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»Siehst du, Liza? Nichts als ein alter, abgewetzter Strick.«

Sie versuchte, den Strick in die Hand zu nehmen, doch er wich ihr aus.

»Das ist alles so ungerecht, Liz. Diese Sarah kann ein paarmal mit mir bumsen und anschließend sofort mit einem anderen Mann. Und was kann ich? Ich muß mich mit meiner vielen Arbeit herausreden … Das ist einfach erniedrigend. Wir Männer sind entschieden im Nachteil. Die dauernden Kraftakte und Stehmänner in den altmodischen pornographischen Filmen sind erstunken und erlogen. Da kannst du jeden Mann fragen.«

»Das ist doch gar nicht so wichtig, Daniel.«

»Für euch Frauen vielleicht nicht. Es stärkt euer Machtbewußtsein.« Er lehnte sich an den Tisch, den Rücken ihr zugewendet, und ließ ersatzweise seine Muskeln spielen. »Ihr könnt sexen, bis euch die Augen tropfen. Aber ich, ich muß nach der Pfeife einer alten, nutzlosen Banane tanzen. Es ist einfach nicht fair.«

Er stellte ein ganzes Bild weiblicher Sexualität dar. Wahrscheinlich absichtlich. Die Rechte der Männer basieren oft auf verdrehten Argumenten.

»Es ist nicht wahr, Dan, daß Frauen immer …«

»Und dann, als Gipfel der Ungerechtigkeit, bist du noch gut zu mir.« Liza erinnerte sich nicht daran, gut gewesen zu sein. »Das ist der Punkt auf dem i. Wahrscheinlich hast du das auf der Schule gelernt – ›sei gut zu den armen Schlingeln, vielleicht brauchst du sie später noch einmal.‹ Deshalb bist du also gut und verständnisvoll zu mir. Immer so verdammt verständnisvoll …!«

Sie konnte ihm ja nicht verraten, was ihre Vorbereitungskurse auf der Schule ihr wirklich beigebracht hatten, nämlich daß, wenn man erst die Phase der Güte und Anteilnahme erreicht hatte, der Zug längst abgefahren war. (Diese subtilen Unterschiede und Einsichten bei der Aufklärung der Geschlechter hatten die Wiedereinführung geschlechtlich getrennter Sexualerziehung notwendig gemacht.) »Hinter jeder Erektion, liebe Mädchen«, hatte der Aufklärer doziert, »hinter jeder Erektion steht das männliche Ego. Pflegt es, Mädchen. Das männliche Ego ist eine zarte Pflanze; aber es kann eine mächtige Blüte hervortreiben.« Der Aufklärer hatte mehr durch die Blume gesprochen, als der Aufklärung guttat. Liza entschloß sich, in letzter Minute der zarten Pflanze doch noch einen Schuß Dünger zu geben.

»Du hast unrecht, Daniel. Ich war nicht gut zu dir. Ich habe nur meine Eifersucht auf Sarah nicht zeigen wollen. Du begreifst gar nicht, was du mir antust.«

Sie fürchtete schon, sie hatte die Masche hoffnungslos überzogen; aber er hatte gar nicht zugehört. Er steigerte sich nur in sein Ego hinein.

»Was sind wir denn schon? Tiere in Käfigen – gelangweilt, verzweifelt, immer in der Brunst. Wir sitzen in der Ecke und saugen an unseren sexuellen Daumen, drehen unsere sexuellen Finger, bohren in unseren sexuellen Nasen.«

Mit jedem Wort, das er sprach, entfernte er sich immer mehr von der Wahrheit. Beim Sex zählten nur die uralten, simplen Dinge, hatte ihr Aufklärer doziert. (Das simple, uralte Ding zwischen seinen Schenkeln; das simple, uralte Ding zwischen ihren Beinen?) Alles übrige, der zivilisierende Fortschritt, war nur Schale, die man abwarf, um den Menschen in seiner ganzen Schönheit zu entblößen. Er hatte so Unrecht …

»Betrachten unsere sexuellen Nabel. Zu Tode gelangweilt, Liza, zu Tode gelangweilt sind wir …« Er wendete sich plötzlich zur Seite, beobachtete sie über seine Schnurrbartspitzen. »Nur ich nicht. Ich bin schlaff vor Langeweile. Und das ist die äußerste Erniedrigung.«

Er wartete die Wirkung seiner Worte ab. Liza lächelte zaghaft. Sie hoffte, er habe nur gescherzt. Er legte seinen nackten Arm um ihre nackten Schultern – eine unwiderruflich enttäuschende onkelhafte Geste.

»Schau mich nicht so besorgt an, Liz. Ich hatte meine Schwellungen, und jetzt kommt nichts mehr. Es war wundervoll …«

Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich. Er lächelte ihr ermutigend zu.

»Nun, Liz, kannst du mir jetzt vielleicht verraten, weshalb der Professor dich hierhergeschickt hat? Jedes Laufmädchen kann eine Rolle Filtermaterial holen. Er hätte mich nur anzurufen brauchen. Also – was ist der wahre Grund?«

»Wir brauchen noch einen Stuhl.« Sie fühlte sich wie vierzehn, nahm ihren Kittel vom Haken und zog ihn über. Er hatte Unrecht gehabt. Sie wußte es. Sie wußte es, bis ihr Kopf schmerzte von der Anstrengung, ihm den Satz einzuhämmern. »Er braucht noch einen von diesen Stühlen aus Ulmenholz. Glaubst du, du könntest uns noch einen überlassen?«

»Bettel mich nicht an, Mädchen.« Doch sie wollte ihn anbetteln. Wenn sie das tat, war das Leben so einfach, eine Welt voll klarer Beziehungen. »Sag zu mir, daß mich der Teufel holen soll. Ich bin dazu da, deine Abteilung mit allem und jedem zu versorgen, was du von mir verlangst. Sag mir, daß ich zum Teufel gehen soll.«

»Und wie steht es mit der Rechtfertigung deines Budgets?«

Sie knöpfte ihren Kittel zu, ließ keinen Knopf aus.

»Liz, glaubst du denn, daß ein Forschungszentrum von dieser Größe nicht ein Dutzend oder zwei Dutzend Stühle verkraften kann? Oder eine Wagenladung Kaffeegeschirr?«

»Weshalb dann der ganze Zirkus?«

»Nur eine Machtprobe, Kind. Eine ganz simple Angelegenheit der Selbstbehauptung …« Er füllte einen zweiten Ausgabezettel aus. »Nun geh, mein Kind. Und laß dich nie mehr von mir einschüchtern.«

Sie nahm den Zettel mit ausgestrecktem Arm entgegen und zog sich zurück. Sie bemerkte aus den Augenwinkeln sein Ventilkornett auf dem Kasten mit den Mikrofilmen. Dorfkapellmeister Daniel. Sie registrierte das ganze Inventar – die Autosek-Konsole, den Lagerkontrollschinn, die Couch, die Klimaanlage, die Geranientöpfe auf dem Fensterbrett … Sie tastete nach der Türklinke und drehte sich um.

»Noch etwas, Liza …« Er schob den Stuhl vom Schreibtisch weg und lehnte sich zurück, wobei ein erigierter, vorhautbeschnittener Perus violett über die Platte lugte … »Mir scheint, ich könnte jetzt doch wieder einen Sex verkraften, Liza. Wenn es nicht zu spät dazu ist.«

Sie floh. Unerklärlich (nach der langen Serie von Dingen, die sie dafür akzeptiert und weggesteckt hatte), aber sie drehte sich um und floh. Sie floh gemessenen Schrittes, damit Sarah und die Männer in den Arbeitsräumen keinen Anlaß bekamen, sich zu wundern …

Der Stuhl aus Ulmenholz war nicht schwer. Sie legte die Rolle mit Filtermaterial auf die Sitzfläche und trug den Stuhl die Fore Street hinunter. Vor der Poststelle hielt sie an. Vielleicht war Post eingetroffen, die sie mitnehmen konnte. Die Poststelle war eine Tarnung für die Kontrollabteilung, und selbst das war noch ein Euphemismus. Sie beugte sich der Notwendigkeit der Zensur, wie das jeder im Dorf tat. Das gehörte nun einmal zu jedem Geheimunternehmen. Doch an manchen Vormittagen hatten die »Kontrolleure« so viel Briefe durchzulesen, daß die Post nicht zum Austragen fertig wurde, und der Briefträger machte nur einmal am Tage die Runde. Die übrige Post lag abholbereit bei der Zensur, wenn Paul Kronheimer um acht Uhr morgens nach der Briefzustellung nach Hause ging, sein Frühstück einnahm und seine Uniform – naturgetreue Nachbildung – ablegte. Dann ging er seinem zweiten Beruf nach. Von Montag bis Freitag Sparkassenangestellter ab neun Uhr. Da die Sparkasse außer ihm niemand beschäftigte, war er mutmaßlich gleichzeitig Sparkassendirektor.

Penheniot war, wirtschaftlich gesehen, das Ende einer finanziellen Sackgasse. Manny Littlejohns Geld floß in der Form von Lohntüten mit Bargeld in das Dorf, wurde ausgezahlt und anschließend (mindestens zu achtzig Prozent) in der Sparkasse wieder eingezahlt, um dort im Stahltresor zu schlummern. Niemand konnte bei seinen seltenen Ausflügen nach St. Kinnow mehr als einen winzigen Bruchteil seines beträchtlichen Gehalts ausgeben. Und jede Geldanlage außerhalb der Gemeinde war ausdrücklich verboten. Schließlich konnte man nicht an die Zukunft glauben (an die Flucht in die Zukunft, versteht sich), argumentierte der Gründer, und sich gleichzeitig auf die Zinsen von Staatsanleihen verlassen. Doch Bargeld behielt auch in der Zukunft seinen antiquarischen Wert. In dieser Hinsicht übte Manny Littlejohn ebenfalls eine strenge, wenn auch wohlmeinende, Kontrolle aus.