Aber nach einer Stunde hatte sie den wunderschönsten Nerzmantel an, den man sich denken konnte. „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll", sagte sie zu dem Neffen.
„Das können Sie durchaus. Erzählen Sie mir nur, was Ihnen Mr. Stone zu sagen hatte."
„Worüber?"
„Na, Sie wissen schon. Über den Schatz. Mir können Sie es sagen, ich sage es bestimmt nicht weiter."
„Von welchem Schatz denn nur?" sagte Pearl und runzelte die Stirn.
„Ach, kommen Sie, Pearl, mir gegenüber brauchen Sie doch keine Ausflüchte zu machen. Er hat Ihnen sicher gesagt, wo er einen Teil seines Vermögens versteckte, oder?"
Aber Pearl schüttelte den Kopf. „Ehrlich, ich habe nicht die mindeste Ahnung, wovon Sie reden."
Er ging schließlich, völlig enttäuscht.
Der nächste, der Pearl fand, war der Rechtsanwalt. Als er ihre neue Wohnung betrat, trug sie noch immer den nagelneuen Nerzmantel.
„Das ist aber eine wunderschöne Wohnung", sagte der Anwalt. „Und was für einen herrlichen Mantel Sie haben." „Die Wohnung habe ich von Mrs. Stone und den Mantel von ihrem Neffen."
Ach, so läuft der Hase? dachte der Anwalt. Na schön, das kann ich auch.
Und er fragte: „Pearl, haben Sie eigentlich ein Auto?" „Ich? Ein Auto? Ich fahre mit dem Bus." „Nein, tun Sie nicht", sagte der Anwalt. „Von jetzt ab nicht mehr. Was halten Sie von einem hübschen Rolls-Royce?" Pearl starrte ihn mit großen Augen und offenem Mund an. War jetzt die ganze Welt verrückt geworden? An einem einzigen Tag schenkte man ihr eine schöne Wohnung, einen Nerzmantel und jetzt auch noch einen Rolls-Royce? „Würde ich viel von halten", sagte sie.
Noch am selben Nachmittag war sie Besitzerin eines. nagelneuen Rolls-Royce.
Der Rechtsanwalt klatschte in die Hände. „Also", sagte er, „und jetzt zum Geschäft. Wo ist Mr. Stones Perlenschatz?" Geht das schon wieder los! dachte Pearl. „Mr. Anwalt", sagte sie, „ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Zu mir hat Mr. Stone niemals auch nur das kleinste Sterbenswörtchen von irgendeinem Schatz gesagt." „Aber natürlich hat er das!"
„Glauben Sie mir, wüßte ich etwas von einem Schatz, dann hätte ich mir den schon längst selbst geholt. Der Mann hat mir Elend genug zugefügt."
Dem Rechtsanwalt sank der Mut. Und ich Trottel, dachte er verbittert bei sich, kaufe ihr einen Rolls-Royce!
Schließlich tauchte David bei Pearl auf. Doch im Gegensatz zu den anderen war er sofort offen und ehrlich zu ihr. Und er machte keine Bestechungsversuche.
„Pearl", sagte er, „wir glauben, daß Sie irgendeinen Hinweis kennen, der zu einem bestimmten Schatz führt, welchen Mr. Stone versteckt hat. Wissen Sie also etwas?" Pearl betrachtete den jungen Mann. Er sah anständig und ehrlich aus. „Ich würde Ihnen ja gerne helfen", sagte sie, „aber wenn Mr. Stone schon mal mit mir redete, dann sagte er höchstens: Seien Sie still und halten Sie den Mund, oder: Machen Sie, daß Sie raus kommen."
Das glaubte ihr David aufs Wort. Aber damit schienen auch die Möglichkeiten, zu Hinweisen zu gelangen, erschöpft zu sein.
Sie trafen sich alle wieder auf der Terrasse am Pool. Dort saßen sie und starrten die Neptunstatue an, die unablässig Wasser in den Pool spuckte.
„Es hat keinen Sinn", sagte die Witwe. „Pearl weiß wirklich nichts."
„Ich glaube", erklärte David, „wir sind auf dem falschen Dampfer. Wir sollten wahrscheinlich lieber na"einer echten Perle suchen, nicht nach einer Frau, die Perle heißt. Es muß wohl eine Perle sein, die besonders wertvoll ist!" „Das könnte stimmen!" rief der Neffe. „Wo kommen die besten Perlen her?"
„Die größten jedenfalls kommen von der australischen Küste", sagte David, „und aus dem Indischen Ozean und vom Golf von Kalifornien und aus der Nähe von St. Thomas in den westindischen Gewässern."
Der Neffe wurde rot vor Aufregung. „Hat Onkel Samuel an irgendwelchen dieser Orte Häuser gehabt?" Aller Blicke gingen zu dem Anwalt.
„Tatsächlich", sagte der Anwalt, „besitzt er ein Haus auf den Westindischen Inseln."
Und jetzt glaubten sie alle wieder ganz genau zu wissen, daß sie den Schatz gefunden hatten. Alle waren sie wieder gierig. Aber alle taten so, als sei nichts.
„Wahrscheinlich bedeutet das gar nichts", sagte die Witwe. Der Neffe stieß in das gleiche Horn. „Ich bin sicher, mit dem Schatz hat das nichts zu tun!"
„Richtig", pflichtete der Anwalt scheinheilig bei. „Vermutlich ist es nur Zufall."
Und alle wußten, daß sie alle logen.
Noch in der folgenden Nacht flog die Witwe mit einem eilends gecharterten Flugzeug auf die Westindischen Inseln. Aber auch, jeder mit einem eigenen Flugzeug, der Neffe und der Anwalt und David. Jeder der vier versuchte, dem anderen zuvorzukommen.
Als sie in St. Thomas angelangt waren, fuhr jeder einzeln zu dem wunderschönen Strandhaus, das Mr. Stone dort besessen hatte. Jeder war sicher, die Perle irgendwo in einem Versteck im Wasser in der Nähe dieses Hauses zu finden. . Alle mieteten sie sich Tauchgeräte und gingen damit ins Wasser auf der Suche nach der seltenen und kostbaren Perle. Die Witwe hatte überhaupt keine Taucherfahrung, und es war ihr gar nicht geheuer.
Aber sie schwammen alle vier hektisch unter Wasser herum, stießen sogar zusammen, suchten unter Felsen und jagten wie wild nach dem Versteck des wertvollen Schatzes von Samuel Stone. Das Meer hier war voller Haie und Stachelrochen, und sie gerieten bald in Panik.
Trotzdem suchten sie weiter, überall, bis sie am Schluß erkennen mußten, daß es sinnlos war. Nirgends war das kleinste Anzeichen einer verborgenen Perle zu entdecken gewesen.
„Das ist bitter!" sagte David. „Sieht so aus, als würden wir diesen Schatz nicht finden."
Und sie zogen sich alle an und flogen wieder heim.
Wieder saßen sie am Pool und debattierten über ihren Fehlschlag.
„Er hat uns einfach keinen richtigen Hinweis gegeben", klagte die Witwe. „Er war immer schon ein böser, alter Mann. Nicht einmal als Toter hat er sich geändert."
„Nein, ich glaube nach wie vor, daß die Hinweise vorhanden sind", erwiderte David. „Wir haben sie nur noch nicht erkannt."
Doch der Anwalt entgegnete ihm: „Was gibt es da noch zu erkennen? Er hat diesen Diamond John Brady erwähnt und die Sache mit fishy. Was sollen das für Hinweise sein? Ach, wenn ich ihn jetzt vor mir hätte, der könnte etwas erleben, das kann ich euch sagen."
„Am liebsten würde ich ihn verklagen", schimpfte die Witwe weiter. „Schließlich war der einzige Grund, warum ich ihn heiratete, daß er mir versprach, mir sein ganzes Geld zu hinterlassen."
„Mir hat er auch eine Menge Geld versprochen", sagte der Neffe.
David war der einzige, der etwas Mitgefühl für Samuel Stone aufbrachte. „So schlecht war er nicht", sagte er. „Wage es nicht, ihn auch noch in Schutz zu nehmen!" kreischte die Witwe zornig.
David dachte: Eine Schande, daß sie alle an nichts weiter denken als an sein Geld.
Auch er war durchaus an dem Geld interessiert, aber nicht für sich selbst. Er dachte immer wieder über die geheimnisvollen Hinweise des alten Mannes nach. Ganz offensichtlich hatten sie irgend etwas mit dem Meer zutun und mit einer Perle. Aber warum hatte er auch von einem Gott gesprochen? Das Meer und ein Gott... Wer war der Meeregsott? Neptun! Und David blickte hoch und sah vor sich die Neptunstatue am anderen Ende des Pools.
Mein Gott, das ist es doch! dachte er aufgeregt. Die Perle muß in dieser Statue versteckt sein! Die ganze Zeit war sie direkt vor unserer Nase, und wir suchen weiß Gott wo in aller Welt danach!