Выбрать главу

Wie sehr uns die Kubikzahlen narren können, begreifen wir, wenn wir hören, dass die Sonne ziemlich genau hundertzehnmal größer sei als die Erde. Dieses „hundertzehnmal“ stimmt schon, wenn man sich auf den Radius der Sonnenkugel und den Radius der Erdkugel bezieht: jener beträgt knapp 700 000 Kilometer, dieser knapp 6400 Kilometer. Und tatsächlich ist 110 × 6400 = 704 000. Aber was das Volumen betrifft, ist die Sonne

110 × 110 × 110 = 1 331 000,

also mehr als 1,3 Millionen mal größer als die Erde. Und in Wahrheit kommt es beim Vergleich darauf an, und nicht auf den Radius.

Abb. 5: In der Graphik hat das rechts gezeichnete Haus zwar die doppelte Höhe des linken Hauses, es besitzt aber dessen achtfaches Volumen.

Niemand behaupte, dass ihn diese „Verwirrung im Kubik“ im täglichen Leben nie beträfe. Ein simples Beispiel belehrt eines anderen: Eine Nachrichtenagentur meldet, dass sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der errichteten Eigentumshäuser verdoppelt habe. Flugs entscheidet die Redaktion einer Zeitschrift, diese Botschaft mit einer anschaulichen Grafik zu verdeutlichen. Auf einer waagrechten Achse werden der Zeitpunkt vor zehn Jahren und der gegenwärtige Zeitpunkt eingetragen, senkrecht über dem Zeitpunkt vor zehn Jahren ein Punkt, dessen Höhe über der waagrechten Achse die damalige Zahl der Eigentumshäuser symbolisiert, und senkrecht über dem gegenwärtigen Zeitpunkt ein doppelt so weit von der waagrechten Achse entfernter Punkt, der die jetzige Zahl der Eigentumshäuser darstellt. So weit, so richtig. Die beiden eingetragenen Punkte werden geradlinig verbunden – was ein wenig gewagt ist, weil niemand weiß, ob die Zahl der Eigentumshäuser wirklich so gleichmäßig stieg. Aber dem Chefredakteur ist diese Grafik immer noch zu abstrakt. „Wir müssen das griffiger hinkriegen“, feuert er die Grafiker an, „zeichnen wir zwei Häuser in die Grafik hinein! Ein kleines, das links beim Zeitpunkt vor zehn Jahren errichtet ist und bis zu dem Punkt über ihm reicht, und ein doppelt so hohes für den jetzigen Zeitpunkt.“ Gesagt, getan: Die Grafik wird damit zum begehrten Blickfang der Leser, die erstaunt sind, wie gewaltig die Zahl der Eigentumshäuser zugenommen hat. Denn die meisten unter ihnen beobachten weder den Verlauf der ansteigenden Geraden, noch lesen sie die angeführten Zahlen, sondern sie werden vom Bild der beiden Häuser gefangen genommen. Und dadurch getäuscht. Denn das größere, graphisch aufgeblasene Haus hat zwar die doppelte Höhe, aber die vierfach größere Fassade und sogar das achtfache Volumen …

Mundus vult decipi – die Welt will betrogen werden.

Potenzen und Prozente

5040 Bürger wünschte sich Platon in seinem idealen Staat. Niemand weiß, warum es genau so viele sein sollen. Ein Grund mag gewesen sein, dass 5040 das Produkt der ersten sieben Zahlen ist: 1 × 2 × 3 × 4 × 5 × 6 × 7 = 5040. Ein zweiter Grund, dass das Produkt der Zahlen von sieben bis zehn – jener Zahl zehn, die Pythagoras die „Zahl der Allvollkommenheit“ genannt haben soll – ebenfalls 5040 ergibt: 7 × 8 × 9 × 10 = 5040.

Jedenfalls war den Griechen der Antike schon das Multiplizieren mit mehr als zwei oder drei Faktoren bekannt. Und wenn es sich bei diesen Faktoren immer um die gleiche Zahl handelt, spricht man von den Potenzen dieser Zahl. Betrachten wir als Beispiel die Zahl sieben. Ihre Potenzen lauten, abgesehen von 7 selbst,

7 × 7 = 49, 7 × 7 × 7 = 343, 7 × 7 × 7 × 7 = 2401,

7 × 7 × 7 × 7 × 7 = 16 807, …

Die Potenzen einer Zahl, die größer als eins ist, wachsen offenbar rasant. Außerdem ist ab dem vierfachen Produkt einer Zahl mit sich selbst auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen, wie oft diese Zahl mit sich selbst multipliziert werden soll. Darum einigten sich Mathematiker auf eine Schreibweise, die schon im 14. Jahrhundert der englische Kardinal, Theologe und Philosoph Thomas Bradwardine verwendet haben solclass="underline" Eine rechts oben angeschriebene Hochzahl, der sogenannte Exponent, teilt mit, wie oft die Zahl mit sich selbst multipliziert wird. Wir schreiben also

7 1 = 7, 7 2 = 49, 7 3 = 343, 7 4 = 2401, 7 5 = 16 807, …

Bei der Zahl 10 haben wir diese Notation bereits mehrfach verwendet: Eine Million, geschrieben als eins mit sechs aufeinanderfolgenden Nullen, besitzt als Zehnerpotenz die Gestalt 106, und es ist dies tatsächlich die Zahl 10 sechsmal mit sich multipliziert.

Nur die Potenzen von 1 sind langweilige Gesellen. Denn sie ergeben immer 1. Doch sobald man eins um ein nur kleines Bruchstück vergrößert, wachsen die Potenzen dieser nur ein klein wenig größer als eins seienden Größe anfangs noch harmlos, aber in späterer Folge kometenhaft an.

Dies zu wissen, kann vor finanziellen Katastrophen bewahren:

Davon erzählt eine traurige, aber gottlob nur erfundene Geschichte, die in der Toskana zur Zeit der Renaissance spielt. Der Bauer Simplicio will in der Nähe von Siena Grund erwerben und leiht sich von der Bank „Monte di Pietà“ dafür hundert Florin. Jede einzelne dieser hundert schönen und wertvollen Münzen besteht aus mehr als dreieinhalb Gramm reinsten Goldes; hundert Florin sind ein beachtliches Vermögen. „Wir borgen dir gerne dieses Geld“, murmelt diskret der Bankbeamte, während Simplicio die Münzen in seinen Sack steckt, „aber bedenke: Deine Schuld wird jedes Jahr um zehn Prozent größer.“

„Zehn Prozent, was bedeutet das?“, fragt Simplicio. Und der Bankbeamte erklärt es ihm:

„Wenn du jetzt die hundert Florin nimmst, bist du uns dieses Geld schuldig. Du musst es uns zurückzahlen. Müssen wir ein Jahr warten, bis du uns das Geld zurückbringst, wollen wir nicht nur das bekommen, was du uns heute schuldig bist, sondern überdies zehn Prozent dazu. Zehn Prozent, wörtlich ,zehn von hundert‘, bedeuten zehn Hundertstel der Schuld. Das ist ein Zehntel der Schuld, die du noch zusätzlich zahlen musst.“

„Ich will aber nicht mehr zurückzahlen, als ich mir von Euch borge“, entrüstet sich Simplicio.

„Es tut mir leid, dann kann ich dir das Geld nicht geben“, gibt sich der Bankbeamte zerknirscht und greift nach Simplicios Sack. „Aber du kannst in ganz Siena fragen:

Kein Verleiher borgt dir Geld einfach nur so. Sie alle wollen Zinsen. Die meisten von ihnen sogar fünfzehn, manche Wucherer gar zwanzig Prozent. Denk doch nach: Wenn du den Grund erworben und beackert hast, bist du in einem Jahr sicher reicher als heute, samt Sack. Du wirst die Schuld zusammen mit den Zinsen gewiss leichten Herzens zahlen können.“

Simplicio willigt ein. Er nimmt das Geld, unterschreibt den Schuldschein, auf dem die zehn Prozent Zinsen vermerkt sind, mit drei Kreuzen, kauft den Grund und hofft auf baldigen Reichtum.

Doch der stellt sich so schnell nicht ein. Sieben magere Jahre suchen Siena und seine Umgebung heim. Fast alle, bis auf die besonders Reichen, haben um das Nötigste fürs Überleben zu kämpfen. An Sparen ist nicht zu denken. Und auch die darauffolgenden sieben Jahre sind nicht sonderlich fett. Mit Müh und Not vermag Simplicio Monat für Monat ein paar Florin zur Seite zu legen, denn der Kredit, den er einst in der „Monte di Pietà“ aufgenommen hatte, muss einmal zurückgezahlt werden.

Nach 14 Jahren ist es schließlich so weit. Simplicio hat hundert Florin und für jedes der vierzehn Jahre jeweils zehn Florin zusammengelegt, zusammen 240 Florin, mit denen er endlich seine Schuld begleichen möchte.