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»Du bist jetzt sicher«, sagte ich zu Phoebe.

Sie kniete eingeschüchtert zu Marcus’ Füßen und umklammerte sein Bein.

»Wir können Cos nicht widerstehen«, hörte ich einen Mann sagen.

»Wir müssen auf die Priesterkönige vertrauen«, bekam er zur Antwort.

»Unsere Männer werden uns schon beschützen!« sagte ein anderer Passant.

»Die paar erbärmlichen Regimenter und die Bürgerwehr?« fragte jemand.

»Wir müssen auf die Priesterkönige vertrauen!«

»Die Menschen Ars haben Angst«, meinte Marcus.

Ich nickte. »Welches Ziel mögen die Erleuchteten wohl haben?« fragte ich ihn dann.

»Vermutlich ihren Tempel.«

»Wozu?«

»Für die Abendandacht, nehme ich an«, erwiderte er etwas gereizt.

»Das glaube ich auch.«

»Das Sonnentor!« rief er. »Wir müssen vor Einbruch der Dunkelheit dort sein!«

»Ja, das müssen wir.«

»Reicht die Zeit?«

»Ich glaube schon.«

»Dann komm«, sagte er. »Aber schnell!«

Er eilte davon. Ich folgte ihm, und Phoebe lief hinter uns her.

2

»Du darfst dich umdrehen«, sagte Marcus und stand auf.

Phoebe, die in unserem kleinen Zelt vor den Stadtmauern – inmitten Hunderter solcher Zelte, die hauptsächlich von Vagabunden, Reisenden und Flüchtlingen bevölkert wurden – noch immer keuchend auf dem Boden kniete, nahm die eben noch verschränkten Finger aus dem Nacken und hob den Kopf.

»Vielen Dank, Herr«, sagte sie atemlos. »Ich gehöre nur dir. Ich liebe dich. Ich liebe dich.«

»Steh auf und wende dich mir zu«, sagte er. »Laß die Arme an den Seiten herabhängen.« Er zog einen etwa anderthalb Meter langen Riemen aus der Gürteltasche und warf ihn sich über die Schulter.

»Werde ich jetzt gefesselt?« fragte sie.

»Außerhalb der Stadtmauern scheint die Luft viel sauberer und frischer zu sein«, sagte ich.

Um uns herum ertönte der Lärm des Lagerlebens.

»Hier stinkt es bloß nicht nach Weihrauch«, erwiderte Marcus mit einem Grinsen. »Weißt du, was das hier ist?« Er zog ein Stück Stoff aus der Tasche.

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie schüchtern und hoffnungsvoll. »Herr.« Ihre Augen leuchteten.

Ich lächelte.

»Es ist eine Tunika!« rief sie entzückt.

»Eine Sklaventunika«, korrigierte er sie streng.

»Natürlich, Herr«, sagte sie begeistert, »denn ich bin ja eine Sklavin!«

Es handelte sich um eine ärmellose Tunika aus braunem Stoff. Großzügig bemessene Schlitze an beiden Seiten bewirkten, daß die Oberschenkel der Trägerin zusätzlich entblößt wurden. Ich sah, daß Phoebe das Kleidungsstück am liebsten an sich gerissen hätte, aber wie befohlen behielt sie die Hände an den Seiten.

Bei dem Riemen über Marcus’ Schulter handelte es sich natürlich um den Sklavengürtel, mit dem die Kleidung der Sklavin gehalten wird. Solche Gürtel können auf die verschiedensten Arten zugeknüpft werden, meistens so, daß sie die Figur der Trägerin betonen. Darüber hinaus können sie natürlich als Fessel dienen.

»Das ist doch für mich, oder?« fragte Phoebe begierig und voller Aufregung.

»Es ist mein Eigentum, da du mein Eigentum bist«, stellte Marcus fest, »aber es stimmt, daß ich es für dich erstanden habe, damit du es trägst, wenn ich es dir erlaube oder befehle.«

»Darf ich sie anfassen, Herr?« fragte sie entzückt.

»Ja.«

Ich sah zu, wie sie das winzige Kleidungsstück dankbar und erfreut in die Hände nahm. Es war schon erstaunlich, wieviel eine so nebensächliche Sache einem Mädchen bedeuten konnte. Es war bloß eine Sklaventunika, ein billiges, winziges Stück Stoff, kaum mehr als ein Ta-teera, und doch begeisterte sie sich dafür. Es war ein Kleidungsstück, das freie Frauen angeblich verabscheuen, das sie unaussprechlich schrecklich und einfach widerwärtig finden; ein Kleidungsstück, das sie mit Entsetzen betrachten, bei dessen bloßem Anblick sie scheinbar bereit sind, in Ohnmacht zu fallen. Aber für Phoebe, die Sklavin, bedeutete es mehr als das kostbarste Kleid in der Garderobe einer freien Frau. Natürlich hatte ich den Verdacht, daß freie Frauen nicht immer ganz ehrlich sind, wenn sie uns ihre Meinung über solche Tuniken kundtun. Einem goreanischen Sprichwort zufolge sind freie Frauen Sklavinnen, denen noch niemand einen Sklavenkragen um den Hals gelegt hat.

»Darf ich das anziehen?« fragte Phoebe.

»Ja, natürlich«, sagte Marcus. Er strahlte. Ich glaube, er hatte in diesem Augenblick ganz vergessen, daß er dieses Mädchen von ganzem Herzen haßte.

»Warum hast du mich eigentlich nach Ar begleitet?« fragte ich ihn.

»Das weißt du doch genau«, lautete seine Antwort.

»Aber es ist Wahnsinn.«

Während der Belagerung von Ar-Station hatte man den Heimstein der Stadt durch die feindlichen Linien nach Ar geschmuggelt, wo er in Sicherheit verwahrt werden sollte. Dazu bediente man sich des Wagens eines Mannes namens Septimus Entrates. Allerdings hatten wir nach dem Fall von Ar-Station erfahren, daß im Süden das Gerücht kursierte, Ar-Station habe dem cosischen Expeditionsheer seine Tore geöffnet, und zwar für viel Gold. Aus diesem Grund galten die Bürger Ar-Stations nun als Verräter. Dieser angebliche Verrat diente natürlich als Erklärung für den gescheiterten Versuch Ars, die belagerte Stadt zu entsetzen. Wie man munkelte, hatte sich Ars Heer dem Dilemma gegenübergesehen, entweder seine einstige Kolonie anzugreifen oder sich um das Expeditionsheer zu kümmern. Aufgrund der Annahme, das letzere habe Priorität, drang das Heer Ars bei der Verfolgung der Cosianer in das Flußdelta des Vosk ein, in dessen trügerischem morastigen Untergrund ein Regiment nach dem anderen ausgelöscht oder dezimiert wurde.

Die Vernichtung der Arer im Delta war die vermutlich größte militärische Katastrophe in der Geschichte des Planeten. Von den über fünfzigtausend Mann, die das Delta betraten, überlebten kaum mehr als schätzungsweise vier- bis fünftausend. Einige von ihnen hatten sich natürlich bis nach Ar durchschlagen können. Und soweit es diese Männer wußten, entsprachen die Gerüchte der Wahrheit, daß Ar-Station seine Vaterstadt verraten hatte, daß seine Mauern unversehrt und es jetzt ein cosischer Außenposten war. Das hatte man ihnen in ihrem Winterlager in Holmesk erzählt.

Phoebe zog sich die Tunika über den Kopf.

Marcus ließ sie dabei keinen Augenblick lang aus den Augen.

Nach diesen offiziellen Verlautbarungen über die Geschehnisse im Norden wurden Ar-Station und seine Bürger in Ar verständlicherweise verachtet und gehaßt.

Phoebe zupfte die Tunika an den Oberschenkeln zurecht und drehte sich glücklich vor Marcus im Kreis.

»Aii!« rief Marcus.

»Gefällt dir deine Sklavin?« fragte Phoebe entzückt. Die Frage war offensichtlich rhetorisch gemeint.

»Sie ist zu kurz«, behauptete der junge Krieger.

»Unsinn«, sagte ich.

»Sie ist sogar viel zu kurz.«

»Um so besser kann mein Herr meine Oberschenkel betrachten«, sagte Phoebe. Sie waren tatsächlich entblößt, vor allem durch die Schlitze an den Seiten.

»Wie andere Männer auch«, sagte er wütend.

»Natürlich, Herr«, sagte sie. »Schließlich bin ich eine Sklavin.«

»Sie ist außerordentlich schön«, sagte ich. »Soll sie sich doch so entblößt zeigen. Sollen sich die anderen vor Neid verzehren, daß sie dein Eigentum ist.« •

»Hm«, machte Marcus und verlor sich in der verzückten Betrachtung seiner schöner Sklavin.

»Sicher hast du dein verrücktes Vorhaben mittlerweile verworfen«, fuhr ich fort.

»Nein«, sagte er abwesend.

Wie bereits erwähnt befand sich Ar-Stations Heimstein in Ar. Und allein aus diesem Grund war Marcus hierhergereist.

Weil die Wut auf Ar-Station so gewaltig war (nicht zuletzt durch die angebliche Tatsache, daß der Heimstein gar nicht aus Sicherheitsgründen nach Ar gesandt worden war, sondern als Geste der Verachtung und Zurückweisung, die der ebenfalls angeblichen Entgegennahme eines neuen, von den Cosianern überreichten Heimsteins vorausging), wurde der Stein zu bestimmten Stunden öffentlich zur Schau gestellt. Dies geschah in der Nähe des Zentralzylinders, auf der Straße des Zentralzylinders. Nun konnten die Bürger Ars ihren Abscheu an dem Stein abreagieren, indem sie ihn verfluchten, anspuckten oder auf andere Weise besudelten.