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»Du bist ein Krieger«, sagte ich.

»Das war ich einmal«, entgegnete er. Er drehte sich um und betrachtete den Laden. »Wenn die Leichen entfernt wurden, sollte man den Laden niederbrennen.«

»Und die angrenzenden Häuser?« fragte ich.

»Ah ja, richtig«, sagte er kopfschüttelnd. »Wir müssen Zwischenfälle vermeiden. Wir müssen die Verr friedlich halten, damit sie nicht merken, daß sie gemolken und geschoren werden.«

»Du glaubst doch wohl nicht, daß der Kaufmann ein Mitglied der Deltabrigade ist.«

»Nein«, sagte er. »Das glaube ich in der Tat nicht.«

»Und die Toten?«

»Allseits bekannte Diebe«, sagte er, »eine Beleidigung für die Armbinden, die sie trugen.«

»Und wie wird dein Bericht nun aussehen?«

»Sie waren Helden, die von einer Übermacht ermordet wurden.«

»Ich verstehe.«

»Hier findet ein Spiel statt, an dem ich mich beteilige«, sagte der Hauptmann. »Ich habe keine Lust, meinen Posten zu verlieren. Verstehst du, die Krankheit Ars hat selbst seine Eroberer angesteckt. Wir müssen so tun, als würden wir die Lügen auch glauben.«

»Ich verstehe.«

»Und selbst wenn ich keinen derartigen Bericht erstatten würde, klänge die Kunde, die schließlich bis zu Myrons Zelt vordringt, zweifellos ähnlich.«

»Er ist ein guter Offizier«, sagte ich.

»Das ist richtig.« Der Hauptmann blickte wieder auf die Wand, in die das Delka, das Dreieck, eingeritzt worden war. »Wie groß«, fragte er mich, »ist die Deltabrigade deiner Meinung nach?«

»Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Es können nicht besonders viele Männer sein.«

»Die wenigen, die es heute sind, können morgen zu einem Regiment anwachsen, und dann, wer weiß?«

»Der Kaufmann sprach nur von zwei Männern«, erinnerte ich ihn.

»Es müssen mehr gewesen sein«, erwiderte der Hauptmann, »auch wenn man es nur schwer einschätzen kann. Aber es waren bestimmt zehn oder zwölf Mann.«

»Wie kommst du darauf?«

»Die Opfer waren keine Zivilisten, keine Kaufleute, keine Töpfer oder Bäcker, es waren erfahrene Schwertkämpfer.«

»Dann wird die Deltabrigade wohl aus zehn Männern bestehen«, sagte ich.

»Ich bin sicher, daß es mehr sind.«

»Ach ja?« fragte ich.

»Diese Zeichen tauchen häufig in der Stadt auf, jeden Tag werden es mehr. Es ist ein Symbol des Widerstandes, das man an eine Wand geschmiert, in einen Pfosten geritzt oder auf eine Serviette gemalt findet.«

Das war mir neu. Davon hatte ich noch nicht viele zu Gesicht bekommen. Zwar streiften Marcus und ich für gewöhnlich während der Dunkelheit umher, unter dem Schutz unserer Armbinden, als wären wir im Dienst. Und während des Tages hatten wir unsere üblichen Pflichten wie die Bewachung von Eingängen oder Patrouillengänge an bevölkerten Orten zu erfüllen, wobei die Wahrscheinlichkeit, beim Anbringen eines Delkas gesehen zu werden, ziemlich groß war. Die Delkas, von denen er sprach, fanden sich vermutlich in den hintersten Gassen Ars.

»Man könnte das Einritzen eines Delkas doch erlauben«, schlug ich vor, »als Ventil bedeutungslosen Widerstands, als nutzloses Protestzeichen derjenigen, die zu hilflos oder schwach sind, um mehr zu tun.«

»Ich bin sicher, daß du da größtenteils recht hättest«, sagte der Hauptmann.

»Dann würde ich mir ihretwegen keine Sorgen machen.«

»Heute morgen hat man vier ermordete Soldaten gefunden«, sagte er, »abseits der Straße von Turia. Man fand auch das Delka.«

»Ich verstehe.« Davon hatte ich nichts gewußt. Allem Anschein nach hatten Marcus und ich Verbündete.

»Sollen mein Freund und ich hier Posten beziehen, bis der Wagen eintrifft?« fragte ich.

»Nein.«

»Können wir sonst etwas tun?«

Der Hauptmann blickte sich noch einmal um, dann schüttelte er den Kopf.

»Nein.« Er gab seinen Männern ein Zeichen. Sie hoben die Kiste an. Sie würden sie mitnehmen. »Ich wünsche dir alles Gute«, sagte er.

»Ich wünsche dir alles Gute«, erwiderte ich. Der Offizier und seine Wächter gingen.

»Warum willst du nicht, daß die Leichen aus dem Laden geschafft werden?« fragte Marcus, als der Offizier und seine kleine Gruppe verschwunden waren.

Ich führte ihn zur Seite.

»Es wäre doch sicherlich besser gewesen, man hätte die Leichen hinausgebracht«, sagte Marcus, »damit alle die Stärke der Deltabrigade, wie sie genannt wird, und ihre Wirksamkeit sehen können.«

»Nein, mein Freund.« Ich sprach betont leise. »Es ist besser, man erweckt den Anschein, daß Cos fürchtet, die im Laden stattgefundene Auseinandersetzung könne bekannt werden, daß Cos sich genug Sorgen macht, um sie vor der Öffentlichkeit zu verbergen.«

»Ah!« sagte Marcus.

»Außerdem brauchst du keine Angst zu haben, es könnte nicht bekannt werden. Der Laden ist mühelos einzusehen. Die Tür stand weit offen. Ich bin davon überzeugt, daß Leute hineingeblickt und gesehen haben, was dort auf dem Boden lag. Und selbst wenn es nicht so war, wird man die Leichen vermutlich sehen, wenn sie abgeholt werden. Nicht zu vergessen der Besitzer, der es weitererzählen wird.«

»Daß die Leichen nicht auf die Straße gebracht wurden, erweckt also den Anschein, daß Cos die Deltabrigade fürchtet«, sagte Marcus.

»Ja, ich glaube schon.«

»Aha.« Er dachte nach. »Es ist wie eine Partie Kaissa, nicht wahr?«

»Natürlich.«

»Ein guter Zug.«

»Vielleicht«, sagte ich. »Aber es ist schwer zu sagen, wie es weitergehen soll.«

»Mir gefallen solche Spielchen nicht.«

»Du ziehst es vor, einen Mann vor der Schwertspitze zu haben, auf offenem Feld, mittags?« fragte ich.

»Natürlich.«

Ich konnte ihn durchaus verstehen. Dieses Spielbrett hatte tausend Seiten, Oberflächen und Dimensionen; die Zahl der Figuren und ihr Wert waren unbekannt, die Regeln waren nicht klar definiert; oftmals wußte man nicht, gegen wen man spielte oder wo der Gegner stand; oftmals mußten die Züge in der Dunkelheit stattfinden, ohne die Position des Gegners mit seinen Stärken und Fähigkeiten zu kennen.

»Vielleicht teile ich sogar deine Meinung«, sagte ich nachdenklich. Doch mir waren Männer bekannt, die diese Art von Kaissa genossen, das Spiel von Politik und Männern. Mein Freund Samos aus Port Kar war einer von ihnen.

Er schüttelte den Kopf. »Dir gefallen solche Sachen.«

»Schon möglich«, erwiderte ich. »Ich bin mir nicht sicher.« Oftmals fällt es leichter, andere zu erkennen als sich selbst. Die wenigsten von uns erkennen den Fremden, der sich im Schatten verbirgt, den Fremden, der wir selbst sind.

»Ich bin ein einfacher Krieger«, sagte Marcus. »Gib mir eine Truppe, ein Schlachtfeld oder eine Stadt. Ich weiß dann vermutlich, was ich dann zu tun habe. Zeig mir den Feind, damit ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten kann.«

»Täuschung und Verstohlenheit sind im Arsenal des Krieges keine neuen Waffen«, entgegnete ich. »Sie sind zweifellos so alt wie eine Keule oder ein angespitzter Stock.«

Der junge Krieger warf mir einen wütenden Blick zu.

»Studiere die Feldzüge Dietrichs von Tarnburg«, riet ich ihm.

Er zuckte ärgerlich mit den Schultern.

»Er säte Silber und erntete Städte.«

Marcus dachte nach. Dann sagte er widerstrebend: »Es sind mehr Tore mit Gold als mit Stahl geöffnet worden.«

»Du tust immer so, als wärst du nicht besonders klug«, erwiderte ich belustigt. »Aber du zitierst aus den Tagebüchern.« Ich bezog mich auf die Feldtagebücher von Carl Commenius aus Argentum, die Marcus als ausgebildeter Krieger kennen mußte.