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»Das wird dich lehren, sie registrieren zu lassen«, sagte der Hauptmann.

»Sie ist registriert«, schluchzte der Kaufmann.

»Ich habe Hämmer und Nägel gefunden«, rief einer Wächter und kam heran.

»Bitte nicht!« rief der Kaufmann.

»Gehören die freien Männer Ars dorthin?« fragte der Hauptmann. »Zu Cos’ Füßen?«

»Steh endlich auf«, sagte Banius verächtlich.

Der Kaufmann war zu keiner Bewegung mehr fähig, er konnte nur noch hilflos schluchzen.

»Nagelt die Kiste zu«, verlangte der Offizier.

»Ich sage alles, was du willst«, stieß der Kaufmann flehentlich hervor und blickte mitleiderregend zu dem Offizier hoch. »Alles! Ich mache jede Aussage, die du haben willst. Ich unterschreibe alles, alles!«

Die Hammerschläge hallten durch den Raum.

»Das ist nicht nötig«, sagte der Hauptmann. Der Kaufmann brach zusammen.

Die letzten Nägel wurden in den Deckel geschlagen.

Der Offizier ließ den Kaufmann auf dem Boden liegen und wies zwei Wächter an, die Truhe zu nehmen und ihm zu folgen. Dann verließ er den Laden, gefolgt von uns anderen, und betrat die Straße.

»Hauptmann!« sagte da Turus und zeigte auf die Außenwand des Ladens.

In die Wand war ein Delka eingeritzt.

Der Hauptmann stieß einen Wutschrei aus.

»Ich bin mir sicher, daß es bei unserer Ankunft noch nicht da war, Hauptmann«, sagte Banius.

»Nein, es war noch nicht da«, bestätigte der Offizier.

Es stimmte. Marcus und ich, die wir auf unserer Runde durch die Nachbarschaft gewesen waren, hatten den Laden nach dem Hauptmann und seinen Leuten betreten.

Ein paar Leute standen herum, aber als sie uns sahen, eilten sie davon, vielleicht aus Furcht, für das Delka verantwortlich gemacht zu werden.

Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, daß einige der Leute einen Blick in den Laden gewagt und die Toten gesehen hatten. Das war gar kein Problem gewesen, solange wir uns in dem Hinterzimmer aufgehalten hatten.

Die beiden Wächter, die die Truhe trugen, stellten sie auf der Straße ab.

»Ich fürchte, sie sind überall«, sagte der Hauptmann.

»Wer?« fragte ich.

»Die Deltabrigade.«

Ich selbst hatte vor einigen Tagen diesen Begriff in ein paar Paga-Tavernen erwähnt; ich hatte so getan, als hätte ich ihn irgendwo aufgeschnappt und wüßte nun gern, was sich dahinter verbarg. Es freute mich zu hören, daß er bereits in ganz Ar bekannt war. Auf solchen Schwingen reisen Gerüchte.

»Du glaubst, dieser nachmittägliche Angriff war das Werk dieser Deltabrigade?« fragte ich.

»Aber sicher.«

»Wer steckt dahinter?«

»Zweifellos Unzufriedene oder Abtrünnige«, sagte der Hauptmann, »Verräter sowohl an Ar wie auch an Cos.«

»Ich verstehe.«

»Ich persönlich habe den Verdacht, daß es sich um Veteranen des Feldzugs im Vosk-Delta handelt«, fuhr er fort, »oder Emporkömmlinge unzufriedener Städte wie Ar-Station.«

»Ich komme aus Ar-Station«, sagte Marcus.

»Aber du gehörst dem Hilfskorp an«, stellte der Hauptmann fest.

»Das ist richtig«, erwiderte Marcus.

»Vielleicht ist ja Marlenus zurückgekehrt«, sagte ich. Ich hielt das für ein ausgezeichnetes, verbreitenswertes Gerücht.

»Nein«, sagte der Hauptmann. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Soweit wir wissen, hat Marlenus keinen Fuß ins Delta gesetzt. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, daß es Veteranen aus dem Delta sind, von denen es viele in der Stadt gibt, oder wie gesagt Leute aus dem Norden, aus Ar-Station.«

»Vielleicht hast du recht«, sagte ich. Der Hauptmann war ein kluger Bursche und darum wohl nicht als Kandidat für meine Bemühungen geeignet, Gerüchte in die Welt zu setzen. Sicher, selbst ein durchweg rechtschaffener Bursche, der nur selten ein Gerücht aufschnappt, weitererzählt oder ihm Gewicht verleiht, billigt es unkritisch als die Wahrheit, wenn es später irgendwann sozusagen ›Allgemeinwissen‹ wird. Sind wir nicht alle Opfer von Gerüchten, selbst was viele unserer tiefgründigsten Wahrheiten angeht? Wie viele der unzähligen ›Wahrheiten‹ haben wir uns selbst erarbeitet? Wie viele von uns können die Entfernung eines Planeten berechnen oder die Struktur eines Moleküls erklären?

»Ich werde einen Wagen schicken, der die Toten holt«, sagte der Offizier.

»Ja, Hauptmann«, sagte ich.

Er betrachtete voller Zorn das Delka an der Wand.

»Es ist bloß eine Kritzelei«, sagte ich.

»Nein«, erwiderte er, »es ist mehr. Es ist ein Widerstand gegen Cos. Und Ar!«

»Ar?« fragte ich.

»Dem heutigen Ar.«

»Aber vermutlich nicht dem alten Ar«, gab ich zu bedenken.

»Vermutlich nicht.«

»Hast du Kriegern aus Ar in der Schlacht gegenübergestanden?« fragte ich.

»Ja«, sagte er. »Und es ist ein Zeichen des alten Ars, des Ars, das ich im Krieg kennengelernt habe. Das Ar der Speere und Standarten, der Ritte und Märsche, der Tarns und Tharlarion, das imperialistische Ar, die Stadt der Ehre, des Mutes und des Stolzes. Und genau darum ist es auch so gefährlich. Es ist eine Erinnerung an das alte Ar.«

»Das wahre Ar?«

»Wenn du so willst.« Dann rief er wütend aus: »Es ist besiegt worden! Es ist tot! Es ist Vergangenheit! Wie können sie es wagen, daran zu erinnern?«

Er blickte nach rechts und nach links. Die Straße lag völlig verlassen dar. Ich bezweifelte keinen Augenblick lang, daß sich die Nachricht über die hier stattgefundenen Ereignisse überall verbreitete.

»Wie können sie es wagen, Widerstand zu leisten?«

»Sie scheinen nicht besonders zahlreich zu sein«, sagte ich.

»Aber irgendwo dort draußen sind sie.«

»Schon möglich.«

»Seit auf der Hut«, sagte er.

»Danke, Hauptmann.«

»Sie könnten überall sein.«

»Aber es ist doch sicher nur eine Handvoll Männer«, sagte ich, »ein paar Verrückte, die die wesentlichsten Grundlagen der politischen Realitäten nicht begreifen.«

»Sie sind Verr«, sagte der Hauptmann. »Aber nicht alle. Einige geben nur vor, Verrs zu sein. Das sind Sleen, die sich unter der Haut von Verrs verbergen.«

»Oder Larls«, schlug ich vor, »geduldig, unversöhnlich, gefährlich, zu jeder Handlung fähig.«

»Auch Cos hat seine Larls«, sagte der Offizier.

»Das bezweifle ich nicht.«

»Wäre es nach mir gegangen«, fuhr der Offizier fort, »hätten wir Ar erledigt. Dann hätten wir für alle Zeiten Ruhe gehabt. Es wäre nichts als Asche und Salz übriggeblieben. Selbst sein Name wäre von den Denkmälern, allen Dokumenten und sogar aus der Geschichte gestrichen worden. Es wäre so gewesen, als hätte es niemals existiert.«

»Für einen Mann, der keine mächtigen Feinde hat, ist es schwer, Größe zu erlangen«, sagte ich.

»Also brauchen Ar und Cos einander, damit jedes größer sein kann, als sie sonst wären?« fragte er.

»Vielleicht.«

»Hier ist kein Ruhm errungen worden«, sagte er da. »Wir haben diesen Sieg nicht mit Sturm und Feuer errungen, indem wir Mauern bezwangen, Tore zerschlugen und Ar Haus für Haus und Straße für Straße eroberten. Nicht wir haben Ar besiegt. Es waren seine vermeintlich eigenen Leute, die es verrieten, aus Eifersucht und der Lust an der Intrige, aus Ehrgeiz und Gier. Ideen und Lügen haben Ar besiegt. Man hat Verwirrung gestiftet, Selbstzweifel und Schuld gesät, und das alles wurde dann passenderweise mit der verlogenen Rhetorik der Moral verkleistert.

Wir brachten ihnen bei, daß Böses gut und Gutes böse ist, daß Stärke Schwäche und Schwäche Stärke bedeutet, daß Gesundheit Krankheit und Krankheit Gesundheit ist. Wir schafften es, daß sie sich selbst mißtrauten, und lehrten sie, ihre grundlegendsten Instinkte und elementarsten Einsichten zugunsten von Selbstverleugnung und Unzufriedenheit zu verwerfen, zugunsten nichtssagender Prinzipien, die wir als Waffe gegen sie verwandten, zugunsten lächerlicher Phrasen, die sie verkrüppelten und bluten ließen; so fingen wir sie in unserem Netz.

Von jenen verraten, die durch die Zerstörung und Auflösung ihrer eigenen Gemeinde zu Machtstellungen aufsteigen wollten, angetrieben von den Gutmeinenden, den Einfältigen, den Idealisten und den Narren, lieferten sie sich unserer Gnade aus, der Gnade einer anderen Gemeinschaft, die nicht so dumm oder so heruntergekommen wie die ihre war. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie starke Männer mit Freude ihre Waffen niederlegten. Ich hörte die Bürger Ars singen, als ihre Stadttore brannten, als sie ihre Mauern mit eigenen Händen niederrissen. Das ist kein ehrlicher Sieg für Cos, der auf den Mauern, vor den Toren und in den Straßen errungen wurde. Auf diesen Sieg können wir nicht stolz sein. Dieser Sieg wurde nicht mit Stahl, sondern mit Gift erkämpft.«