»Der Korb ist ja gar nicht leer!« rief der Metzger.
»Die Sklavin ist da drin!« rief der Schmied.
»Aber das will ich doch hoffen«, rief der Dicke seinem Publikum zu. »Schließlich will ich sie wiederhaben!«
»Sie ist doch schon da drin!«
»Ich hoffe es«, erwiderte der Dicke. »Sehen wir einfach nach!«
Er eilte zur dem Korb und nahm den Deckel ab, den er auf den Boden legte. Dann hakte er die Rückseite von den beiden Seitenteilen los. Nur noch mit dem Korbboden verbunden hing sie nun hinten herunter, wie man deutlich sehen konnte. Er klappte das rechte Seitenteil herunter, dann das linke. Nun stand nur noch die Vorderseite der Truhe hoch aufgerichtet da, weil er sie mit einer Hand festhielt.
»Laß sie herunter!« rief der Bauer.
»Zeig uns die Sklavin!« verlangte der Schriftgelehrte.
»Das ist kein Trick!« rief ein anderer Zuschauer.
Ein allgemeines Aufstöhnen ging durch das Theater, als der Dicke die Vorderseite herunterfallen ließ. Der Korb lag nun in seine Einzelteile zerlegt völlig offen da.
Es war keine Sklavin zu sehen.
»O je« rief der Dicke und fuchtelte mit beiden Händen durch den leeren Raum, der eben noch das Korbinnere gewesen war. »Sie ist nicht hier!« Er ließ sich auf alle viere herunter und blickte unter den Korb, dann tastete er den Korbboden ab, der vielleicht drei Zentimeter dick sein mochte. Scheinbar verzweifelt wimmerte er: »Sie ist nicht hier!«
»Wo ist die Sklavin?« fragte der Bauer.
»Vielleicht hat sie der Magier behalten«, schlug ein Zuschauer vor. Es klang, als meinte er dies ernst.
»Aber er ist doch mein Freund!« protestierte der Dicke.
»Bist du dir da sicher?«
»Vielleicht ist der Korb in Wirklichkeit ja gar nicht magisch«, dachte der Dicke laut nach.
»Das scheint mir die plausibelste Erklärung zu sein«, flüsterte ein vor uns stehender Mann seinem Freund zu.
»Das schätze ich auch«, sagte Marcus leise, mehr im Selbstgespräch als an eine bestimmte Person gerichtet.
Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Ich hatte den Eindruck, daß er das ernst meinte.
»Bist du anderer Meinung?« fragte er mich. Es war tatsächlich sein Ernst.
»Laß uns zusehen«, sagte ich. Ich lächelte. Marcus war ein hochintelligenter Bursche. Andererseits entstammte er einer Kultur, die im großen und ganzen solchen Fragen ziemlich offen gegenüberstand, und dies war vermutlich das erste Kunststück dieser Art, das er je zu sehen bekam. Es mußte ihm unglaublich erscheinen. Mit seinem Hintergrund war er bereit, das, was ihm seine Sinne mitteilten, auch zu akzeptieren.
»Was habe ich nur falsch gemacht? Was habe ich nur falsch gemacht?« stöhnte der Dicke. Er klappte die Vorderseite wieder hoch, richtete das linke Seitenteil auf und ließ die Verriegelung zuschnappen. »Ich verstehe es nicht!« Er klappte die rechte Seite hoch und machte sie fest. Dann ging er um den Korb herum und schloß auch die Rückseite. Zum Schluß hob er den Deckel auf und legte ihn auf den Weidenkorb.
»Was habe ich nur falsch gemacht?« fragte er das Publikum in komisch anzusehender Verzweiflung.
»Du hast den Magier nicht angerufen!« rief der Bauer.
»Was!« rief der Dicke überrascht.
»Genau!« meldete sich der Metzger zu Wort. »Erinnere dich! Du hast laut den Wunsch geäußert, daß ein Magier sie fortzaubern möge, um sie zu lehren, wie man sich als Sklavin zu benehmen hat!«
»Ja!« sagte der Dicke staunend. »Das ist wahr!«
»Vielleicht hat dich ja dein Freund aus Anango, der angeblich ein Magier sein soll, gehört und wollte dir einen Gefallen tun.«
»Ist so etwas denn möglich?« fragte der Dicke ehrfürchtig.
»Aber ja«, sagte der Metzger.
»Was muß ich denn jetzt tun?«
»Wünsche sie dir zurück.«
Der Dicke auf der Bühne schüttelte den Kopf. »Glaubt ihr, er wird sie mir zurückgeben?« fragte er zweifelnd.
»Aber sicher«, sagte der Metzger, der sich als ungewöhnlich hilfsbereit erwies.
»Er ist doch dein Freund«, sagte der Schriftgelehrte.
»Das hoffe ich zumindest«, antwortete der Dicke.
»Dann ist es sicherlich einen Versuch wert«, sagte der Metzger.
Der Dicke blickte in die Höhe und rief: »Oh, Saba Boroko Swaziloo, alter Freund, wenn du mich hören kannst und wenn du es gewesen sein solltest, der meine kleine Litsia fortgezaubert hat, vielleicht um ihr Benehmen beizubringen, bitte gib sie mir zurück!«
Ein derartiger Name war natürlich völliger Unsinn; anangische Namen haben aber ähnlich klingende Vokale, warum bei derartigen Gelegenheiten Leute, die in solchen Dingen etwas nachlässig sind, oft darauf zurückgreifen. Es war natürlich äußerst unwahrscheinlich, daß sich Anangoer im Publikum befanden. Zumindest hoffte ich das, um des Dicken willen.
Stille kehrte ein.
»Nichts!« sagte der Dicke enttäuscht. »Nichts!«
Plötzlich ertönten aus dem Weidenkorb polternde Geräusche. Er wackelte auf den Böcken.
»Was ist das?« rief der Dicke und drehte sich um.
Der Korb wackelte hin und her.
»Herr!« Die Stimme kam aus dem Korb. »Herr, geliebter Herr, hilf mir! Ich bitte dich, hilf mir, Herr! Wenn du mich hören kannst, so hilf mir!«
»Mach ihn auf!« rief der Metzger.
»Mach ihn auf!« rief der Bauer.
Der Dicke riß den Weidendeckel von dem Korb, blickte hinein und stolperte zurück, als würde ihm das, was er da sah, die Sprache verschlagen.
»Zeig es uns!« riefen die Zuschauer. »Zeig es uns!«
Ohne eine Sekunde zu verschwenden, löste er die Riegel und ließ die Vorderseite herunterklappen. Die Zuschauer brüllten ihr Erstaunen und ihre Begeisterung heraus. In dem Korb lag die Sklavin Litsia, die jetzt nur noch knappe Stoffetzen und einen Sirik trug.
Sie hatte aufregende Kurven und war ein gestaltgewordener Traum, ihr Anblick hätte einen starken Mann dazu bringen können, vor Begeisterung zu jubeln und einen Freudentanz aufzuführen.
Die Zuschauer auf den Sitzreihen sprangen applaudierend auf.
Ja, die Frau war großartig. Es konnte keinen Zweifel mehr an dem Versprechen geben, das ihr Körper bot. Sie hätte sich genausogut auf einem Auktionsblock befinden können, so wenig überließen die knappen Stofffetzen der Phantasie der aufgeregten Männer. Und wie verführerisch sie sich auf dem Korbboden wand, in hilflosem Verlangen, im Griff des Siriks, der ihren Hals, die Handgelenke und Knöchel mit funkelnden Ketten tadellos miteinander verband!
»Der Magier hat sie zurückgebracht!« rief der Bauer.
»Und sie ist in einem besseren Zustand, als er sie erhalten hat!« lachte der Schriftgelehrte.
Mit einem Ruck riß der Dicke den lächerlichen Stofffetzen weg, der ihre Schönheit auf so überflüssige Weise versteckt hatte, und warf ihn beiseite.
Männer jubelten auf.
»Es sieht so aus, als hätte ich einen neuen Herrn«, sagte das Mädchen und wand sich nackt vor dem Publikum.
Gelächter ertönte.
Der Dicke zog sie aus dem Korb und stieß sie auf der Bühne auf die Knie. Sie wandte sich dem Publikum zu. »Jetzt weiß ich, daß ich einen neuen Herrn habe!«
Noch mehr Gelächter ertönte.
»Wo bist du gewesen?« verlangte der Dicke zu wissen.
»Ich saß in meiner Sänfte«, sagte das Mädchen. »Und plötzlich, ein Blinzeln später, fand ich mich in einem Schloß wieder, nackt und in Ketten!«
»Ich wette, in Anango«, sagte der Dicke.
»Zu den Füßen eines Magiers!« rief sie.
»Das kann nur mein alter Freund Swaziloo gewesen sein!«
»Ja, ich glaube, das war sein Name.« Es freute mich, daß sie es geschafft hatten, den Namen beim zweitenmal richtig hinzubekommen. Ich hatte schon erlebt, daß sich der Dicke dabei versprach. Das Mädchen hätte so einen Fehler natürlich niemals gemacht. Sie wäre sonst vermutlich ausgepeitscht worden.
»Und warum hat er dich in sein Schloß geholt?«
»Um mir etwas beizubringen, Herr.«
»Und hat man dir etwas beigebracht?«
»Ja, Herr.«
»Was denn?«
»Eine Sklavin zu sein, Herr!« flüsterte sie.