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»Die Ubara steht über dem Gesetz?« fragte Marcus, der sich für solche Dinge sehr interessierte.

»In gewissem Sinne schon«, antwortete Tolnar, »in dem Sinne, daß sie das Gesetz durch einen Erlaß ändern kann.«

»Aber wenn sie sich entscheidet, das Gesetz nicht zu ändern, ist sie ihm unterworfen«, dachte Marcus laut nach.

»Genau«, erwiderte Tolnar. »Und das ist hier das Problem.«

»Egal, um was für ein Gesetz es sich handelt«, rief Talena, »ich ändere es! Hiermit ändere ich es!«

»Wie kannst du das tun?« fragte Tolnar.

»Ich bin die Ubara!«

Der Magistrat schüttelte den Kopf. »Du warst die Ubara!«

Sie schrie zornig auf.

»Glaubst du, uns liegt etwas an der Frau, die einst Talena war?« fragte Tolnar. »Die Ar verraten hat, die mit dem Feind kollaboriert hat?«

»Laßt mich sofort frei, wenn euch etwas an eurem Leben liegt!« rief sie verzweifelt. »Seremides will, daß ich frei bin! Genau wie Myron und Lurius von Jad!«

Tolnar rieb sich das Kinn. »Aber wir haben einen Eid geschworen, die Gesetze Ars aufrechtzuerhalten.«

»Befreit mich!«

»Du würdest wollen, daß wir unsere Ehre verletzen?« fragte der Magistrat.

»Ich befehle es euch sogar.«

Tolnar lächelte.

»Was gibt es da zu lachen?« fragte Talena.

»Wie kann eine Sklavin einer freien Person befehlen, etwas zu tun?« fragte der Magistrat.

»Eine Sklavin?« brüllte Talena. »Wie kannst du es wagen!«

»Nach dem Lagergesetz des Marlenus von Ar wirst du in die Sklaverei geführt. Jede freie Frau, die sich zum Sklaven eines anderen Mannes aufs Lager begibt oder sich vorbereitet, sich ihm dort hinzugeben, wird selbst zur Sklavin und damit zum Eigentum des Besitzers des Sklaven.«

»Ich, ein Eigentum?« brüllte sie.

Tolnar nickte.

»Das ist doch absurd!«

»Nicht im mindesten«, sagte der Magistrat. »Ich kann dir versichern, daß es völlig legal ist.«

Talena lief knallrot an. »Dann macht weiter mit eurer Farce!« fauchte sie. »Ich kenne Appanius gut, und seine Stellung in der Stadt hängt zu einem großen Teil von meiner Unterstützung ab! Habe ich ihn nicht von vielen Lasten befreit? Habe ich seine Steuern nicht gesenkt? Habe ich nicht sein Haus und das anderer Favoriten von den Reparationen verschont?«

»Du gestehst also ein, daß du eine Sklavin bist?« fragte Tolnar.

»Ja«, erwiderte sie wütend. »Ich bin eine Sklavin! So, ich hab’s gesagt, und nun schafft Appanius auf der Stelle herbei, damit ich sofort wieder freigelassen werde. Dann werdet ihr schon sehen, welche Schicksale ich euch zukommen lasse!«

»Aber was ist, wenn Appanius dich als Sklavin behalten will?« fragte Marcus.

Sie lachte höhnisch. »Wie ich sehe, kennt ihr den guten Appanius nicht. Das höchste, was er von einer Frau verlangt, ist, daß sie seinen Boden schrubbt.«

»Und wenn er genau das mit dir vorhat?« fragte Tolnar. »Wenn er ein Patriot ist?«

Sie wurde totenblaß.

»Zweifellos würde sie gut aussehen, wie sie in Ketten niedrige Arbeiten verrichtet«, meinte Marcus.

»Holt jetzt Appanius her!« kreischte sie. »Das ist alles ein furchtbares Mißverständnis! Holt ihn her, ich verlange es!«

»Nun gut, aber was hat Appanius mit der ganzen Angelegenheit zu tun?« wollte Tolnar wissen.

Talena starrte ihn an. »Ich verstehe nicht«, sagte sie tonlos. »Er hat alles damit zu tun. Er ist Milos Besitzer.«

»Nein«, sagte Tolnar.

Die Gefangene drehte mühsam den Kopf herum. »Appanius ist dein Herr!« sagte sie zu Milo.

Der Sklave schüttelte den Kopf.

»Natürlich ist er dein Herr!« brüllte Talena. »So wie er der Herr dieser Schlampe da ist!«

»Nein«, sagte Lavinia.

»Du hast mich nicht als Herrin angeredet«, zischte die Gefangene.

»Warum sollte ich auch?« fragte Lavinia.

»Es hat ja durchaus seine Richtigkeit, daß du Milos Besitzer gehörst«, sagte Tolnar, »aber es stimmt nicht, daß Milo Appanius gehört.«

»Wem gehöre ich denn dann?« fragte sie entsetzt.

Tolnar wandte sich seinem Kollegen zu. »Komm, laß uns die nötigen Dokumente fertig machen, die Maße nehmen und dergleichen.«

»Dokumente, die Maße nehmen?« protestierte Talena.

»Ich glaube, du wirst verstehen, daß in einem Fall wie diesem genau geführte Urkunden und Vorsichtsmaßnahmen nicht gerade unangebracht sind.«

Die beiden Magistrate begaben sich ins Hinterzimmer, um alles Nötige vorzubereiten.

»Du!« rief die Gefangene und sah Marcus an. »Bist du es, dem ich gehöre?«

Er sah sie nur wortlos an.

»Wer bist du?«

»Das spielt keine Rolle«, entgegnete er.

»Ich werde mir meine Freiheit erkaufen«, sagte sie. »Ich gebe dir tausend Goldstücke! Zweitausend! Zehntausend! Nenn deinen Preis!«

»Aber du bist eine Sklavin, du besitzt doch nichts«, sagte er.

In diesem Augenblick betraten Tolnar und Venlisius wieder den Raum und machten sich an die Arbeit. Sie vergaßen nichts und nahmen der Frau in dem Netz sogar die Finger- und Zehenabdrücke ab. Während der ganzen Prozedur achtete ich darauf, daß ich hinter ihr blieb, damit sie mich nicht sehen konnte.

»Ihr werdet mich niemals aus der Stadt schaffen können«, sagte Talena plötzlich zu Marcus.

»Glaubst du ernsthaft, das wäre schwer, geknebelt, mit einer Haube über dem Kopf, in einem Sack?« fragte er.

»Vermutlich schlägt man schon die Alarmstäbe wegen meines Ausbleibens!«

»Ich habe noch nichts gehört«, erwiderte Marcus.

»Sei doch nicht naiv«, sagte sie gereizt. »Schon in diesem Augenblick wird man einen geheimen Alarm gegeben haben. Die Wächter sind schon dabei, ganz Ar auf den Kopf zu stellen.«

»Wenn du deine heimliche Liebschaft so gut geplant hast, wie du uns hast glauben machen wollen, bezweifle ich, daß man dich bis jetzt überhaupt vermißt hat. Vermutlich wird dein Verschwinden nicht vor morgen früh entdeckt werden!«

Sie gab ein Stöhnen von sich.

»Wir hätten also genug Zeit, um dich aus der Stadt zu schaffen, wie eine ganz gewöhnliche Sklavin. Aber vielleicht haben wir ja auch gar nicht die Absicht, dich aus der Stadt zu schaffen.«

»Was?« schnappte sie ängstlich und hob mühsam den Kopf. Ihr Blick glitt zu dem Dolch an Marcus’ Gürtel. Er hatte die Hand auf den Griff gelegt. »Nein!« sagte sie dann. »Ihr seid doch keine Mörder!«

Er sah sie ungerührt an, die Hand am Dolch.

»Ihr wollt mich doch nicht umbringen!« rief sie.

Er musterte sie schweigend.

»Töte mich nicht!« schluchzte sie. Ihre Angst vor einem Mordkomplott war nicht einmal so abwegig. Selbst wenn sie sich für eine populäre, vielleicht sogar geliebte Person hielt, mußte ihr bewußt sein, daß nicht unbedingt alle diese Gefühle für sie hegten. Da war zum Beispiel der wachsende Widerstand gegen die cosische Herrschaft, die Taten der Deltabrigade, die ihr sicherlich Sorgen bereitet hatten. »Man hat mich doch bestimmt nicht zu einer Sklavin gemacht, um mich dann zu töten?«

Marcus verschränkte die Arme und schwieg.

»Bitte, töte mich nicht«, schluchzte sie. »Herr!«

»Ich bin nicht dein Herr«, sagte er.

Sie starrte ihn gehetzt an. »Wer ist denn dann mein Herr?«

»Das bin ich«, sagte ich.

Ich ergriff sie von hinten an den Oberarmen, hob sie hoch und setzte sie auf den Knien ab. Sie wand sich in dem Netz und versuchte, über die rechte Schulter zu blicken; unsere Blicke trafen sich.

Sie erkannte mich.

Sie schrie auf, und dann mußte ich sie festhalten, da sie in Ohnmacht gefallen war. Ich legte sie auf die Felle und warf die Ketten neben sie. Ich holte sie aus dem Netz heraus, einen Augenblick später schnappten die Hand- und Fußschellen zu.

»Ich unterschreibe die Dokumente«, sagte ich zu Tolnar.

Der Magistrat nickte. »Und ich werde sie stempeln und beglaubigen.«

25

»Streck die linke Hand aus«, befahl ich Milo.

Er gehorchte, und ich schloß das silberne Sklavenarmband auf, nahm es ab und reichte es ihm mitsamt dem Schlüssel.