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„Mehr als eine Woche Zeit haben Sie nicht. Denken Sie daran."

Der Anwalt legte auf und lächelte durchtrieben. Er hatte eine Woche lang Zeit, den jetzigen Schatz aufzufinden. Danach konnten sie seinetwegen mit der Witwe machen, was sie wollten.

Einer der Leibwächter hielt sich in dem Raum auf, in dem die Witwe an den Stuhl gefesselt war. Er betrachtete sie. Sie war sehr hübsch, und er mochte hübsche Frauen. Aber er wollte ihr auch nicht angst machen.

„Niemand tut Ihnen etwas", beruhigte er sie. „Sie brauchen sich nicht zu fürchten."

„Fürchten?" blaffte sie ihn an. „Ich mich? Vor euch? Ihr seid doch alle nur ein Haufen jämmerlicher Amateure!" „Wie meinen Sie das?"

„Wie stellen Sie sich das vor, mich eine Woche lang an diesen Stuhl gefesselt zu halten? Binden Sie mich los, damit ich mich bewegen kann."

„Das kann ich leider nicht tun, Lady."

„Sollten Sie aber lieber. Ich muß mal."

„Na gut, meinetwegen." Er band sie los.

Die Witwe stand auf, rieb sich Arme und Beine und versuchte, ihren Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. „Ihr Gangsterbande!" schimpfte sie.

Er beobachtete sie, wie sie im Bad verschwand. Als sie nach zehn Minuten wieder herauskam, sagte sie: „Außerdem bin ich hungrig. Was habt ihr zu essen da?"

„Auf dem Regal stehen ein paar Konservendosen."

„Konservendosen? Bei Ihnen piept's wohl? Ich esse doch keine Konserven! Ich will Kaviar und Champagner!"

„So was haben wir hier nicht." „Dann soll es einer kaufen!"

Der Wächter wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er rief Carnera an. „Unser Gast will Kaviar und Champagner haben."

Tony Carnera dachte kurz nach. „Meinetwegen. Besorgt es ihr. Wenn sie zufrieden ist, macht sie um so weniger Schwierigkeiten."

Nach einer Stunde kamen Kaviar und Champagner. „Da ist das Zeug", sagte der Wärter. „Guten Appetit."

„Das ist doch kein anständiger Kaviar!" schimpfte die Witwe.

„Und der Champagner ist nicht der richtige Jahrgang! Aber ich habe es mir sowieso anders überlegt. Ich will ein Steak."

Einer der beiden Wächter holte also ein Steak. Als es kam, mäkelte die Witwe, daß es viel zu durchgebraten sei, und verlangte statt dessen ein Brathühnchen.

Allmählich begann sie den Wächtern auf die Nerven zu gehen.

David war beunruhigt, daß er die Witwe den ganzen Tag und auch abends nicht im Haus sah. Samuel Stones Testament hatte schließlich bestimmt, daß sie alle zusammen in seinem Haus wohnen mußten.

„Wo ist die Witwe?" fragte er.

Neffe und Anwalt sahen einander an.

„Also was? Wo ist sie?"

„Man hat sie entführt", gestand der Neffe schließlich.

„Was?"

„Ja. Wir haben eine Lösegeldforderung in Höhe von einer Million Dollar erhalten."

„Das ist ja entsetzlich!" sagte David. „Sie zahlen natürlich, nicht?"

„Selbstverständlich", log der Anwalt. „Man hat uns eine Woche Zeit dafür gelassen."

Der Neffe sah ihn ungläubig an und wollte ihn schon verbessern, doch dann. begriff er rechtzeitig die Absicht des Anwalts. Nach einer Woche war die Witwe tot, und der Schatz gehörte ihnen.

„Sollten wir nicht die Polizei einschalten ?" fragte David.

„Nicht doch!" riefen die beiden anderen wie aus einem Mund. „Das ist das letzte, was wir tun sollten."

Am nächsten Morgen sagte die Witwe in dem Strandhaus: „Ihr erwartet doch nicht etwa, daß ich ständig diesen alten Fetzen von Kleid hier trage? Ich will etwas Hübsches zum Anziehen haben."

„Wir können Ihnen doch keine Kleider aus Ihrem Haus holen", sagte der eine Wächter, „dann erfahren die, wo Sie sind." „Dann kauft mir neue Kleider!" fauchte ihn die Witwe an. Der Wächter telefonierte wieder mit Tony Carnera. „Entschuldigung, Boß, wenn ich mich schon wieder melde", sagte er. „Aber jetzt will sie neue Kleider." Carnera sagte: „Was glaubt die eigentlich, wer sie ist? Schließlich ist sie unsere Gefangene!" „Aber sie führt sich furchtbar auf."

„Na, also gut, meinetwegen. Laß dir ihre Größe sagen, und dann schicke ich jemanden, ein paar Kleider für sie zu kaufen." Zwei Stunden später kam der zweite Leibwächter mit einigen Kleidern. „Da", sagte er.

„Die haben die falsche Farbe!" beschwerte sich die Witwe. „Die könnt ihr gleich wieder zurückbringen. Ich will Sachen in Blau, in einem schönen Blaßblau, und dazu passende Schuhe!" Die beiden Leibwächter blickten einander stumm an. „Jawohl, Madame."

David machte sich zunehmend Sorgen um die Witwe. Drei Tage waren nun schon vergangen, und kein weiteres Wort war von den Kidnappern gekommen. Er dachte immer noch über den Hinweis von Samuel Stone nach: Wettet nicht auf die Büchermacher für eure Information und Aufklärung. Vielleicht hatte das mit den Büchermachern doch noch eine andere Bedeutung als Buchmacher? Allerdings, die Tatsache blieb bestehen, daß Samuel Stone Stammkunde eines Buchmachers gewesen war.

Im Strandhaus sagte die Witwe: „Was ist das überhaupt für ein Haus hier? Nicht einmal einen Fernseher habt ihr!" „Hier draußen kriegt man kein Fernsehen rein", sagte der Bewacher. „Da müßten wir erst ein Kabel legen lassen." „Dann laßt es legen!" fuhr ihn die Witwe an. „Ich will fernsehen!"

„Mr. Carnera, jetzt will sie auch noch einen Fernseher!" Tony Carnera sagte: „Die Frau macht mich noch wahnsinnig! Aber gut, bitte, gebt ihr einen!"

Am nächsten Morgen kamen Fernsehtechniker und legten ein Kabel, so daß man im Strandhaus Fernsehen empfangen konnte.

„Bitte", sagte der Aufpasser zur Witwe. „Jetzt können Sie fernsehen."

„Aber das ist ja ein Schwarzweißgerät!" zeterte die Witwe. „Ich will einen Farbfernseher!"

Drei Tage lang ging das noch so weiter. Sie trieb alle zum Wahnsinn. Nichts paßte ihr. Sie beschwerte sich unaufhörlich. Am Schluß konnten die Aufpasser nicht einmal mehr ihre bloße Stimme ertragen. Tony Carnera kam extra hinaus zu dem Strandhaus und flehte sie an, sich zu benehmen. „Benehmen? Ich? Wie soll ich mich benehmen, wenn man mir einen solchen Fraß vorsetzt?"

„Mrs. Stone, Sie bekommen Essen von den besten Restaurants geliefert."

„Es ist kalt, wenn es ankommt." „Wir haben Ihnen neue Kleider gekauft." „Die gefallen mir nicht."

„Wir haben nach Make-up für Sie geschickt und es Ihnen gebracht." „Ist nicht meine Marke."

Nichts konnte man ihr recht machen.

„Ich kann es gar nicht mehr erwarten, daß wir sie wieder loswerden", sagte Carnera zu seinen Leibwächtern. „Die kostet mich den letzten Nerv!"

Er rief noch einmal im Haus von Samuel Stone an. Der Neffe war am Apparat.

„Also", sagte Carnera, „die Zeit ist um. Kriege ich jetzt die Million, oder was?"

Der Neffe lachte. „Keinen Cent kriegen Sie von uns für sie. Behalten Sie sie. Machen Sie mit ihr, was Sie wollen." Carnera starrte voller Zorn auf sein Telefon. Also, die wollten das Lösegeld nicht bezahlen? Er würde es ihnen schon zeigen! Und was war die schlimmste Strafe für diese Sturköpfe? Na, ihnen die Witwe zurückzuschicken!

Als die Witwe an diesem Abend nach Hause kam, war David der einzige, der froh war, sie unversehrt wiederzusehen. Der Anwalt und der Neffe aber waren verwundert. „Wie bist du denn entkommen?" fragten sie.

„Nicht mit eurer Hilfe jedenfalls!" fuhr sie sie an. „Ihr wolltet ja das Lösegeld nicht bezahlen." „Schon, nur... "

„Ach, lügt doch nicht. Habt ihr wenigstens inzwischen den Schatz gefunden?"

„Vielleicht war ein anderer Buchmacher gemeint", sagte der Neffe. „Wir könnten ja Onkels Notizbuch mit den Telefonnummern noch einmal durchsehen." Aber David starrte inzwischen versonnen auf die Bücherregale. Dann ging er zu ihnen hin und studierte sie. Ziemlich hinten stand eine Original-Shakespeare-Ausgabe, die zwei Millionen Dollar wert war. Er hielt sie in der Hand und sagte zu den anderen: „Das muß es sein. Ich denke, ich habe es gefunden."