»Nein.«
»Dann sind sie auch nicht zusammen!«
»Ich bin davon überzeugt, daß sie zusammen sind.«
»Nein!«
»Aber beide sind verschwunden.«
»Und du kannst dir nicht vorstellen, daß sie eines der Häuser betreten haben, natürlich unabhängig voneinander?« fragte Appanius.
»Wie könnte das sein?« erwiderte ich. »Sklaven betreten nicht so ohne weiteres irgendwelche Häuser, nicht ohne konkreten Anlaß. Und niemand heißt ihm unbekannte Sklaven in seinem Haus willkommen, begrüßt sie freundlich und bietet ihnen an, mit ihm den Kessel zu teilen. Und ich gehe mal davon aus, daß sie kein Geld haben, um eine freie Person dafür zu bestechen, ihnen ein Zimmer für ihr heimliches Rendezvous zur Verfügung zu stellen. Lavinia hatte jedenfalls kein Geld.«
»Hast du in letzter Zeit deine Münzen gezählt?« fragte Appanius lauernd.
»Hast du deine gezählt?«
»Mein Sklave verfügt über Taschengeld.«
»Dann könnten sie überall sein«, sagte ich wütend.
»Nein«, erwiderte er. »Dazu ist er zu bekannt.«
»Wo sind sie also dann?«
»Da kommt nur ein Ort in Frage!« gab er widerstrebend zu.
Seine Gefolgsmänner blickten sich an und nickten.
»Und wo ist das?« fragte ich. Dabei standen wir keine zehn Meter von dem Haupteingang entfernt.
»Das heißt«, sagte Appanius, »es gibt nur einen Ort, an dem mein Sklave sein könnte. Ich weiß nicht, wo deine Sklavin herumstreunt. Die könnte überall sein, sich in einem Hauseingang an jemanden klammern, sich auf einer Matte winden, in einem dunklen Korridor stöhnen, wer weiß das schon?«
»Ich wette«, erwiderte ich, »finden wir deinen Sklaven, haben wir auch meine Sklavin gefunden.«
»Ich weiß, wo mein Sklave ist«, sagte Appanius widerstrebend. »Er hat sich an einen Ort begeben, an dem er sich in aller Ruhe in seinen Text vertiefen kann.«
»Seinen Text?«
»Er ist Schauspieler.«
»Wenn er sich in etwas vertieft, dann zweifellos in meine Lavinia.«
»Sleen!« fauchte Appanius. Die Gefolgsmänner traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Zwei von ihnen drehten die Köpfe und warfen Marcus einen besorgten Blick zu, als stünde ein Larl hinter ihnen.
»Ich glaube, sie sind zusammen!« behauptete ich.
»Niemals!« sagte Appanius im Brustton der Überzeugung. »Das kann nicht sein!«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Folgt mir!« sagte er und strebte dem Eingang zu, der direkt von der Straße in die Wohnung führte.
Ich verließ mich darauf, daß Lavinia genug Zeit blieb, den Umhang fallen zu lassen und die Entkleidungsschleife ihrer Tunika zu öffnen, bevor sich die Tür öffnete. Dann konnte sie die Arme um Milo schlingen und ihm ihre Liebe gestehen. Ich hoffte, daß sie überzeugend war.
Appanius blieb einen Schritt vor dem Hauseingang stehen. Anscheinend war ihm ein Gedanke gekommen.
»Nun öffne schon die Tür«, sagte ich, »wenn das das Haus ist.« Ich wollte auf keinen Fall, daß sie zum Hintereingang schlichen und die beiden Sklaven ohne Warnung überraschten. Lavinia würde keine Zeit bleiben, die Kleider fallen zu lassen. Falls man sie einige Meter voneinander entfernt vorfand, voll bekleidet, in eine Unterhaltung über den Zustand des unter cosischer Verwaltung stehenden Theaters vertieft, konnte ich meine Pläne vergessen. Ich ging zur Tür und ballte die Faust, um gegen das Holz zu pochen und sie eine oder zwei Ihn später einzutreten.
»Nein«, flüsterte Appanius und ergriff meine Hand. Ich ließ mich ungehalten ein paar Schritte zurückdrängen.
»Du hast recht, Appanius«, sagte Lucian. »Es wäre besser, von hinten hineinzugehen. Dann kann man durch die Beobachtungsschlitze in das Vorderzimmer hineinsehen.«
»Beobachtungsschlitze?« fragte ich.
»Dann brauchen wir ihn nicht bei seinem Rollenstudium zu stören, womit er zweifellos beschäftigt sein wird, und, was viel wichtiger ist, er wird überhaupt nichts von unserem Besuch erfahren«, sagte der Mann leise und diplomatisch. »So wird ihm niemals der Verdacht kommen, du wärst eifersüchtig auf ihn gewesen oder hättest ihn des Verrats verdächtigt.«
»Eifersüchtig?« fragte ich. »Verrat?«
»Genau mein Gedanke«, sagte Appanius. Wie ich jetzt erkannte, war dieser Lucian mehr als ein beliebiger Gefolgsmann, er war ein fähiger Höfling. Solche Burschen haben das Talent, wichtigen Leuten immer das zu sagen, was sie hören wollen. Es ist schon vorgekommen, daß solche Burschen für den Sturz von Ubars und auch ihren eigenen verantwortlich sind, und das nur wegen ihres Bestrebens, den Thron vor unerwünschten Wahrheiten zu beschützen. Es war nicht selten vorgekommen, daß in einer königlichen Residenz Frohsinn herrschte, während die Landesgrenzen zusammenbrachen. Ich aber verspürte den Wunsch, den Kerl mit dem Schwert zu durchbohren. Verzweiflung bemächtigte sich meiner.
»Kommt mit«, sagte Appanius. »Aber seid leise.«
»Natürlich«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne. Ich warf Marcus einen Blick zu. Er lächelte.
Das machte mich wütend. Begriff er denn nicht, daß meine Pläne im nächsten Augenblick zunichte gemacht werden konnten?
Ich blieb zurück und hob die Faust, um gegen die Tür zu klopfen, aber er nahm mich fest beim Arm, und wir folgten Appanius und seinen Gefolgsleuten die Straße entlang, bis wir links in die schmale Gasse einbogen.
23
»Auf diese Weise verrätst du mich also!« kreischte Appanius.
Lavinia hatte aufgeschrien, als das Netz auf sie herabgestürzt war, und Milo, der Sklave, hatte entsetzt in ihren Schrei eingestimmt.
Einen Augenblick zuvor war ich Zeuge geworden, wie sich Appanius’ Gesicht vor dem Beobachtungsschlitz vor Wut rötete; er hatte den Hebel herumgerissen, und das beschwerte Netz war auf die Liege gefallen. Fast noch im gleichen Augenblick war er mit erhobenem Stab und vor Enttäuschung und Wut schluchzend in das Vorderzimmer gestürmt, begleitet von seinen vier Gefolgsleuten, die den Zorn und die Empörung ihres Arbeitgebers scheinbar teilten, wie es sich für solche Leute gehörte. Weder Marcus noch ich hatten Gelegenheit gehabt, einen Blick durch die Schlitze zu werfen, da es nur zwei gab, von denen der eine von Appanius und der andere von Lucian in Beschlag genommen worden waren. Darum hatte ich nicht sehen, was genau sich in dem anderen Zimmer eigentlich abspielte.
Marcus und ich stürmten ebenfalls in den Raum.
Und dort waren der Sklave und Lavinia, die sich starr vor Angst und hilflos in den Maschen des Netzes gefangen aneinanderklammerten, während sie von Appanius und seinen Männern mit den Stäben bedroht wurden.
»Verräterischer Sklave!« schluchzte Appanius.
Die beiden Sklaven lagen unter dem Netz, er hatte die Arme um sie gelegt. Beide waren nackt.
»Verräterischer Sklave!« brüllte Appanius.
Marcus schaute mich an und grinste. Er war nicht im mindesten überrascht. Ich dagegen schon. Ich war immer davon ausgegangen, daß Lavinia alles allein tun müßte, daß sie die Kleider fallen lassen und sich an dem voll bekleideten Milo festklammern und darauf hoffen mußte, daß es ihr gelang, den dazukommenden Appanius davon zu überzeugen, daß ihre Anwesenheit ein von beiden Seiten ersehntes Treffen darstellte, ein Beweis gegenseitigen Interesses und Verlangens.
Aber jetzt fand ich sie in der Mitte des Raumes auf der Liege vor, in seinen Armen. Der kurze Umhang und die Tunika lagen auf der Seite am Boden. Es gab keinerlei Hinweise, daß sie in aller Eile entfernt worden waren. Der Umhang war anscheinend abgenommen und hinter ihr zu Boden geworfen worden, um ihre Schultern und die Tunika zu entblößen. Nach der Lage der Tunika war zu vermuten, daß sie sie, nachdem sie die Entkleidungsschlaufe gelöst hatte, einfach vom Körper hatte gleiten lassen und dann aus ihr herausgetreten war. Ich vermutete, daß sie sich dann in seine weit geöffneten, wartenden Arme geschmiegt und er sie dann kurze Zeit später hochgehoben und zur Liege getragen hatte.
»Du hast mich verraten!« Appanius weinte.
Marcus blickte mich verwirrt an. Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich mich schon in einer Sache getäuscht hatte, fand ich es nur gerecht, daß sich Marcus in einer anderen irrte.