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Im Dorf befanden sich ein großes Forschungslabor und mehrere Hilfswerkstätten. Die Sägemühle hatte man wiederaufgebaut, und sie diente der Turbine als Tarnung. Eine Seewasser-Aufbereitungsanlage und riesige unterirdische Versorgungsspeicher verhalfen zusammen mit dem Elektrizitätswerk dem Dorf zur Autarkie. Es war ein supermodernes, hervorragend ausgestattetes Forschungszentrum, das sich hier unauffällig zwischen den Hügeln versteckte und sich der Außenwelt darbot, als wäre es schon seit Jahrhunderten hier gewesen.

Leider täuschte die Idylle niemand, weder die Einheimischen noch die Touristen. Besonders die Touristen wurden durch sensationelle, wenn auch vage »Enthüllungen« in der Presse in Scharen angelockt. Sie tuckerten während der Flut den Pill hinauf und versuchten, auf der Seite, wo das Dorf lag, anzulegen. Das führte zu nichts, wie die Einheimischen schon längst herausgefunden hatten. Der Gründer des Dorfes, Manny Littlejohn, hatte Sinn für Stil. Er rekrutierte Sicherheitsagenten mit freundlichen, rotbäckigen Gesichtern und Seemannsbärten, steckte sie in eine blaue Seemannskluft, setzte ihnen schäbige Fischermützen auf und ließ sie werktags in geflickten blauen Jeans herumlaufen. Trotzdem blieben sie Sicherheitsagenten und benahmen sich entsprechend.

An ihrer Spitze stand der fette Hafenmeister, der Unbefugten jovial und freundlich entgegentrat (Paragraph 3a im Sicherheitshandbuch).

»Privater Ankerplatz, leider. Fahren Sie doch ein Stück weiter den Fluß hinauf!«

Wenn der ungebetene Gast sich nicht fügen wollte, ging es im gleichen freundlichen Ton weiter: »Die ausgebaggerte Fahrrinne muß freigehalten werden, leider. ’ne Menge Güter und Leute werden hier ein- und ausgeladen. Deswegen haben wir auch die vielen Schilder angebracht.«

Und dabei deutete der Hafenmeister auf die nächstbeste Tafel, die hier am Ufer befestigt war und auf der in höflichen Worten geschrieben stand:

Das ist eine private Wasserstraße, die für Versorgungsschiffe dringend gebraucht wird. Wir müssen deshalb die Ankerplätze für die Bewohner des Dorfes reservieren. Bitte, haben Sie dafür Verständnis. Eine halbe Meile flußaufwärts befindet sich am Südufer eine Bucht, die wir Ihnen zum Schwimmen und für Strandparties empfehlen können.

»Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich Sie auf die Wasserstraßenordnung hinweisen muß. Wir können Sie tatsächlich wegen Verstoßes gegen diese Ordnung festnehmen lassen.«

Ließ sich der Unbefugte auch jetzt noch nicht abschrecken, trat eine Laserkanone in Aktion, die auf der Fensterbank eines von Kletterrosen überwucherten Gehöftes installiert war. Lautlos kappte diese Kanone die Ankerkette der unerwünschten Motorjacht, so daß das Boot von der Strömung erfaßt und auf ein paar gefährliche Klippen zugetrieben wurde. Hiermit waren die Funktionen des Hafenmeisters beendet, und ein Trupp von rotbäckigen, freundlich aussehenden Fischerleuten trat jetzt auf den Plan. Sie kamen aus dem Polizeirevier, trabten im Laufschritt hinunter zum Strand und machten dort ein schwarzes Motorboot klar, das mit Greifhaken, allerlei unheimlichen Geräten und Seenot-Raketen bestückt zu sein schien.

Das Boot war ganz deutlich am Bug mit den Buchstaben »P.E.R.V. Seenotkreuzer« beschriftet; aber bisher hatte sich noch kein Unbefugter lange genug in der Fahrrinne aufgehalten, um eine Rettungsaktion mitzuerleben. Würdevoll, soweit man im Adamskostüm würdevoll sein konnte, zogen sie sich aus dem Privathafen zurück.

Auf der Landseite des Dorfes waren die Verteidigungsanlagen von Manny Littlejohn weniger taktvoll. Sie bestanden aus einem endlosen, neun Fuß hohen Elektrozaun. Doch er war wenigstens so diskret wie möglich angelegt, meistens im Gestrüpp verborgen, und die Ladung des Zauns war durch das Gesetz in Schranken gehalten, nur so stark, daß eine Kuh verwundert den Kopf geschüttelt hätte. Natürlich ließen sich nur wenige Menschen herbei, die Ladung an sich selbst nachzuprüfen.

Die Verwandlung von Penheniot Village aus einem Haufen Ruinen in ein raffiniert angelegtes, wirtschaftlich unabhängiges Laboratorium hatte nicht einmal zwei Jahre erfordert. Als die Bagger an der Mündung des Pill den Schlamm entfernten, kamen gleichzeitig die Planierraupen auf dem gepflasterten Weg von der Hauptstraße herunter, und danach rückte eine Armada von Schallbohrern, Laserkanonen, Betonpressern und Steinzerstäubern ins verfallene Dorf. Das Genie des Gründers lag auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation und Projektplanung. Diese Eigenschaften, und die rücksichtslosen Ellenbogen, hatten ihn reich gemacht. Nun verwendete er seine Talente auf die Verwirklichung eines Jugendtraumes, auf sein Steckenpferd. Wahrscheinlich war dieses Dorf das kostspieligste Steckenpferd, das ein Mensch jemals geritten hatte.

Es war ein Steckenpferd und eine Ausflucht.

Penheniot veränderte sich so rasch, daß man kaum folgen konnte – schon gar nicht der arme Roses Varco. Man hatte ihn im Winkel der Küche eines Hauses entdeckt, das zur Sprengung vorgemerkt war. Man erklärte ihm, daß ein gewisser Mr. Manny Littlejohn die Gemeindeflur des gesamten Dorfes aufgekauft habe und er – Roses Varco – deshalb das Haus zu räumen habe. Bedauerlicherweise zu räumen habe. Doch dieses Ansinnen überstieg das Fassungsvermögen von Roses. Er hatte in diesem Haus zwanzig Jahre – vielleicht sogar dreißig Jahre – lang gelebt, und vor ihm sein Vater zwanzig Jahre – vielleicht sogar dreißig Jahre lang. Es war sein Haus. Sein Haus.

Er blieb bockig auf seinem Küchenstuhl sitzen und weigerte sich, ihn zu verlassen.

Man rief den Vorarbeiter und dann den auf sichtführenden Ingenieur. Vergeblich. Selbst der Ingenieur, der die Pläne entworfen hatte, konnte Roses nicht überzeugen, daß die Kontenverlagerung von ein paar der Manny-Littlejohn-Millionen in einer weit entfernten, nicht vorstellbaren Stadt ihm das Zuhause wegnehmen konnte, das einzige Heim, das er in seinen achtunddreißig Lebensjahren kennengelernt hatte. Er raffte seine Decken und ein paar seiner besseren Habseligkeiten – seinen Teetopf, den Kalender, den sein Vater neben der Treppe aufgehängt hatte, seinen Tontopf mit den Angelhaken und seine beste Hose – zusammen und zog sich in den entferntesten und dunkelsten Winkel der Küche zurück. Dort kauerte er sich furchtsam zusammen, verwirrt bis zur Schwachsinnigkeit.

Der Vorarbeiter war ein humaner Mensch. Das gleiche traf auf den aufsichtführenden Ingenieur und den verantwortlich zeichnenden Ingenieur zu. Sie besaßen auch ausdrückliche Instruktionen vom Gründer, die Wünsche der einheimischen Bevölkerung weitgehend zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht besaß die Firma einen guten Leumund und wollte diesen auch nicht aufs Spiel setzen. Schließlich gab es auf der Baustelle auch anderweitig genügend zu tun, und der Gründer hatte höchstpersönlich sein Erscheinen in drei Tagen angesagt. Man beschloß, ihm den Fall vorzutragen.

Manny Littlejohn betrachtete Roses und sein Heim mit seinem geschulten analytischen Blick.

»Ist er gefährlich?« fragte er.

»Ganz im Gegenteil«, beeilte sich der aufsichtführende Ingenieur zu versichern. »Ich höre, daß er außerordentlich sanftmütig sein soll.«

»Hat man sich über ihn erkundigt?«

»Die Polizei in St. Kinnow meldete, daß nichts Nachteiliges über ihn bekannt sei.«

»Aha.« Manny Littlejohn fuhr mit dem Zeigefinger am Rand des Küchentisches entlang und betrachtete ihn, ohne daß die Übelkeit ihn übermannte. »Sie vergeuden meine Zeit. Wir bauen ein Dorf wieder auf, und deshalb brauchen wir auch einen Dorftrottel. Er kommt auf die Lohnliste.« Er nickte anerkennend, als er sich noch einmal in der Küche umsah. »Vielleicht kann er in seiner Freizeit ein bißchen bei den Reparaturarbeiten helfen.«

Nach dem ursprünglichen Bauplan sollte Roses’ Küche – und noch eine Menge anderer Baulichkeiten – Platz für das neue Labor schaffen. Deshalb mußte man ein geeignetes Quartier für Roses an anderer Stelle finden. Offensichtlich waren die Norm-Unterkünfte – vorgefertigte Plastik-Raumeinheiten, die sich paßgerecht in die Steinschalen der cornwallschen Häuser einfügen ließen – für Roses ungeeignet. Roses brauchte etwas, das seinen besonderen Bedürfnissen entsprach. Schon bei der flüchtigsten Sozialstudie zeigte sich, daß er nirgends so glücklich sein würde als in seiner eigenen erbärmlichen Küche. Deshalb änderte der verantwortliche Ingenieur eigenmächtig die Pläne und setzte den Boden des Laboratoriums fünf Fuß und neun Zoll über dem ursprünglichen Niveau ein, so daß die Küche darunter Platz fand. Sie nahm jetzt eine kleine Ecke in einem Lagerraum ein, in dem Wein und andere alkoholische Getränke untergebracht werden sollten. Der Ingenieur hatte nämlich plötzlich entdeckt, daß Lagerräume für diese wichtigen Konsumgüter auf dem ursprünglichen Bauplan gar nicht vorgesehen waren.