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Als ich mich wieder gefaßt hatte, sagte ich: »Sicherlich kann sich die Lady Ludmilla nicht mit der Schönheit der Herrin messen!«

»Sie ist genauso schön wie ich«, erwiderte die Ubara. Sie lächelte zufrieden, richtete ihren Schleier und sagte mir, man würde mich zu jeder Zeit zu ihr vorlassen. Dann rief sie die Wachen herein und gab ihnen Anweisungen, die ich nicht verstehen konnte, die aber vermutlich mich betrafen. Dann brachten mich die Wächter wieder hinaus, wo mein Herr schon ungeduldig auf mich wartete.

Lavinias Bericht stimmte mich sehr zufrieden. Talenas Reaktion auf Milos angeblichen Brief war genau so gewesen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Lavinia hatte recht; sie war in der Tat eine sehr schöne Frau. Und ein eitles, hochmütiges Geschöpf. Ich fragte mich, wie sie in Sklavenketten aussehen würde, zu meinen Füßen. Ich lächelte.

»Meine Liebe«, sagte ich zu Lavinia. »Du bist jetzt die Botin in einer Intrige.«

In diesem Augenblick ertönte der Alarmstab und verkündete die zwölfte Stunde.

Lavinia sah erschrocken auf.

»Es ist spät«, sagte ich. »Wir müssen los.«

Ich stand auf. Sie trug bereits das Gewand, das soviel Ähnlichkeit mit der Tunika einer Staatssklavin hatte, also mußte ich ihr nur noch den dazugehörigen Kragen anlegen. Ich hob den kurzen Umhang auf, den sie zuvor getragen hatte, und legte ihn ihr über die Schultern. Wieder mußte ich lächeln. Es war fast so, als würde ein Mann einer jungen Dame in den Mantel helfen. Doch welch einen Unterschied gab es hier! Sie war mein Eigentum, mit dem ich machen konnte, was ich wollte.

Wir verließen unseren kleinen Raum im insula von Torbon, ich zuerst, und Lavinia ein paar Schritte hinter mir.

20

»Die Tür öffnet sich, Herr!« sagte Lavinia leise.

»Ich werde mich zurückziehen«, erwiderte ich.

Wir standen in der Nähe eines der Hintereingänge des Großen Theaters. Lavinia kannte den Eingang gut. Es herrschte ein Kommen und Gehen, Leute waren unterwegs, Arbeiter, Träger und Sklavinnen, die Besorgungen zu erledigen hatten. Man fand auch ein paar Müßiggänger, die sich hier herumtrieben, darunter interessanterweise auch ein paar freie Frauen, deren Gewänder sie als Angehörige der verschiedensten Kasten kennzeichneten. In der Nähe standen auch zwei Sänften, deren Vorhänge ein Stück beiseite geschoben waren.

»Er ist es!« sagte Lavinia. Sie drückte sich gegen die Wand und hielt den Brief in ihrer Faust an die Brust gedrückt.

Ich spazierte unauffällig weiter. Ich wollte in der Nähe bleiben, aber nicht so nahe, daß ich hören konnte, was geschah.

Ein paar Meter weiter drehte ich mich um. Lavinia stand wie angewurzelt dort, wo ich sie zurückgelassen hatte. Ihr Herz mußte heftig schlagen. Ich konnte sehen, wie sich ihre Brust schnell hob und senkte, vermutlich vor Aufregung. Sie umklammerte den Brief. Ich verließ mich darauf, daß er von ihrer kleinen verschwitzten Hand nicht zerdrückt wurde.

Der Mann, um den es ging, war aus dem Hintereingang getreten. Zwei andere Männer begleiteten ihn.

Lavinia rührte sich nicht.

Ich war neugierig, diese Begegnung beobachten zu können, auch wenn ich hauptsächlich gekommen war, um Lavinia zu beschützen, falls sich das als notwendig erweisen sollte. Ich war mir nicht sicher, wie man auf sie reagieren würde. Schließlich war sie nur eine Sklavin, daran änderte auch die vorgebliche Kleidung einer Staatssklavin nichts. Außerdem war es möglich, daß man sich an sie aus den Tagen ihrer Freiheit erinnerte, als ihre Person unantastbar und unverletzlich, ihr Wille selbstsüchtig und anmaßend gewesen war, und das konnte ihr eine Tracht Prügel einbringen. Vielleicht um alte, unterdrückte Ressentiments aus der Welt zu schaffen oder um ihr einfach ihre derzeitige Verletzlichkeit und neue Stellung zu Bewußtsein zu bringen und sie daran zu erinnern, daß sie nicht mehr diejenige war, die man zufriedenstellen mußte, sondern sie die anderen zufriedenzustellen hatte.

Davon abgesehen war es möglich, daß man sich an sie aus ihren Tagen als Haussklavin im Haus des Appanius erinnerte. Dort war sie, vor allem als neue Sklavin, der Gnade der Männer des Hauses ausgeliefert gewesen, und vermutlich auch der der höhergestellten Sklavinnen. Möglicherweise hatten sich alle zusammengetan, um sie schlecht zu behandeln. Darum wollte ich in der Nähe bleiben. Ich hatte natürlich nichts dagegen, wenn sie jemand schlug. Das schadet einem Sklaven nicht, im Gegenteil. Aber ich wollte nicht, daß sie ernsthaft verletzt wurde.

Lavinia rührte sich nicht.

Das ärgerte mich, andererseits war es vielleicht nicht einmal das Schlechteste. Vier oder fünf der freien Frauen, die hier herumlungerten, eilten los, um sich um den Mann zu scharen. Andere hielten sich etwas zurück. In die Sänften kam keine Bewegung. Ich vermutete, daß etliche Schleier nicht so sorgfältig gerichtet waren, wie es sich schickte. Der Saum von mehr als nur einem Gewand wurde ein Stück angehoben, als die Frauen loseilten. Das war eine vielsagende Beobachtung, denn die Gasse war trocken. Das heißt, ich konnte weder Pfützen noch Schlamm entdecken. Zweifellos wollten die Frauen in ihrer Eile nur vermeiden, daß Staub aufwirbelte, in der Hoffnung, ihre Gewänder nicht zu beschmutzen. Es lungerten auch ein paar junge Burschen herum. Sie waren wohl gekommen, um zu sehen, welche Enthüllungen ein geschickt verrutschter Schleier zeigte, oder ob man, wenn man aufmerksam war und einem das Glück lachte, einen kurzen Blick auf einen aufblitzenden Knöchel erhaschen konnte.

Ich knurrte ungehalten. Sicher, es wäre für Lavinia nicht klug gewesen, auf den besagten Mann zuzustürzen und mit freien Frauen um seine Aufmerksamkeit zu wetteifern. Sie trug einen Kragen, also wäre es außerordentlich unklug, ja sogar gefährlich gewesen.

Milo, der Sklave und Schauspieler – denn um ihn handelte es sich natürlich bei dem besagten Mann –, brachte den Frauen, die sich um ihn scharten, viel Geduld entgegen, was von seinem Standpunkt aus vermutlich auch klug war. Sie standen eng um ihn herum, und einige berührten ihn sogar. Ihre Augen leuchteten, als sie zu ihm hochsahen. Einige konnten kaum ein Wort hervorbringen. Milo war recht groß und überragte sie alle. Ich betrachtete sie in ihren Gewändern. Sie hätten eine Gruppe hübscher kleiner Sklavinnen abgegeben, dachte ich.

Ich blickte zu Lavinia, die so nahe an der Häuserwand stand, daß man hätte meinen können, sie sei dort angekettet.

Nach einer gewissen Zeit begannen Milos Begleiter mit – so wie es aussah – sanften Worten und sanft bestimmenden Gesten darauf zu drängen, daß man dem Schauspieler nun gestattete, seinen Weg fortzusetzen. Die Frauen schienen darüber wenig erfreut zu sein. Einige protestierten sogar leise und verzweifelt. Sicherlich standen ihnen doch noch ein paar Augenblicke zu, um sich um ihn zu scharen, ihn zu berühren und ihre Komplimente zu äußeren. Sollte man ihnen jetzt schon verwehren, sich schwärmend in der Wärme dieses hellen Lächelns zu sonnen? Dann gaben sie den Weg frei und schauten ihm voller Sehnsucht nach, als er weiterging. Ich blickte zu Lavinia hinüber. Sie rührte sich noch immer nicht!

Mehr als nur eine der zurückbleibenden Frauen richtete ihren Schleier und tat dabei so, als wäre es ihr peinlich. Wie hatte er nur so verrutschen können?

Dann setzten sich einige der schüchternen Frauen, die es nicht gewagt hatten, ihn zu bedrängen, in Bewegung und liefen ihm nach, um allein mit ihm zu sein, und wenn es nur ein Augenblick war. Er würde sie anlächeln und einer die behandschuhte Hand küssen.

Er kam genau in meine Richtung. Lavinia ließ den Abstand zu ihm immer größer werden. Ich blickte sie an. Glaubte sie etwa, an der Wand festgekettet zu sein? Ich machte eine winzige, kaum wahrnehmbare Geste. Sie rückte ein Stück von der Wand ab, als wollte sie Milo und den anderen folgen. Im selben Augenblick trat einer der Sänftenträger auf die kleine Gruppe zu, kniete vor ihr nieder und zeigte auf die Sänfte. Lavinia wich schnell zurück. Langsam wurde ich ungeduldig, aber ich wollte nicht, daß sie mit der Person konkurrierte, die in der Sänfte saß und bei der es sich zweifellos um eine reiche freie Frau handelte. Die Sänfte machte nämlich nicht den Eindruck, als wäre sie oder wären ihre Träger gemietet. Ich konnte es nun wirklich nicht brauchen, daß Lavinia von einem der Sklaven geschlagen wurde und der Brief irgendwo im Straßenstaub landete.