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Vielleicht ist er der Schlüssel dazu, dachte sie.

Sie stand von ihrem Platz auf, ging zur Bartheke und setzte sich dort auf einen Barhocker.

„Was soll es sein?" fragte der Barkeeper.

Die Witwe befand, es empfehle sich wohl, freundlich zu sein und etwas zu bestellen.

„Einen Scotch", sagte sie also.

Sie sah ihm zu, wie er ihn einschenkte und vor sie hinstellte.

„Zwei fünfzig."

Sie legte ihm das Geld hin.

„Sie waren noch nie hier, wie?" fragte der Barmann. „Nein, aber mein Mann kam öfter her." Sie hoffte, daß das stimmte. „Ach ja?"

„Ja. Es war Samuel Stone."

Das Gesicht des Mannes hellte sich auf. „Ach so, Samuel Stone?"

Die Witwe war hocherfreut, daß der Barkeeper ihren Mann tatsächlich kannte. Er gab ihr sogar die zwei fünfzig für den Scotch zurück.

„Ihre Getränke sind umsonst. Trinken Sie aus!" Die Witwe sah ihn kurz an und nippte dann an ihrem Glas. „Na los", sagte der Barmann, „das muß gefeiert werden. Trinken Sie schon aus!"

Sie kippte gehorsam ihren Whisky hinunter. Er schmeckte scheußlich.

„Also, Samuel Stone war Ihr Mann?" sagte der Barmann. Und er schenkte ihr nach. „Trinken Sie!"

„Nein ... also wirklich ...", wehrte die Witwe ab, „ich trinke an sich nicht... "

„Nun kommen Sie schon", sagte der Barkeeper. „Das ist eine Ehre für mich."

Die Witwe wollte ihn nicht beleidigen und trank auch das zweite Glas aus. Schon jetzt begann ihr der Kopf zu schwirren, und es wurde ihr leicht übel.

„Haben Sie meinen Mann gut gekannt?" fragte sie. Der Barmann war verwundert. „Nein, natürlich nicht. Ich habe ihn nie gesehen. Aber ich habe selbstverständlich alles über ihn gelesen, was so gedruckt wurde. Er war ein berühmter Mann, nicht? Deswegen ist es ja eine so große Ehre, seine Witwe hier zu Gast zu haben."

Die Witwe starrte ihn an. „Sie meinen, mein Mann war überhaupt niemals hier?"

„Wie ich sage. Hier verkehren fast nur Fernfahrer." ,.

Die Witwe stand auf. Sie schwankte leicht. Sie mußte sich an der Bar festhalten.

„Geht es Ihnen nicht gut?" erkundigte sich der Barmann.

„Doch, doch", sagte die Witwe. „Oder haben Sie vielleicht gemeint, ich falle hier um, oder was?" Und damit fiel sie um.

Inzwischen befand sich der Neffe in der zweiten Bar, ein paar Häuserblocks weiter. Das war eine große Bar, voller betuchter Leute, die sich offenbar alle prächtig amüsierten.

Mehrere sehr hübsche Mädchen arbeiteten in der Bar als Hostessen, und eine kam zu ihm an den Tisch.

Sie lächelte ihn an. „Möchten Sie Gesellschaft haben?"

Der Neffe war immer an schönen Mädchen interessiert.

„Gewiß doch", sagte er deshalb. „Nehmen Sie Platz."

Das Mädchen setzte sich zu ihm. „Ich habe Durst", sagte sie.

„Was möchten Sie denn trinken?"

„Champagner."

Er bestellte zwei Gläser Champagner.

Die Bedienung brachte sie und stellte sie auf den Tisch. „Dreißig Dollar", sagte sie.

Der Neffe war verwundert. „Was, dreißig Dollar für zwei Gläser?"

„Sie dürfen nicht vergessen", sagte seine Hosteß, „der Preis versteht sich inklusive meiner Gesellschaft." Sie legte eine Hand auf sein Knie. „Und ich bin eine sehr gute Gesellschaft." Der Neffe bezahlte die dreißig Dollar.

„Besuchen Sie oft Bars?" fragte die Hosteß. „Ich bin geschäftlich hier", sagte der Neffe. „Ja, natürlich."

„Nein... wirklich. Ich glaube, mein Onkel war oft hier." „Wer ist denn Ihr Onkel?" „Samuel Stone."

Sie sagte verblüfft: „Was denn, Sie meinen, der Milliardär, der vor ein paar Wochen gestorben ist? Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen."

„War er jemals hier?" fragte; der Neffe.

„Nein. Glauben Sie mir, das wüßte ich."

Sie merkte, wie enttäuscht er über diese Antwort war. „Aber Sie und ich könnten uns sehr hübsch die Zeit vertreiben", sagte sie.

Der Neffe stand auf. „Entschuldigen Sie, aber ich muß gehen."

„Oh, das ist aber schade. Na, aber zumindest können Sie mich zum Abschied umarmen."

Und sie umarmte den Neffen inniglich.

Als er heimkam, merkte er, daß seine Brieftasche fehlte.

Der Rechtsanwalt war zur selben Zeit in der dritten Bar. Er hatte kein Interesse daran, etwas zu trinken oder mit einer Hosteß zu schäkern. Er kam ohne Umschweife direkt zur Sache. Er ging zum Besitzer und sagte: „Ich bin der Rechtsanwalt von Samuel Stone. War Mr. Stone jemals Gast hier in dieser Bar?"

Der Besitzer musterte ihn kühl. „Nein. Wieso fragen Sie?" „Das geht Sie gar nichts an", fertigte ihn der Anwalt ab. „Sie sind jedenfalls sicher, sagen Sie, daß er nie hier war?" „Ganz sicher. Ich habe genug Fotos von ihm gesehen, daß ich es wüßte, wenn er einmal hier gewesen wäre." „Danke!" sagte der Anwalt und war schon wieder weg.

Auch David ging es nicht viel besser. Der Besitzer der Bar, in der er nachforschte, hatte nicht einmal jemals etwas von Samuel Stone gehört.

Alle trafen sich wieder im Haus und berichteten, wie es ihnen ergangen war. Die Witwe war noch immer leicht betrunken. „Mein lieber Ehemann hat uns einen schönen Quatsch erzählt", sagte sie. „Wenn ihr mich fragt, war der in seinem ganzen Leben in keiner Bar. Schon, weil er überhaupt nicht trank"

„Wartet mal", sagte David. „Wie war das genau, was er sagte? Das Leben ist kurz... laßt euch nicht verbarrikadieren ... und genießt es, selbst wenn es ungesetzlich ist...." Er dachte kurz nach. „... Ungesetzliche Barrikaden ... Gitterstäbe also... hm ..." Er fragte den Anwalt: „Ist Samuel Stone irgendwann einmal hinter Gitter gekommen?"

Der Anwalt wurde förmlich. „Das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich glaube nicht, daß ich ermächtigt bin... "

„Herrgott", sagte David ungehalten, „der Mann ist tot. Was macht es jetzt noch für einen Unterschied? Also, war er jemals hinter Gittern?"

„In der Tat, ja. Da war er gerade von einer Europareise zurückgekommen. Ich sollte das eigentlich wirklich nicht ausplaudern, aber nachdem er, wie Sie zu Recht bemerken, ja tot ist, kann es wohl keinen Schaden mehr anrichten. Haben Sie schon einmal von der Schwarzen- Penny-Briefmarke gehört?" „Nein", sagte David.

„Das ist eine der kostbarsten Marken der Welt. Sie ist zehn Millionen Dollar wert. Sie ist die erste gummierte Briefmarke überhaupt und stammt aus dem Jahr 1840."

Die Witwe fragte: „Und was hat das mit meinem Mann zu tun?"

„Ihr Mann", klärte der Anwalt sie auf, „hat diese Briefmarke per Diebstahl an sich gebracht und hier ins Land geschmuggelt. Er war auf dem Weg vom Flughafen nach Hause, überfuhr dabei ein Rotlicht und rammte ein anderes Auto. Er wurde festgenommen und verbrachte die folgende Nacht im Gefängnis. Erst am nächsten Morgen konnte ich ihn mit Kaution freibekommen, und da erzählte er mir, daß er die Briefmarke verstecken mußte, weil er befürchtete, daß sie bei ihm entdeckt würde."

„Dann ist sie eventuell in dem Gefängnis versteckt?" fragte David.

„Das ist durchaus möglich", sagte der Anwalt.

„Zehn Millionen Dollar!" rief die Witwe. „Worauf warten wir noch? Holen wir uns diese Briefmarke!"

„Ja, aber wie wollen wir denn in das Gefängnis hineinkommen?" sagte der Neffe. „Wir haben doch nichts verbrochen. Wir können doch nicht einfach hingehen und sagen, wir möchten uns dort mal umsehen."

„Da hat er recht", sagte der Anwalt. „Am besten vergessen wir die ganze Geschichte."

„Absolut", sagte die Witwe.

„Ja, stimmt", meinte auch der Neffe.

David war der einzige, der nichts sagte. Er wußte schon, was sie wieder alle im Sinn hatten. Und er hatte recht damit.

Eine Stunde danach ging die Witwe auf der Straße auf einen Polizisten zu und sagte: „Hallo, Sie, ich mag Polizisten nicht!" Und versetzte ihm einen Schlag mit ihrer Handtasche. „Was soll das denn?" sagte der Polizist. „Kommen Sie mal mit."