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0 0 7 0 0 7 0 0 7

1 4 8 5 9 9 6 5 0 5 8 9 7 9 3 2 3 8 4 6 2 6 4 3 3 8 3 2 7 9 5 0 2 8 8 …

Die unten angeschriebene Folge, auf die Länge seiner Nachricht zusammengestutzt, also

1 4 8 5 9 9 6 5 0,

ist die verschlüsselte Botschaft. Sie funkt Smiley an den Circus. Danach verbrennt er den Zettel. Denn er wird ihn nie mehr für eine weitere Verschlüsselung verwenden.18 In seinen Mantel eingenäht ist ohnehin ein weiterer Zettel mit einer ganz anderen Zahlenfolge.

In der Funkstation von London Station wartet bereits begierig Toby Esterhase auf Smileys Nachricht. Er hat einen Zettel mit der Ziffernfolge

9 6 9 5 1 8 4 5 7 5 2 1 3 1 7 8 7 2 6 4 8 4 6 7 7 2 7 8 3 1 5 0 8 2 2 …

vor sich liegen. Warum gerade diese? Schreibt man sie unter die Ziffernfolge, die George Smiley in seinem rechten Schuh versteckt hatte, sieht man sofort den Grund:

1 4 1 5 9 2 6 5 3 5 8 9 7 9 3 2 3 8 4 6 2 6 4 3 3 8 3 2 7 9 5 0 2 8 8 …

9 6 9 5 1 8 4 5 7 5 2 1 3 1 7 8 7 2 6 4 8 4 6 7 7 2 7 8 3 1 5 0 8 2 2 …

Jede Ziffer der unteren Folge ergibt zur Ziffer der oberen Folge modulo zehn addiert immer null. Ist die Ziffernfolge in Smileys Schuh jene, die Smiley zum Verschlüsseln verwendet, ist die Ziffernfolge auf Esterhases Schreibtisch jene, mit der Esterhase Smileys Botschaft wieder entschlüsselt. Denn Smileys codierte Nachricht schreibt er sorgfältig darunter:

9 6 9 5 1 8 4 5 7 5 2 1 3 1 7 8 7 2 6 4 8 4 6 7 7 2 7 8 3 1 5 0 8 2 2 …

1 4 8 5 9 9 6 5 0

und addiert, wieder modulo zehn, genauso, wie Smiley hinter dem Eisernen Vorhang addiert hatte:

9 6 9 5 1 8 4 5 7 5 2 1 3 1 7 8 7 2 6 4 8 4 6 7 7 2 7 8 3 1 5 0 8 2 2 …

1 4 8 5 9 9 6 5 0

0 0 7 0 0 7 0 0 7 5 2 1 3 1 7 8 7 2 6 4 8 4 6 7 7 2 7 8 3 1 5 0 8 2 2 …

Offenkundig ist, auf die Länge der Nachricht zusammengestutzt, die unverschlüsselte Botschaft 0 0 7 0 0 7 0 0 7 von George Smiley aufgetaucht.

Der Zufall verspricht Sicherheit

Das A und O einer erfolgreichen OTP-Verschlüsselung ist, dass die Zeichenfolge:

1 4 1 5 9 2 6 5 3 5 8 9 7 9 3 2 3 8 4 6 2 6 4 3 3 8 3 2 7 9 5 0 2 8 8 …

auf Smileys Zettel keinerlei Muster besitzt. Die Ziffern müssen völlig wirr aufeinanderfolgen. Sie entsprechen dem Rauschen, das man hört, wenn ein Radioapparat nicht auf einen Sender eingestellt ist. Nur dadurch geht die Botschaft Smileys an den Circus, 0 0 7 0 0 7 0 0 7, in diesem Rauschen unter: Aus der Zahl mit einem Muster – und das Muster ist die Botschaft – wird nach Addition modulo zehn zur Zahl auf dem Zettel von Smileys Schuh eine Ziffernfolge ohne erkennbares Muster.

Es ist offensichtlich, dass Karlas Agenten mit der abgefangenen Nachricht

1 4 8 5 9 9 6 5 0

nichts anfangen können. Denn wie sollten sie diese entziffern? Die Ziffern folgen genauso wirr aufeinander wie die Ziffern auf Smileys Zettel. Natürlich könnte Karla seine Untergebenen antreiben, alle denkbaren Ziffernfolgen über die verschlüsselte Nachricht zu schreiben, die beiden Zeilen modulo zehn zu addieren und zu hoffen, dass sich plötzlich ein Muster ergibt, das auf Smileys Botschaft rückschließen lässt. Doch das ist aussichtslos: Denn die Fülle der möglichen denkbaren Ziffernfolgen ist so überwältigend groß, dass nicht einmal Heere geschundener Sowjetbürger, die in unermüdlicher Arbeit Karlas wahnwitzigem Befehl nachkommen, dies bewältigen könnten.

Und selbst wenn es gelänge, nichts wäre gewonnen.

Denn es könnte geschehen, dass einer der von Karla zur Entzifferung Verdammten plötzlich aufspringt, zu Karlas Büro eilt und ihm sein Resultat 3 3 3 3 3 3 3 3 3 zeigen will, das er aus der verschlüsselten Nachricht entnommen hat. Denn es gibt eine Zufallsfolge von Ziffern, bei der die Botschaft 3 3 3 3 3 3 3 3 3 verschlüsselt zu genau der gleichen Ziffernfolge führt, die Karla von Smiley Funkspruch abgefangen hat. Als der Angestellte in Karlas kahles und verrauchtes Zimmer stürmt, sieht er sich jedoch einem Dutzend anderer Kollegen gegenüber, die Karla ebenfalls ein sinnvolles Resultat präsentieren wollen. Jedes von ihnen ist mit der gleichen Wahrscheinlichkeit Smileys Botschaft. Karla hat keinen Anhaltspunkt, welches das richtige sein könnte. Man könnte sogar jede Wette darauf eingehen, dass es nicht darunter ist.

Kennt man also eine Ziffernfolge, bei der die Ziffern völlig wirr aufeinanderfolgen, hat man mit dem One-Time-Pad die unknackbare Methode zur Verschlüsselung in der Hand. Jedenfalls für eine Botschaft. Will man mehrere Botschaften verschlüsseln, braucht man für jede einzelne von ihnen wieder eine andere Ziffernfolge, bei der die Ziffern wie vom Zufall gelenkt der Reihe nach auftauchen.

Wie bekommt man solche Ziffernfolgen? Nichts einfacher als das, könnte man meinen: Man tippt einfach ganz chaotisch Ziffern von einer Tastatur in den Computer. Aber einer solchen Methode ist nicht zu trauen. Selbst dann nicht, wenn sie von Hopi-Indianern durchgeführt würde, die von einem so fremden Kulturkreis kommen, dass sie unsere Ziffern nicht kennen und daher völlig ahnungslos die Tasten drückten. Auch dann nicht, wenn die zehn Tasten nicht beschriftet wären und man keinen Bildschirm vorm Auge hätte, also wirklich blind die Tasten betätigte. Nicht einmal dann, wenn man statt Menschen Tiere zum wilden Drücken der Tasten veranlasste. Egal, wie man es anstellt: Wenn man nur genügend lang dieses sinnlose Tun treibt, irgendwie gerät man, Mensch wie Tier, immer in ein Muster. Und das Muster ist des Zufalls schlimmster Feind.

Eine Idee, die auch tatsächlich verfolgt wird, wäre, Zufallsprozesse in der Natur auszunützen. Das können die kleinen Spannungsschwankungen sein, die sich im Stromnetz unentwegt einstellen. Aber auch der Zerfall eines radioaktiven Stoffes, denn die Quantentheorie lehrt, dass solche Zerfälle unvorhersehbar und prinzipiell zufällig sind.

Wie überhaupt die Quantentheorie zumindest theoretisch Möglichkeiten unknackbarer Verschlüsselungen verheißt. Doch, wie Goethe sagt, „Theorien sind gewöhnlich Übereilungen eines ungeduldigen Verstandes, der die Phänomene gerne loswerden möchte“. Im Kopf gebildete glänzende Theorien sind etwas ganz anderes als deren Verwirklichung am widerborstigen Material.

Die Mathematik ist zuverlässiger als die Natur.

Normale Zahlen

Tippt man in einen Taschenrechner 22 dividiert durch 7 ein, erscheint auf der achtstelligen Anzeige bereits eine scheinbar wirre Ziffernfolge:

22 : 7 = 3,1428571.

Wenn man ein etwas mächtigeres Gerät mit einer 16-stelligen Anzeige verwendet, bekommt man:

22 : 7 = 3,142857142857143.

Dies legt die Vermutung nahe, dass die exakte Division hinter der Einerstelle 3 und dem Komma die Ziffernfolge

1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 …

im endlosen Nacheinander liefert. Folglich stellt die Mathematik schon bei einer sehr einfachen Rechnung, der Division, unendliche Ziffernfolgen bereit. Allerdings ist die eben genannte für eine OTP-Verschlüsselung ungeeignet. Sie besitzt ein so augenfälliges Muster, dass nichts an ihr zufällig ist.

Vielleicht, so könnte man vermuten, liegt dies daran, dass 22 und 7 ziemlich kleine Zahlen sind. Das stimmt. Wenn man zum Beispiel 355 durch 113 dividiert, bekommt man, wenn man nur lang genug rechnet,

355 : 113 = 3,141 592 920 353 982 300 884 955 752 212 389 380 530 973 451 327 433 628 318 584 070 796 460 176 991 150 442 477 876 106 194 690 265 486 725 663 716 814 159 292 035 398 …

Das sieht als Zufallsfolge recht vielversprechend aus, allerdings nur beim ersten Hinsehen. Wenn man seinen Blick schärft, erkennt man, dass am Schluss der dritten Zeile, an der 112. Stelle nach dem Komma, die Ziffernfolge 14 159 292 035 398… wieder auftaucht, die schon zu Beginn nach dem Komma stand. Beim Dividieren sind solche Perioden unvermeidlich.19 Man müsste schon durch riesige und speziell auf das Dezimalsystem zugeschnittene20 Zahlen dividieren, um die Periode so lang zu machen, dass sie in der Praxis nicht auftaucht. Aber das Finden geeigneter Divisoren und die Durchführung solcher Divisionen sind sehr rechenaufwendig, wenn man wirklich lange Perioden haben möchte.