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Der Famulus blieb vor dem Laboratorium stehen und riss die Tür auf. Kleine weiße Qualmwolken waberten ihnen nebelgleich entgegen. »Beeil dich gefälligst«, schnauzte er den Zwerg an, der sich dem Eingang näherte.

Tungdil trat laut schnaufend in den Raum, in dem der Rauch dicht wie Nebel hing. »Bleib höflich, Jolosin, sonst kannst du es selbst erledigen«, keuchte er.

»Steig in den Kamin hinauf«, befahl der Famulus und schob den Zwerg unsanft durch das Zimmer. »Etwas hat den Abzug verstopft.« Wie aus dem Nichts tauchte das Loch der Feuerstelle auf; daneben stand ein kleinerer Kübel, aus dem der Dunst aufstieg.

»Und wie wäre es mit einem Zauber, großer Famulus? Du bist doch einer der Besten, oder etwa nicht?«

»In diesem Fall brauche ich dich«, lehnte er kategorisch ab. »Du hast keine Ahnung vom Zaubern, Zwerg. Los, meine Schüler warten, dass sie wieder etwas erkennen.« Tungdil hörte gelegentliches Husten und Räuspern.

»Wie heißt das Zauberwort?«

»Was?«

»Versuche es noch einmal, großer Famulus. Du kennst alle Formeln.«

Jolosin verzog das Gesicht. »Bitte.«

»Und schon wirkt es.« Grinsend nahm der Zwerg den Schürhaken, klemmte ihn in seinen Gürtel und begab sich in den Durchlass, in dem eine schwache Glut leuchtete. Er schaute nach oben, wo der Qualm nach wenigen Schritten dicht wie eine Wand wurde.

Behände machte er sich an den Aufstieg. Seine kräftigen Finger fanden an den hervorstehenden Backsteinstücken spielend Halt, selbst der ölige Ruß bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten. Tungdil kam langsam, aber beständig vorwärts, bis er sich drei Schritte über dem Boden befand, von dem er wegen der dichten Rauchschwaden jedoch nichts sah.

Seine tastenden Finger stießen auf Widerstand. »Es fühlt sich an wie ein Nest, das in den Schacht gefallen ist«, rief er nach unten.

»Dann hole es raus!«

»Was denn sonst? Denkst du, ich will noch eins bauen?« Er stemmte sich gegen die Kaminmauer und rüttelte mit einer Hand an der Vogelbrutstatt, die so gar nicht in den Schlot gehörte.

Das Nest gab nach.

Nun erlebte Tungdil eine böse Überraschung. Eine stinkende Flüssigkeit ergoss sich über ihn; sogleich fingen seine Haut zu jucken und die Augen zu tränen an. Dann rieselten feine Federn auf ihn herab, die ihn an der Nase und im ganzen Gesicht kitzelten. Er musste niesen, rutschte von dem Backstein ab, an dem er sich fest hielt, und stürzte in die Tiefe.

Tungdil schaffte es zwar, sich an den hervorstehenden Mauerenden nicht das Fleisch von den Knochen zu schälen, erhielt aber vom Schornstein ein paar böse Rempler in die Rippen. Sein freier Fall endete mit dem Hinterteil voran in den glühenden Resten des Nests. Aschewolken stoben auf und bedeckten ihn mit einer grauen Schicht. Hastig sprang er auf, um sich vor Brandblasen zu schützen, aber die Glut hatte ihm bereits ein Loch in die Hose gebrannt.

Das vielstimmige Gelächter, das ihm entgegenschallte, zeigte ihm, dass er einem schlechten Scherz aufgesessen war.

Die Nebelwolken hatten sich wie von Zauberhand aus dem Laboratorium verzogen und gaben den zwanzig versammelten Famuli den Blick auf den gedemütigten, völlig verdreckten Zwerg frei. In der ersten Reihe stand natürlich Jolosin, der sich vor lauter Heiterkeit bog und sich schadenfroh auf die Schenkel klopfte.

»Seht nur!«, rief er gespielt ängstlich. »Das schreckliche Rauchmännchen steigt aus dem Ofen!«

»Und es hat sogar das Stinktierelixier gefunden, das in dem Vogelnest lag«, grölte ein zweiter Zauberschüler.

»Das merkt man bei seinem Geruch sowieso nicht«, lachte Jolosin und wandte sich dem Zwerg zu. »So, Kurzer. Jetzt bin ich derjenige, der auf seine Kosten kam. Du kannst gehen.«

Tungdil wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Sein mit Federn und Asche geziertes Haupt senkte sich langsam, die braunen Augen blitzten wütend.

»Ach, ein Spaß? Nun, der Spaß ist noch nicht vorbei«, brummte er trotzig und langte nach dem Kübel, der neben dem Kamin stand. Er war kalt, also würde der Inhalt den Magusschüler nicht verbrühen. Kurz entschlossen holte er aus, um den Inhalt über Jolosin zu gießen, der sich soeben zu seinen Freunden umgedreht hatte.

Jemand rief ihm eine Warnung zu. Der Famulus wandte den Kopf und sah das Unheil nahen. Geistesgegenwärtig reckte er die Hände und sandte einen Abwehrzauber gegen das heranfliegende Wasser. Sofort verwandelte es sich in kleine Eisbröckchen, die gegen ihn prasselten, ohne ihn zu durchnässen; die frische Robe blieb unbeschadet.

So gut der Einfall gewesen war, der Zauber hatte durchaus einen Haken, wie die Schüler am Klirren hinter sich hörten. Einige der Stücke flogen in hohem Bogen an ihnen vorbei und trafen die fein säuberlich aufgereihten Flakons mit den Elixieren, Balsamen, Extrakten und Essenzen, welche für die unterschiedlichsten Experimente aufbewahrt wurden.

Die ersten Substanzen rannen aus den zerbrochenen Fläschchen und mischten sich. Es knallte und zischte gefährlich.

»Du Narr«, beschimpfte der schreckensbleiche Jolosin Tungdil, der sich indes keiner Schuld bewusst war.

»Ich? Du bist der Narr, du hast das Wasser doch zu Eis verwandelt«, gab er aufsässig zurück.

Ein Regal fiel in sich zusammen, flirrende Funken stiegen an die Decke und verpufften dort in einem rötlichen Blitz. Im Laboratorium braute sich im wahrsten Sinne des Wortes etwas zusammen. Die ersten Schüler rannten hinaus, weil ihnen doch zu mulmig wurde, und Jolosin folgte ihnen.

»Das hast du zu verantworten! Lot-Ionan wird dich bestrafen, Zwerg. Ich sorge dafür, dass du von hier verschwindest, Ziehsohn hin oder her«, rief der Famulus erbost und knallte die Tür von außen zu.

»Lass mich raus! Ich schwöre, ich lege dich auf meinen Amboss und schmiede dich mit einem glühenden Hammer durch!« Tungdil rüttelte an der Tür, ohne etwas auszurichten. Vermutlich belegte der Zaubereranwärter sie mit Magie, um seine Flucht zu verhindern und ihn als Schuldigen präsentieren zu können.

Das wird er mir büßen, dachte er und zog den Kopf zwischen die Schultern, als es laut krachte. Hastig schaute er sich um, und suchte nach einem Platz, an dem er vor den Explosionen sicher war und warten konnte, bis man ihn befreite.

Das Geborgene Land, am Rand des Zwergenreichs des Zweiten, Beroïn, im Winter des 6233sten Sonnenzyklus

Balendilín betrachtete die Zwerge, die soeben die Halle verließen, voller Sorge. So hatte er sich den Verlauf der Versammlung nicht vorgestellt! Sogar das Vorhaben des Großkönigs, ein Bündnis zwischen allen Völkern des Geborgenen Landes in die Wege zu leiten, stand nun auf tönernen Füßen.

Verflixter Gandogar, ärgerte er sich. Vraccas, ich bitte dich, gib ihm Einsicht.

Als sie allein waren, tastete sich Gundraburs Hand die Lehne entlang, bis sie auf seinem Arm lag.

»Unser Plan wird scheitern«, sagte der Großkönig matt. »Dem jungen Zwerg vom Stamme Goïmdil fehlt die Erfahrung.« Er lächelte zaghaft und tätschelte die Finger Balendilíns. »Oder der besonnene Berater, mein treuer Freund.«

Mühsam stemmte er sich empor und zog die schimmernde Krone vom Kopf. Die Rechte, die kurz zuvor noch den Schmiedehammer geführt hatte, erzitterte unter dem geringen Gewicht.

»Einen Krieg …«, murmelte er verzweifelt. »Einen Krieg gegen die Elben! Was denkt sich Gandogar nur dabei?«

»Nichts«, meinte sein Berater bitter. »Das ist es ja eben. Und sein Mentor Bislipur scheint ebenso vernagelt zu sein. Wir werden diese seltsamen Zeilen überprüfen, denn ich glaube nicht an ihre Echtheit. Sie sind ein Vorwand, um mehr Stimmen für den Krieg zu gewinnen. Eine Fälschung …«

»Aber sie wurden gehört«, hielt Gundrabur dagegen. »Es ist zu spät. Du hast selbst mitbekommen, dass einige unserer Clans mit Vorliebe gegen die Elben ziehen würden, ganz gleich aus welchem Anlass. Du weißt, dass die Clananführer Sturköpfe sind.«

»Ich habe aber auch gesehen, dass andere Clans aus dem Stamm der Vierten stumm blieben. Die Sache ist für Gandogar noch nicht gewonnen, denn die Abstimmungen erfolgen frei; jeder Clan kann entscheiden, wie er möchte. Wir müssen sie von unseren Ansichten überzeugen.«