Выбрать главу

Starker Moschusduft stieg Da'ud in die Nase, als er auf den offenen Platz trat, und aus der gleichen Richtung drangen wütende Flüche an sein Ohr. Ein Parfümverkäufer hatte, während er seinen Stand aufbaute, einen Flakon der kostbaren Flüssigkeit verschüttet. Da'ud näherte sich ihm mit leisen Schritten und kaufte ihm für einen großzügigen Betrag das wenige ab, das noch auf dem Boden der kleinen Flasche übrig war. Entzückt und begierig darauf, einem so großzügigen Kunden alles recht zu machen, goß der Händler das Parfüm sorgfältig in ein kleines Bronzefläschchen um und träufelte dann ein wenig über Da'uds bewegliche, schmale Finger, ehe er das Behältnis verkorkte. Während er das machte, fragte Da'ud ihn wie beiläufig: »Wann erwartet Ihr wieder einmal radanitische Kaufleute bei uns?«

»Radaniten? Ihr meint gewiß die jüdischen Kaufleute, die vieler Sprachen mächtig sind und von Frankreich durch Spanien nach Ägypten reisen, um von dort nach Arabien und in den Orient zu segeln?«

»Genau die.«

»Es ziehen heutzutage nicht mehr viele von ihnen auf den Handelsstraßen nach Osten. Die Venezianer haben sie beinahe ganz verdrängt. Ich erinnere mich noch, daß mein Vater von ihnen Moschus und Kampfer kaufte, wenn sie aus Indien und China zurückkehrten. Und bei uns erwarben sie Seide und Leder, um es den orientalischen Fürsten anzudienen. Die wenigen, die noch übrig sind, erscheinen ab und zu, meistens mit Sklaven aus Prag. Die Slawen sind sehr gefragt, die Männer als Soldaten und Arbeiter im Dienste des Kalifen, die Frauen für die Harems der Reichen – besonders die Rothaarigen«, fügte er mit einem anzüglichen Zwinkern hinzu. »Die Omaijaden sind ganz versessen auf sie. Sucht Ihr ein hübsches junges Ding für Euch selbst?«

»Nein, keineswegs. Ich interessiere mich für die Kaufleute, nicht für ihre Ware.«

»Dann fragt den Unterhändler da drüben, wann der nächste Sklavenverkauf angesetzt ist. Vielleicht findet Ihr bei den Händlern einen Radaniten.«

Da'ud dankte dem Mann und überquerte den Marktplatz. Der Unterhändler saß auf einem niedrigen Lederhocker und schaute eine Liste von Pferde- und Sklavenauktionen durch, die er in Kürze ankündigen würde. Ja, erwiderte er auf Da'uds Anfrage, in Kürze solle ein Sklavenverkauf beginnen. Um sich die Wartezeit zu vertreiben, schlenderte Da'ud zu einem Obststand und wählte sich dort eine Aprikose aus, die flaumig und weich, gerade reif zum Essen war. Mit sinnlichem Vergnügen ließ er den Finger über die weichen Rundungen gleiten, öffnete die Frucht an der Mulde, die ihn an die reifen Brüste einer Frau erinnerte … Sorgfältig entfernte er den Stein, nachdem er die Aprikose genau untersucht hatte, ob sich auch kein Insekt in ihr verbarg, hieb dann die Zähne in das weiche Fleisch mit dem zarten Aroma. Er wollte sich gerade eine weitere Frucht nehmen, als ihm eine bärtige Gestalt auffiel, ein sonnenverbrannter Mann mit scharfem Blickt, der sich ihm vom Gasthaus näherte, das gleich am Marktplatz lag. Neben dem Mann schritt ein schmales Mädchen, die schlanke Hand lose in die seine gelegt, die Augen fest zu Boden gerichtet, so daß man nur ihren üppigen rostroten Haarschopf sehen konnte. Hinter den beiden ging, von einem stämmigen Wachmann angeführt, ein halbes Dutzend junger Männer mit gebräunten Gesichtern, die wilden Augen trotzig und aufmüpfig. Kaum hatten sie den Ort des Sklavenmarktes erreicht, da erschien neben ihnen schon ein Beauftragter des Kalifen in Begleitung eines Imams mit Turban, der ihnen den üblichen Handel vorschlug: ihre Freiheit im Tausch gegen den Übertritt zum Islam, gefolgt von der Rekrutierung in die Armee des Kalifen.

»Mit der Beute, die ihr aus der Schlacht mit nach Hause tragt, könnt ihr eines Tages ein Stück Land kaufen, und wenn ihr hart arbeitet, werdet ihr damit reich wie andere eures Schlages schon vorher«, versprach ihnen der Agent des Kalifen. »Und die Jungfrau …«

»Nein!« unterbrach sie der Händler mit barscher Stimme. »Sie ist noch ein Kind. Sie steht nicht zum Verkauf.«

»Wie Ihr wünscht«, meinte der Beauftragte des Kalifen und zuckte gleichgültig die Achseln, während er die jungen Männer von Kopf bis Fuß musterte.

»Mein Herr zahlt Euch jeden geforderten Preis für so eine«, fuhr eine hohe Stimme dazwischen.

»Du schon wieder«, gab der Händler mit einiger Verachtung zurück. Er kannte den Eunuchen gut. Er war auch Slawe, man hatte ihn als Kind verkauft und kastriert. Inzwischen war er der getreue Diener eines Prinzen aus dem Haus der Omaijaden und war ständig auf der Suche nach neuen Leckerbissen, mit denen er den abgestumpften sexuellen Appetit seines Herren noch reizen konnte.

»Du hast gehört, was ich gesagt habe. Sie steht nicht zum Verkauf, weder für den Kalifen, noch für seinen Neffen, noch für sonst jemanden.«

Nach dem rituellen Feilschen kaufte der Beauftragte des Kalifen die männlichen Sklaven, und der Imam führte sie fort, damit sie zum Islam übertreten konnten. Auch der Eunuch tänzelte davon, um anderswo seine Beute zu suchen. Erst dann trat Da'ud auf den Händler zu und grüßte ihn in hebräischer Sprache. Beim Klang der vertrauten Worte flog ein Lächeln des Erkennens über das Gesicht des Mannes, auch das Mädchen hob die Augen – ein kurzer Blick in ein tiefblaues Meer.

»Heute sind keine jüdischen Sklaven auszulösen«, teilte ihm der Radaniter mit.

»Deswegen bin ich nicht hier. Ich bin Arzt und möchte etwas über eine Pflanze herausfinden, die unter dem Namen handakuka bekannt ist. Zu Zeiten der Antike war sie als ein wirksames Gegengift gegen den Schlangenbiß bekannt, aber heute weiß kaum noch jemand von ihr.«

»Ich bin der letzte auf der Welt, den Ihr dazu befragen solltet. Ich kenne mich mit Pflanzen nicht aus.«

»Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Ich hatte gehofft«, erklärte Da'ud, während er eine Handvoll Goldmünzen in die ledrige Hand des Kaufmanns gleiten ließ, »ich hatte gehofft, Ihr würdet Euch bereit erklären, die Reisenden, die Ihr auf Euren Wegen trefft, besonders jene aus östlichen Ländern, zu befragen, ob sie von einer solchen Pflanze je gehört haben. Wenn das so ist, dann könntet Ihr Euch auch noch erkundigen, ob sie noch einen anderen Namen für dieses Gewächs kennen, noch besser, ob sie Euch einen Ableger für mich mitgeben könnten.«

»Dagegen habe ich nichts einzuwenden«, erwiderte der Mann und warf einen anerkennenden Blick auf die erkleckliche Summe auf seinem Handteller. »Aber es werden viele Monate vergehen, ehe ich wieder nach Córdoba zurückkehre. Wenn Ihr jedoch einen wirksamen Theriak sucht, dann kann ich Euch etwas anbieten, das wir Radaniten schon vor vielen Jahren entdeckt haben, als wir in Afrika Handel trieben. Dies hier tragen wir immer bei uns.«

Mit skeptischer Miene beäugte Da'ud den Mann, während der einen Beutel aus seinen Gewändern hervorzog und ihm einen grünen Stein entnahm, der die Form einer Eichel hatte. »Bezoar«, sagte der Händler und hielt Da'ud den Stein auf dem Handteller hin, damit er ihn genau betrachten konnte.

»Das ist das persische Wort für ›Schutzschild gegen Gift‹«, rief David aus, dessen Erregung deutlich wurde, »aber die alten Quellen erwähnen ihn nicht.«

»Ihr habt vielleicht die Klassiker studiert, junger Meister, aber ich habe reiche Erfahrung in der wirklichen, lebendigen Welt gesammelt. Diesen Stein findet man in der Gallenblase des Elefanten. Wir zermahlen ihn zu Staub, vermischen ihn mit Öl und flößen ihn dem Opfer der Schlange ein. Wir machen auch eine Paste daraus, die wir auf die Bißstelle auftragen. Ich habe mehr als einen Unglückseligen gesehen, der so gerettet wurde.«