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Als der Wagen auf dem Kai hielt, löste sich das schwarze Rettungsboot drüben von der Mündung des Penheniot Pill auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens. Operation 4c des Handbuches, das die Sicherheit regelte, wenn der Gründer sich richtig erinnerte. Als die mit Stahlhelm und Masken versehenen Transportbegleiter den Wagen rückwärts an den Kairand manövriert und die Münzsaugleitung bereitgelegt hatten, lag das Boot bereits längsseits. Ein Sicherheitsagent des Dorfes nahm das bewegliche Mundstück der Münzsaugleitung und schloß es an der versiegelten Münzladeluke des Bootes an, während die anderen Männer Wache standen. Innerhalb von fünf Sekunden war die Saugleitung in Betrieb, und Münzen prasselten durch die Leitung. Innerhalb von neunzig Sekunden war der Geldaustausch beendet. Die stählerne Saugleitung wurde wieder pneumatisch im Panzerwagen verstaut, und das Boot entfernte sich rasch vom Stadtkai. Keine zwei Minuten hatte die Operation gedauert. Erst dann brach der lähmende Sirenenton ab.

Die Leute konnten sich wieder bewegen. Sie konnten auch ihrem Zorn wieder freien Lauf lassen. Während das schwarze Boot in der Mündung von Penheniot Pill verschwand, erhob sich drohendes Murmeln auf dem Kai. Als Littlejohn sich umdrehte, um zu sehen, was in seinem Rücken vorging – obwohl er es bereits ahnte –, drängte sich Krancz schon durch die Menge. Er hatte vorher eine Lauerstellung auf der Parkfläche über dem Kai eingenommen. Die Panzerwagenbesatzung saß bereits wieder im Führerhaus, und der Wagen setzte sich eben in Bewegung.

»In das Boot, Sir«, drängte Krancz, »es wird Ärger geben.«

»Ich sehe das selbst, Krancz. Aber ich …«

»Die können sehr gemein werden, Sir«, sagte der Mann, den er James nannte. »Es sind nicht die Einheimischen, Sir, denn die verdienen ja an dem Dorf. Es sind die Touristen. Sie …«

In diesem Moment schaltete der Fahrer wieder die Sirene ein. Ein Fehler, weil sich eine Menge, die sich bereits in Bewegung gesetzt hat, nicht ein zweitesmal auf die gleiche Weise fangen läßt. Im Gegenteil, diesmal hatte der Lärm die entgegengesetzte Wirkung. Er lähmte nicht, er brachte zur Raserei.

Manny Littlejohn wollte dableiben und zusehen. Alles konnte jetzt passieren. In einem von David Silbersteins Berichten (der dazu geführt hatte, daß man die Aufbauten der Lieferwagen elektrisch auflud) stand, daß die Menge einmal einen Panzerwagen zum Rand des Kais getragen und ins Wasser geworfen hatte. Alles konnte jetzt passieren. Er wollte das miterleben.

Doch Krancz zog ihn am Ärmel, und drei Sicherheitsagenten drängten ihn zur Leiter. Er war ein alter Mann. Er konnte nicht mehr Massen mit der Kraft seiner Persönlichkeit besänftigen. Außerdem waren in jüngster Zeit zu viele vielversprechende Helden, Alte und Junge, bei diesem Versuch umgekommen. Ein einfacher Mob konnte durch eine laute Stimme, durch eine Hysterie, die größer war als die der Menge, umgedreht werden. Doch ein Mob im Drogenrausch kannte keine Schranken. Er brüllte am lautesten, war am hysterischsten. Deshalb drehte sich Manny Littlejohn auch gehorsam und weise um und kletterte die Leiter hinunter in das wartende Boot.

Seine Abreise war keineswegs verfrüht. Ein apathischer Budenbesitzer, der sich an einen Poller lehnte, wartete, bis der alte Mann und seine Begleiter weit genug entfernt waren, und brachte dann den Mut auf, ihnen nachzuspucken. Seine Tat wurde von einem Mitglied des Mobs beobachtet, der ihn schon wegen seiner Untätigkeit ins Wasser werfen wollte. Die Sprache des Spuckens ist universal. Erklärungen waren dabei nicht nötig und wegen der blökenden Sirene auch unmöglich. Innerhalb weniger Sekunden war der Kairand eine zornige Menschenmauer, die alles, was sie in die Hand bekam, dem rasch davongleitenden Boot von Manny Littlejohn hinterherwarf.

Der Panzerwagen war inzwischen von einem Rudel Minicars am Rückzug gehindert worden. Das Fenster des Fahrerhauses bekam Risse und Sprünge unter dem anhaltenden Trommelfeuer von Ziegelsteinen und Hitzeschaum. Als Antwort versprühte der Fahrer Juckgasspray.

Die Menge zog sich einen Augenblick zurück. Ihr Heulen wurde immer noch von dem Blöken der Sirene übertönt. Sie kratzten sich an allen Stellen, wo sich auf ihrer Haut (harmlose) Blasen bildeten.

Doch die Erfahrenen unter ihnen (die immer Medikamente für solche Fälle bei sich hatten), die Elite, der eigentliche Mob, umkreiste vorsichtig den Panzerwagen. Die Besatzung im Fahrerhaus wartete ab, hoffte, daß die Fenster durchhalten und der Hitzeschaum, der jetzt das ganze Dach bedeckte, sie nicht lebendig rösten würde, bis der Mob das Interesse an ihnen verlor und sich zerstreute. Denn wenn sie das Führerhaus verließen, würden sie in der momentanen Phase der Entwicklung entweder getötet oder sexuell verstümmelt.

Der Hitzeschaum fraß die Reifen auf, bis der Wagen mit den Bremstrommeln aufsaß. Die Aufbauten erdeten sich selbst, und die elektrische Ladung schloß mit einem kleinen Blitz kurz. Als der Mob das sah, stürmten die Männer und Frauen sogleich den Wagen, rutschten auf den soße- und fetttriefenden Panzerplatten aus. Jemand fand die Öffnung für die Sirene, und das Blöken verstummte. Die Menge jubelte. Ein paar aktive Teilnehmer, die die Warnung vergessen hatten, kein Wasser auf die (harmlosen) Juckblasen aufzutragen, starben jetzt an den gewaltsamen chemischen Reaktionen. Die Menge jubelte immer lauter. Jemand stellte aus einer menschlichen Regung heraus wieder die Musik an. Die Menge auf dem Panzerwagen verlor das Interesse an der Belagerung. Das Verstummen der Sirene war immerhin ein Sieg. Ein paar von ihnen begannen zu tanzen, rutschten auf der Eiskrem aus und fielen auf den Hintern. Sie richteten sich auf und schüttelten sich, von sich selbst angewidert. Die letzte Pose, der krönende Abschluß, bildete ein junger nackter Mann mit roten Haaren, der auf die Motorhaube sprang, die Beine spreizte und einen goldenen Strahl gegen die Scheibe und die Männer dahinter richtete. Als seine Blase leer war, begleitete der Jubel der Menge die letzten Tropfen, die er von seinem Dingsda schüttelte.

Doch für die Männer im Fahrerhaus war das eine verschwendete Geste. Der Fahrer hinter dem Panzerglas war bereits tot, die anderen bereits von der Hitze und dem Hitzschlag zu sehr mitgenommen, als daß ihnen das bißchen Urin noch etwas ausgemacht hätte.

Erst jetzt schwärmten die Polizisten aus, in Gasmasken, Schutzkleidung, mit Schilden, Schlagstöcken und Betäubungsgewehren bewaffnet. Während sie sich eine Gasse durch die erschöpfte Menge hieben, kam vom Panzerwagen keine Reaktion mehr. Offenbar waren die Flanken des Wagens so heiß, daß man sie selbst mit Schutzhandschuhen nicht mehr anfassen konnte. Einer der Beamten räumte mit dem Knüppel den Hitzeschaum vom Dach, ein anderer bellte Befehle gegen die Schutzscheibe, ohne daß die Türen vom Fahrerhaus geöffnet wurden, die sich offensichtlich nicht von außen öffnen ließen. Nach einer kurzen Besinnungspause ließ der mit Befehlsgewalt bekleidete Beamte einen Abschleppwagen holen, um den Panzerwagen zum Revier zu bringen, wo man stahlbrechende Geräte und eine Leichenkammer zur Verfügung hatte.

Das letzte, was Manny Littlejohn von seinem Panzerwagen sah, waren die Bremstrommeln, die über das Pflaster holperten, während das Führerhaus am Haken des Abschleppwagens baumelte. Die Lage der drei Männer im Führerhaus konnte man sich leicht ausdenken. Mit heraushängenden Zungen und geplatzter Gesichtshaut hüpften sie einträchtig nebeneinander auf dem Sitzpolster, bis ein besonders kräftiger Stoß sie auf den Boden beförderte, zwischen Bremshebel und Kisten mit Geräten zum Schutz der Ladung. Die Menge sah jetzt gelangweilt dem Abgang zu, nur hier und da noch ein wenig von einem Gummiknüppel aufgescheucht, worauf sie »We shall overcome« sang.

Das schwarze Boot nahm inzwischen wieder Fahrt auf, nachdem Manny Littlejohn James den entsprechenden Befehl gegeben hatte. Es rauschte an der Hauptwasserreinigungsanlage vorbei und in das ruhige, von Sonnenflecken übersäte Wasser von Penheniot Pill hinein. Der Gesang wurde schwächer und verlor sich, bis man nur noch das leise Summen des Motors und das Gurgeln des Wassers hören konnte. Das Laub in den Eichen raschelte leise. Manny Littlejohn ließ sich auf dem Vorderdeck nieder, schloß die Augen und atmete die Luft tief ein. Das Leben war schön.