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»Du bist ja betrunken!« Er trat einen Schritt zurück.

»Sollte das so sein, hast du einen Vorteil.«

»Es schickt sich nicht für freie Männer, sich vor einer Sklavin zu streiten.«

»Ich schicke sie fort«, bot ich an.

»Nein, nein«, sagte er nervös. »Sie stört nicht.«

»Du würdest sie von ihren Pflichten abhalten?« fragte ich lauernd.

»Nein«, erwiderte er. »Nein!«

»Ruhm und Ehre für Talena, die Ubara von Ar«, sagte ich.

»Ja, Ruhm und Ehre für Talena, natürlich!« beeilte er sich zu erwidern.

»Ruhm und Ehre für Seremides, den ersten Minister der Ubara, den Befehlshaber der Taurentianer, für Myron, den Polemarkos von Temos, für Lurius von Jad!«

»Ja, ja, Ruhm und Ehre für sie alle!«

»Ruhm und Ehre für ein fettes Tharlarion!«

»Wenn du meinst«, erwiderte er. »Auch das, selbstverständlich!«

»Du stimmst aber auch allem zu«, stellte ich fest.

»Ich versuche nur, höflich zu sein.«

»Ich glaube, ich sollte deine Lady kennenlernen.«

»Nein, tu das nicht!«

»Um sich bei ihr über deine Behinderung der Pflichten einer Staatssklavin zu beschweren.«

»Sie unterhält sich gerade.«

»Das spielt keine Rolle.«

»Stör sie nicht!«

»Vielleicht möchtest du mich ja aufhalten?«

»Nein!« Er drehte sich ruckartig um und eilte auf die Sänfte zu.

»Ich schlage vor, du fängst unsere Zielperson am Tarnhof ab, unterhalb der Schattenspaliere. Meines Wissens ist das seine übliche Strecke. Außerdem wird es dann so aussehen, als hätte ich dich fortgeschickt, damit du deinen Auftrag erledigen kannst.«

»Ja, Herr.«

»Und steck den Brief unter die Tunika«, sagte ich. »Gib ihn ihm, wenn der richtige Augenblick gekommen ist.«

»Ja, Herr.« Sie küßte den Brief und schob ihn unter den Stoff.

»Es ist ein sehr gut geschriebener Brief«, sagte ich.

»Danke, Herr.« Sie hatte den Brief verfaßt, nach meinen Vorgaben. Marcus und ich hatten uns einige Zeit damit abgemüht, schließlich dann aber aufgegeben. Lavinia hatte es geschafft. Die Botschaft war wie ein Gedicht, zart und rührend, ein verzweifelter, flehentlicher Brief einer hochintelligenten, durch und durch weiblichen, außerordentlich verletzlichen, sich vor Sehnsucht verzehrenden Frau, die sich hoffnungslos verliebt hatte, die bereit war, sich auf- und ihrem Geliebten hinzugeben. Sowohl Marcus als auch ich waren erstaunt gewesen, daß Lavinia so gute Arbeit geleistet hatte. Es war fast so, als schriebe sie den Brief um ihrer selbst willen und nicht als Teil eines Planes. Nur Phoebe war nicht überrascht gewesen, sondern hatte bloß gelächelt.

»Und nun geh.« Ich blickte zur Sänfte, die noch immer an Ort und Stelle stand. »Unser Mann wird gleich weitergehen.«

Da schluchzte Lavinia plötzlich auf. »Herr, was ist, wenn ich es nicht tun kann?«

»Ich verstehe nicht.«

»Was ist, wenn ich vor Furcht sterbe, es nicht einmal wage, mich ihm zu nähern?«

»Dieses Risiko gehe ich ein«, sagte ich.

»Herr!« erwiderte sie. »Ich meine es ernst!«

»Ich bezweifle, daß es möglich ist, in dieser Angelegenheit vor Angst zu sterben«, sagte ich, »aber sollte dir dies tatsächlich gelingen, werde ich eben ein anderes Mädchen finden müssen.«

»Ich verstehe.«

»Also mach dir keine Sorgen. Wie du siehst, ist das völlig unnötig.«

»Das beruhigt mich sehr.«

Ich ging neben ihr in die Hocke. »Was bist du?« fragte ich.

»Eine Sklavin.«

»Und was noch?«

»Nur das«, erwiderte sie verwundert. »Eine Sklavin.«

»Daran mußt du immer denken«, sagte ich sanft zu ihr. »Ruf dir das ins Gedächtnis zurück, wenn du ihm gegenübertrittst, und die Wahrheit, die darin steckt.«

»Ich verstehe, Herr.« Sie lächelte durch ihre Tränen hindurch.

»Ich glaube nicht, daß du versagst.«

Sie lächelte. »Das glaube ich auch nicht.«

Ich streckte den Arm aus. »Vertrödel hier nicht deine Zeit, Sklavin«, sagte ich laut. »Geh! Erfüll deine Pflicht!«

»Ja, Herr.« Lavinia sprang auf und eilte die Aulus zurück.

Die Entscheidung, daß sie den Brief unter ihrer Tunika tragen sollte, hatte ich getroffen, damit er keine Aufmerksamkeit erregte. Der freie Mann zum Beispiel hatte ihn sofort gesehen.

Ich drehte mich um und sah, wie die Träger die Sänfte anhoben. Das war mein Zeichen. Ich eilte Lavinia hinterher, nahm aber nicht ihren Weg, sondern eine ähnliche Route, die mich zum Tarnhof brachte.

Ein paar Ehn später hatte ich ihn erreicht. Trotz des Namens handelt es sich in Wirklichkeit um eine breite Straße, das heißt, eine für eine goreanische Stadt breite Straße. Einige Blocks östlich der Aulus ist sie der Standort eines Gemüse- und Obstmarktes, der hier immer am Vormittag abgehalten wird. Auf seiner Höhe wird die Straße von ihrer nördlichen bis fast zur südlichen Seite von einer großen Anzahl schlingpflanzenbewachsener Spaliere beschattet, die den Waren Schutz bieten und später am Tag den Fußgängern Schatten spenden. Viele goreanische Straßen liegen ständig im Schatten, was an ihrer Enge und den umstehenden Gebäuden liegt. Daraus resultiert, daß man sich nicht immer nach dem Stand der Sonne richten kann und leicht die Orientierung verliert. Daß nicht alle Straßen allgemeingültige Namen tragen, sorgt für ein zusätzliches Durcheinander. Jemand, der sich in der Gegend auskennt, hat da keine Schwierigkeiten, aber für einen Fremden kann das sehr verwirrend sein. Schließlich entdeckte ich die kleine Gruppe von drei Männern, die langsam in östlicher Richtung gingen. Ich war etwa fünfzig Meter hinter ihnen. Von Lavinia war zuerst nichts zu sehen, aber dann, etwa siebzig Meter weiter vorn, vor dem östlichen Ende des mit Spalieren abgezäunten Gebietes, auf dem der Morgenmarkt abgehalten wurde, entdeckte ich sie in einem schachbrettartigen Fleck aus Licht und Schatten. Offensichtlich war sie ein Stück vorausgeeilt, damit sie auch sicherging, Milo und seine Begleiter nicht zu verpassen. Außerdem hatte sie so genug Zeit gewonnen, um die Fassung wiederzuerlangen. Sie lag vor einer Wand auf den Knien, in Nähe eines Sklavenrings. Nicht nur, daß es sich so gehörte, es verstärkte die Wirkung, die sie mit ihrer Schönheit, ihrem Kragen und dem Sklavenring auf alle vorbeigehenden Männer ausüben mußte. An solchen Ringen kann ein Herr ein Mädchen anketten, während er sich mit ihr beschäftigt. Es freute mich, daß sie klug genug gewesen war, nicht den Eindruck zu erwecken, daß ihr Herr sie dort abgesetzt hatte, denn dann hätte ihr Aufspringen unnötiges Erstaunen hervorgerufen.

Als die drei Männer nur noch wenige Meter von Lavinia entfernt waren, stand sie anmutig auf. Natürlich entging ihnen das nicht, denn zweifellos hatten sie sie schon eine ganze Weile beobachtet. Ihre Blicke trafen sich, und sie senkte demütig den Kopf. Dieser Kontakt, so kurz er auch gewesen sein mochte, veranlaßte die Männer stehenzubleiben. Lavinia hatte damit zum Ausdruck gebracht, daß sie auf sie gewartet hatte und nun näher kommen würde. Milos Begleiter blickten einander an. Dieses Mädchen, das da auf sie gewartet hatte, trug die Tunika einer Staatssklavin. War es möglich, daß sie eine Botschaft vom Zentralzylinder überbrachte, möglicherweise von einer der vielen freien Frauen aus dem Gefolge der Ubara? Oder gar von der Ubara selbst? Möglicherweise erinnerten sie sich auch daran, daß die Sklavin schon in der Nähe des Theaters gewartet hatte. Sie hatte auf eine diskrete Gelegenheit zur Kontaktaufnahme gewartet. Ging hier etwas Geheimes vor? Der Markt war geschlossen. Die Straße so gut wie verlassen. Der Tag war heiß, selbst im Schatten der Spaliere.

Ich drückte mich neben einem Türeingang an die Wand. Wegen den vielfältigen Schattenmustern und den Schlingpflanzen hielt ich es für unwahrscheinlich, daß man mich bemerken würde. Außerdem ragten zwischen uns mehrere der Pfähle in die Höhe, die das große Dachspalier trugen.

Milo sagte etwas zu seinen Begleitern. Die beiden Männer zogen sich sofort zurück. Das fand ich interessant. Es hatte den Anschein, als wenn diese Begegnung inoffiziell stattfinden oder zumindest der Anschein einer Privatsphäre gewahrt bleiben sollte.