, Sie faseln!« »Ich fasle nicht, Majestät! In sechzig Minuten wird eine Flasche aus dem kaiserlichen Keller in Wien hier vor uns auf dem Tische stehen, und gegen diesen Wein ist der Ihre der reinste Krätzer!«