„Ja, sicher", sagte der Anwalt. „Dafür hat er sich auch sehr interessiert. Und von Dinosauriern war er besonders fasziniert."
„Genau", rief der Neffe, „das ist es! Die waren groß und sind sehr alt, und viel Grips sollen sie auch nicht gehabt haben." „Ach, hört mal", sagte die Witwe, „glaubt ihr denn im Ernst, wir sollen einen Dinosaurier suchen? Die waren schließlich groß wie Wolkenkratzer. Einen Dinosaurier kann man doch nirgends verstecken!"
„Augenblick"; sagte David. „Ein Teil des Hinweises lautete ja: Ich habe einen Knochen zum Abnagen für euch. Vielleicht müssen wir nur nach einem Dinosaurierknochen suchen." „Da haben Sie, glaube ich, recht", nickte der Anwalt. „Gehen wir doch in das Museum und hören, was der Direktor dort zu sagen hat."
Alle bestiegen sie ihre eigenen Autos und rasten zum Naturgeschichtemuseum. Und alle versuchten sie wieder, vor den anderen dort zu sein.
Der Direktor des Naturgeschichtemuseums war überrascht, wie sie, alle sich vordrängelnd, bei ihm einfielen. „Wir sind die Erben von Samuel Stone", sagte die Witwe. „Es stimmt doch, daß Samuel Dinosaurier liebte, nicht wahr?" „Das ist richtig", sagte der Direktor. „Erst vor ein paar Wochen war er noch hier, und da passierte etwas sehr Unglückliches." „Was denn Unglückliches?" fragte der Neffe. „Kommen Sie!" sagte der Direktor, und sie folgten ihm zu den Hauptausstellungsräumen. Dort stand in der Mitte das riesige Skelett eines Dinosauriers. Der Direktor ging hin und deutete auf eine Stelle: „Sehen Sie, hier fehlt der Schienbeinknochen. Mr. Stone erbat sich die Genehmigung, ihn mit nach Hause zu nehmen und genau zu studieren. Er wollte für eine naturgeschichtliche Fachzeitschrift einen Aufsatz darüber schreiben. Tja, und es scheint, daß dieser Knochen bei ihm zu Hause dann spurlos verschwunden ist." Alle sahen sich an.
„Was soll das heißen: spurlos verschwunden?" fragte der Anwalt.
„Mr. Stone hat mich angerufen und gesagt, daß er ihn nicht mehr finden könne. Und daß er vermutete, sein Hund habe ihn sich geschnappt und irgendwo im Garten vergraben." „Also, er befindet sich im Garten!" sagte die Witwe. „Was wäre er denn wert, wenn er gefunden und zurückgebracht würde?"
„Na ja, das Ausstellungsstück ist ohne den Knochen unvollständig", sagte der Direktor. „Das Museum wäre bereit, fünf Millionen für den zurückerstatteten Knochen zu bezahlen."
Fünf Millionen Dollar!
„Vielen Dank", sagte der Neffe.
Und schon hatten sich alle umgedreht und rannten los.
Draußen vor dem Museum sagte die Witwe: „Ich habe da meine Zweifel, daß der Knochen im Garten vergraben ist."
„Ich auch", sagte der Neffe.
„Auch ich glaube nicht daran, daß der Knochen dort ist", ergänzte der Anwalt. Nur David sagte nichts.
Nicht sehr weit entfernt vom Haus gab es eine Eisenwarenhandlung. Dort erschienen eine halbe Stunde später nacheinander die Witwe, der Neffe und der Anwalt und schließlich auch noch David. Jeder kaufte Schaufeln und lief sich gegenseitig über den Weg.
„Wer den Knochen zuerst findet", verkündete der Neffe, „soll ihn behalten dürfen." Denn er war sich ziemlich sicher, daß er ihn fände.
„Richtig", pflichtete der Anwalt bei, „dem Finder seine Kinder."
Alle rannten los zum Haus und nach hinten in den Garten. Dort fingen sie fieberhaft zu graben an.
Der Butler sah aus dem Fenster und traute seinen Augen nicht. Die Familie Stone grub den ganzen Garten um! Es war ein merkwürdiger Anblick.
Der Garten war aber so groß, daß sie auch nach vier Stunden eifriger Arbeit erst einen kleinen Teil umgegraben hatten. „Den finden wir nie", sagte der Neffe. „Er kann ja überall sein."
Alle trotteten sie müde ins Haus zurück.
„Was machen wir jetzt?" fragte die Witwe.
David sagte: „In dem Hinweis hieß es doch auch: Ein Tiger kann euch helfen. Was kann damit wohl gemeint sein?"
In diesem Augenblick kam der Butler herein und meldete:
„Verzeihung, Mrs. Stone, Tiger ist weg."
Alle fuhren herum. „Was? Tiger? Wer ist Tiger?"
„Der Hund von Mrs. Stone."
„Stupid, meinen Sie?" fragte der Neffe.
Der Butler antwortete eisig: „Es ist mir bekannt, daß er von Ihnen hier nur Stupid genannt wurde. Aber Mr. Stone hatte ihn Tiger getauft." Alle starrten sich an.
Dann sagte der Anwalt: „Tiger hat den Knochen vergraben! Er allein weiß also, wo er ist."
„Wir müssen ihn zurückhaben", sagte der Neffe. Alle sahen vorwurfsvoll die Witwe an. „Und du hast ihn verkauft!" „Na ja, woher sollte ich denn wissen, daß er der Schlüssel zu dieser Schatzsuche ist?"
„Wir haben das Rätsel gelöst!" erklärte der Anwalt freudig. „Jetzt müssen wir nur noch Stupid ... ich meine, Tiger, zurückholen und ihn den Dinosaurierknochen ausbuddeln lassen." Er rieb sich die Hände. „Und dann haben wir die fünf Millionen Dollar. Wir teilen sie uns." „Dann aber los!" sagte der Neffe.
Sie rannten zu ihren Autos und fuhren hinter der Witwe her zu der Tierhandlung, der sie Tiger verkauft hatte. Sie eilten hinein in den Laden.
„Guten Tag", sagte der Inhaber.
„Tag", sprudelte die Witwe hervor. „Ich bin so unglücklich, wissen Sie. Nachdem ich Ihnen Stup... ich meine, Tiger, verkauft hatte, merkte ich; wie sehr ich doch an ihm hänge. Geben Sie ihn mir wieder. Er fehlt mir zu sehr." Sie holte die tausend Dollar hervor. „Hier ist Ihr Geld zurück." „Das tut mir sehr leid", sagte der Tierhändler, „aber das wird nicht möglich sein." „Wieso?"
„Weil ich ihn gerade vor einer Stunde verkauft habe." „Was haben Sie? Sie Unglücksmensch, das können Sie doch nicht machen!" „Ich habe es schon getan."
„An wen haben Sie ihn verkauft?" fragte der Neffe. „An Mrs. Smith."
„Ich muß mein armes Hundchen wiederhaben!" jammerte die Witwe verlogen. „Wo wohnt diese Mrs. Smith?" Der Tierhändler gab ihr die Adresse. Und schon in der nächsten Minute waren sie alle wieder davongehastet und auf dem Weg zu Mrs. Smith.
Sie rannten zur Haustür von Mrs. Smith. Mrs. Smith öffnete selbst.
„Wo ist Tiger?" rief die Witwe ohne ein weiteres Wort. „Was für ein Tiger?"
„Mein Hund, den Sie gerade gekauft haben!" „Den habe ich nicht mehr."
„Was soll das heißen, Sie haben ihn nicht mehr?"
„Ich habe ihn meiner Enkelin geschenkt! Zum Geburtstag."
„Ich muß den Hund zurückhaben", sagte die Witwe. „Unbedingt. Es war mir nicht klar, wissen Sie, wie sehr er mir ans Herz gewachsen war. Ich kann es ohne ihn nicht aushalten."
„Das tut mir sehr leid", Sagte Mrs. Smith, „aber es ist zu spät.
Er ist nicht mehr da."
„Könnte ich mal mit Ihrer Enkelin reden?"
„Wenn Sie unbedingt möchten." Sie gab der Witwe die Adresse ihrer Enkelin.
Und schon waren alle auf dem Weg.
Als sie ankamen, erblickten sie ein zehn Jahre altes Mädchen, das vergnügt mit Tiger spielte. Allen fiel ein Stein vom Herzen, als sie den Hund so lebendig sahen. Er war der Schlüssel zu ihrem Schatz!
„Hallo, Tiger!" sagte die Witwe und tat dem Hund schön. Aber der bellte sie nur an.
„Lieber Tiger, brav", versuchte es der Neffe. Doch die große Dänische Dogge knurrte böse.
„Gutes Hundchen!" sagte nun der Anwalt. Tiger fletschte die Zähne und hätte ihn fast gebissen.
Der einzige, von dem er sich streicheln ließ, war David.