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Deshalb wartete sie, bis der Start erfolgt war. Sie wartete, bis die Maschine wieder verstummt war und die Bühne so leer, als wäre sie noch nie betreten worden. Dann rief sie seinen Namen, daß er sich umdrehen sollte, um sie zu sehen und sich zu fürchten.

»Karl … Karl …«

Doch er trotzte ihr sogar in diesem Moment und holte sich Stärke und Würde aus einem Irgendwo, wo es keine Furcht gab. Nachdem er tot war, trat sie wieder hinaus auf die Treppe. Der Regen tropfte ihr von den Haaren.

»Wache!« rief sie. Nicht zu laut, weil sie seit Jahren nicht mehr laut rufen mußte, »Wächter, es ist ein Feind in unserer Stadt. Er hat unseren Sohn getötet. Er hat den zukünftigen Präsidenten umgebracht.«

Eine Zeitlang hörte man sie nicht. Doch als man sie endlich hörte und herbeigeeilt kam, glaubte man ihr nicht. Denn sie konnte nichts anderes bezeugen als diese drei Sätze, und die Waffe in ihrer Hand war immer noch warm …

EPILOG

Unmittelbar nach dem Ende dieser Geschichte – und damit eigentlich am unmittelbaren Anfang – saß Roses Varco, achtzehn Jahre alt, auf einer halbverfallenen hölzernen Mole und las die Abenteuer von der Pantherfrau. Um ihn herum wurden die Schatten der Abenddämmerung größer, und hinter ihm bereiteten sich die verlassenen, abgedeckten Häuser von Penheniot auf eine neue, geruhsame Nacht vor. Unter ihm leckte das graue Wasser des Pill den Sandstrand hinauf und ließ kleine Schlammgebilde zurück. Und drüben zu seiner Rechten, im letzten Haus der Zeile, das noch nicht ganz so abgedeckt war wie die übrigen, spielten vier Katzen mit einer leeren Makrelenbüchse auf dem Boden. Ab und zu tropfte etwas Fischöl auf ihre Schnurrhaare.

Diese Katzen waren die einzigen Lebewesen, die unter der Ankunft (Nicht-Ankunft) von Roses Varco II zu leiden hatten. Er kam mit einem Getöse an, als käme ein Schnellzug durch die Hütte gebraust. Er landete gerade noch am äußersten Rand des goldenen Zeitalters – eine krasse Fehlberechnung seines eigenen Sohnes – und wurde sofort als philosophisch unmöglich befunden. Er hörte auf zu existieren. Er hörte auf zu sein. Er hatte in dieser Agonie der Auflösung nur noch Zeit zu einem einzigen Schrei, der so rasch abriß, daß er eigentlich gar keine Dauer besaß, einem geometrischen Punkt vergleichbar, der keine Ausdehnung besitzt. Dann war er verschwunden.

So eine gewaltsame Unterbrechung des Chronos wurde von einer ungewöhnlichen Aktivität der Chronoküle begleitet, so daß die Katzen, die unfreiwillig Zeuge des Ganzen wurden, große Stücke ihres Fells zurücklassen mußten, ehe sie sich ins Freie flüchten konnten. Und als sich Roses Varco, der erste Roses Varco, der einzige Roses Varco, denn es konnte ja niemals zwei Roses Varco gegeben haben – als Roses Varco sich wieder aus dem Schlamm des Flusses befreite, den Verlust seines Buches betrauerte, nach Hause ging, um sich seiner nassen Hose zu entledigen, stieg ihm dort ein fremdartiger Geruch in die Nase. Es roch nach überhitzten Radiogeräten, Aspirintabletten, den Reibeflächen alter Streichholzschachteln und nach etwas, das ihn an Rizinusöl erinnerte. Was er aber wirklich roch – obgleich ihm das natürlich nicht verriet, weil er es sowieso nicht begriffen hätte –, was er wirklich roch, war seine eigene Auflösung.

Im achtunddreißigsten Jahr seines Lebens starb ein Mann, der aus einer Zeit zurückreiste, als er dem Kalender nach fünfundneunzig Jahre alt sein mußte, ein paar Wochen nach seinem achtzehnten Geburtstag.

Ich wiederhole.

Im achtunddreißigsten Jahr seines Lebens starb ein Mann, der aus einer Zeit zurückreiste, als er dem Kalender nach fünfundneunzig Jahre alt sein mußte, ein paar Wochen nach seinem achtzehnten Geburtstag.

Und das Buch? Als eine wahrheitsgetreue Aufzeichnung einer Geschichte, die sich noch nicht ereignet hatte, ist natürlich nicht weniger und nicht mehr wahrscheinlich als Roses Varco II war. So hätte es eigentlich, philosophisch betrachtet, gar kein Recht gehabt, jenen Kräften zu widerstehen, die Roses Varco II samt Blue Jeans, Turnschuhen und ungebügeltem Hemd zur Auflösung zwangen. Man kann nur vermuten, daß seine bemerkenswerte Unzerstörbarkeit ein Beweis gegen diese Kräfte darstellt.

Oder vielleicht war auch beschlossen worden – von einem (einem?), der eben solche wichtigen philosophischen Beschlüsse macht –, daß sowieso niemand von dem Buch Notiz nehmen und jeder so weitermachen würde, als wäre es gar nicht geschrieben worden.

Und diese Annahme ist eigentlich gar nicht so weit weg von der Wahrheit …

ENDE