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»Welchen Unterschied macht das denn?« fragte ein Mann.

Claudia ließ den Kopf hängen. Der Mann hatte recht. Letztlich machte es keinen Unterschied.

»Die Sklavin soll niederknien!« rief Talena.

Claudia wehrte sich kurz gegen die beiden Wächter, konnte aber nichts gegen sie ausrichten und wurde auf die Knie gestoßen.

»Du siehst gut aus da unten, Hinrabianerin«, sagte Talena.

»Falsche Ubara!« brüllte Claudia, die noch immer von den Wächtern festgehalten wurde.

Talena gab voller Wut ein Zeichen, und einer der Wächter zog das Schwert. Im nächsten Augenblick wurde Claudias Kopf von dem anderen Wächter nach unten gedrückt.

Talena gab noch ein Zeichen, und der Mann, der Claudias Haar hielt, riß ihren Kopf hoch, damit sie Talena ansah.

Talenas Augen blitzten vor Wut, während man Claudia deutlich ihr Entsetzen ansehen konnte.

»Wer ist deine Ubara?« fragte Talena.

»Du bist meine Ubara!« rief Claudia.

»Wer?«

»Talena!« rief sie. »Talena von Ar ist meine Ubara!«

»Gestehst du deine Verfehlungen?« fragte Talena.

»Ja, meine Ubara!«

»Bittest du deine Ubara um Vergebung?«

»Ja, ja, meine Ubara!« schluchzte Claudia.

»Wer bittet um Vergebung?«

»Ich, Claudia Tentia Hinrabia, von den Hinrabianern, bitte Talena von Ar, meine rechtmäßige Ubara, um Vergebung.«

»Ich bin bereit, gnädig zu sein.«

Der Wächter steckte das Schwert wieder ein. Der andere Wächter, der Claudias Haar hielt, ließ es ärgerlich los und stieß ihren Kopf nach unten. Die anderen beiden Wächter, die jeder einen Arm ergriffen hatten, behielten die Hinrabianerin weiter in ihrem gnadenlosen Griff.

»Talena, Ubara von Ar«, verkündete ein Schriftgelehrter, »wird jetzt das Urteil über die Verräterin Claudia Tentia Hinrabia verkünden.«

»Claudia Tentia Hinrabia, Feindin Ars, Feindin der Bürger Ars, Feindin des Heimsteins von Ar«, verkündete Talena, »du wirst versklavt werden, und zwar noch vor Einbruch der Dunkelheit.«

Claudia wurde von Schluchzern geschüttelt. Sie wurde zur Seite gestoßen und grob angekettet. Auf den Knien blickte sie zu Talena zurück.

»Du siehst gut in den Ketten der Männer aus«, sagte Talena.

»Auch du, Talena, meine Ubara«, weinte die Hinrabianerin, »auch du sähest zweifellos gut in den Ketten der Männer aus.«

Männer keuchten erbost auf.

»Bringt sie weg«, befahl Talena. »Und da sie von so schlechter Qualität ist, erhöht die Reparationszahlungen um einen Silbertarsk, als Ausgleich für ihre Unzulänglichkeiten. «

Diese Bemerkung rief viel Gelächter hervor.

Man stieß die Hinrabianerin die Rampe hinunter, wo ich sie in Empfang nahm. Sie sah mit Tränen in den Augen zu mir hoch, als ich sie zur Kette führte, dann keuchte sie auf. Mein Blick warnte sie. Zweifellos erkannte sie mich wieder. Sie warf einen Blick zur Plattform zurück, dann sah sie mich fragend wieder an.

»Nein, meine Liebe«, sagte Talena oben auf der Plattform. »Du bist zu jung.«

Die Frau wurde weggeführt. Früher am Morgen hatte Talena noch wesentlich jüngere Frauen zur Kette geschickt.

»Herr?« flüsterte Claudia mir zu.

Ich trat neben sie. »Ja?«

Sie sah mich mit tränennassen Wangen an. »Bin ich schön?« fragte sie ängstlich.

»Ja.«

»Danke, Herr.«

»Du warst schon vor Jahren schön, auf dem Höhepunkt deiner Macht und deiner Bosheit.«

»Diese Dinge liegen nun hinter mit«, sagte sie mit einem bitteren Lächeln.

»Und du bist noch immer schön.«

»Danke, Herr.«

»Zweifle nie an deiner Schönheit.«

»Ja, Herr.«

Ich brachte Claudia Tentius Hinrabia zur Kette und verband sie mit ihr. Dann ging ich zurück.

Die nächste Frau wartete schon am Ende der Rampe.

10

Marcus sagte: »Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als die Männer Ars, die mir im Norden begegneten, stolz und erhobenen Hauptes daherschritten.«

Mit Ausnahme von ein paar idealistischen Jugendlichen, die stolz auf den Fall der Stadt zu sein schienen, herrschte in den Straßen eine gedämpfte Stimmung.

»Ja, das stimmt.«

Seit Myrons Einzug in die Stadt waren einige Monate vergangen. Die systematische Plünderung war fortgesetzt worden, ebenso wie die Zerstörung der Stadtmauer.

Marcus und ich gingen die Straße des Zentralzylinders entlang.

»Der schwerste Schlag war zweifellos der Transport des Heimsteins nach Telnus«, erklärte er.

Nach langem Zögern hatte man es auf den städtischen Anschlagtafeln sogar zugeben müssen. Anfangs war das Gerücht aufgekommen, während des Aussaatfestes sei eine Kopie des Heimsteins herumgetragen worden, was aber dementiert worden war. Als aber später die Bürgerschaftszeremonie – in der der Heimstein eine wichtige Rolle spielt – verschoben wurde, war es zu wilden Spekulationen gekommen. Zuerst hatten ein paar unbedeutende Eingeweihte der kleineren Tempel außerhalb der Stadt danach verlangt, die Zeremonie durchzuführen oder – als das nicht geschah – den Heimstein der Öffentlichkeit vorzuführen. Während die Gerüchte durch die Stadt schwirrten, schwiegen die weltlichen und geistlichen Autoritäten. Angesichts der deutlich spürbaren Unruhe auf den Straßen und der möglichen Gefahr von Aufständen und Demonstrationen sandte der Zentralzylinder eine Botschaft, die gemeinsam von Talena, der Ubara von Ar, Seremides, dem Hauptmann der Wache, Antonius, dem Vorsitzenden des Hohen Rates, Tulbinius, dem Ersten Erleuchteten, und Myron, dem Polemarkos von Temos, verkündet wurde. Als alles gesagt worden war, hatten die Bürger erfahren, daß sich Ar freuen konnte, da Lurius von Jad in seiner Weisheit und Großzügigkeit in diesen schweren Zeiten auf Bitten der Regierung von Ar und im Interesse der Bürger und aller Räte erlaubt habe, den Heimstein nach Telnus in Sicherheit zu bringen. Und so nahm man für die Bürgerschaftszeremonie einen Ersatzstein. Einige Jugendliche weigerten sich daraufhin, an dieser und anderen Zeremonien teilzunehmen und den Ersatzstein zu berühren, während sie in nordwestlicher Richtung – nach Cos – auf ihren Heimstein gerichtet stehend die Eide und Versprechen leisteten.

Marcus und ich trugen die Armbinden der Hilfswächter und salutierten einem cosischen Offizier, der uns entgegenkam.

»Tarsk«, murmelte Marcus.

»Der ist sicher gar kein übler Kerl«, sagte ich.

»Manchmal bedaure ich, daß du ein guter Freund bist.«

»Warum denn das?«

»Weil ich dich zu keinem Zweikampf auf Leben und Tod herausfordern kann.«

»Es ist schon vorgekommen, daß Männer ihre besten Freunde erschlagen haben.«

»Das ist wahr«, sagte er, schon fröhlicher gestimmt.

»Nur weil jemand dein Todfeind ist, muß das nicht heißen, daß man ihn nicht mag.«

»Vermutlich nicht.«

»Natürlich nicht.«

Wir gingen weiter.

»Du hast einfach nur schlechte Laune«, sagte ich. Das war bei Marcus nichts Ungewöhnliches.

»Schon möglich.«

»Du warst gestern abend aus«, sagte ich.

»Ja.«

»Bist du durch die Tavernen gezogen?«

»Nein«, sagte er. »Ich bin einfach nur so herumgelaufen.«

»Mittlerweile ist es gefährlich, nachts durch die Straßen Ars zu streifen.«

»Für wen?«

»Nun, ich schätze, für jeden.«

»Vielleicht.«

»Wo bist du spazierengegangen?«

Er sah starr geradeaus. »Im Anbarischen Bezirk.«

»Das ist ein gefährlicher Bezirk«, entgegnete ich. »Das war schon früher so.« Selbst vor dem Fall der Stadt waren die Bezirke Anbar und Trevelyan zwei der gefährlichsten Gegenden der Stadt gewesen.

Marcus sah mich überrascht an.

Ich nickte. »Ja. Dort gibt es viele Straßenräuber.«

»Jetzt sind es zwei weniger«, sagte Marcus.

»Warum tust du so etwas?« fragte ich ungehalten.

»Mein Schwert war durstig.«

»Das macht mich wütend.«

»Ich habe bei dem Händel einen Vorteil erzielt«, sagte er.

»Du hast die Straßenräuber beraubt?«