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Tief im Innersten war Ya'kub zerrissen, was die Verheiratung seines Sohnes anging, die er von Herzen herbeisehnte, die er aber nicht gegen dessen Willen erzwingen wollte oder gar konnte. Er erachtete es als das beste, auf die Sache nicht weiter einzugehen. Als er sich wieder zu seinem Sohn gesellte, sagte er, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen: »Der radanitische Kaufmann ist aus Ägypten zurückgekehrt. Er ist heute morgen hier gewesen, während ich auf Isaac wartete, und hat darum gebeten, mit Sari sprechen zu dürfen.«

»Was hat sie gesagt?« fragte Da'ud und versuchte das Beben in seiner Stimme unter Kontrolle zu halten.

»Ich weiß es nicht. Isaac kam gerade, also habe ich den Händler an deine Mutter verwiesen.«

»Ich habe ihn gebeten, in Ägypten eine bestimmte Substanz für mich zu kaufen«, meinte Da'ud kühl. »Wenn du mich entschuldigst, Vater, so will ich Mutter fragen, ob er mir eine Nachricht hinterlassen hat.«

In einem Aufruhr der Gefühle überquerte Da'ud den Hof zu den Frauengemächern. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel und blendete ihn. Ihre Strahlen blitzten auf den leuchtend bunten Keramikfliesen, mit denen der Innenhof ausgelegt war, ließen aus dem Wasser des Beckens, das seine Mitte zierte, Lichtfunken stieben. Da'uds Mutter saß Sari gegenüber. Zwischen den beiden war ein riesiger seidener Bettüberwurf ausgebreitet, und jede Frau stickte auf ihrer Seite an der verschlungenen, vielfarbigen Umrandung. Sola hob den Kopf, als er sich näherte, und legte mit einem leisen, freudigen Lächeln die Arbeit aus der Hand. Sari jedoch stickte eifrig weiter. Die Krümmung ihres Nackens und die sanfte Biegung ihres Rückens, während sie sich zur Arbeit herabneigte, glichen den Zweigen einer jungen Weide, die sich grazil über die Wasser eines langsam fließenden Stroms beugen.

»Sari hat sich entschieden, fürs erste bei uns zu bleiben«, sagte seine Mutter mit warmer Stimme.

»Nur fürs erste?« erkundigte sich Da'ud beunruhigt.

»Der Kaufmann, der sehr um ihr Wohl besorgt ist, hat uns gebeten, daß sie sich ihm jederzeit wieder anschließen darf, wenn sie das möchte. Er kommt einmal im Jahr durch Córdoba, meinte er, und würde uns dann jedesmal besuchen und sich nach ihr erkundigen. Er hat das hier für dich dagelassen«, fügte sie hinzu und deutete auf einen großen Lederbeutel, der auf dem Boden neben ihr lag. »Er meinte, es würde bis zu seiner Rückkehr im nächsten Jahr reichen.«

»Hat er gesagt, was ich ihm schuldig bin?«

»Nein. Er wollte nicht bis zu deiner Rückkehr in Córdoba verweilen, und weil er unsere Familie kennt und ihr vertraut, hat er gesagt, er wolle sich das geschuldete Geld im nächsten Sommer abholen.« Sola stand auf, nahm ihren Sohn beim Arm und ging langsam mit ihm über den Innenhof, so daß Sari sie nicht mehr hören konnte. »Ich hatte das Gefühl, daß Saris Wunsch, hier bei uns zu bleiben, ihn außerordentlich betrübt hat. Ich verstehe ihn vollkommen. Eine zartere, gelehrigere Seele habe ich nie gekannt. Es ist, als könnte sie alle meine Wünsche vorausahnen, sie erfüllen, ehe ich sie ausgesprochen habe. Ob sie aus Dankbarkeit oder aus Furcht so handelt, habe ich noch nicht herausgefunden, denn manchmal, wenn ich ihr ganz sanft einen Fehler erkläre, sehe ich die nackte Angst in ihren Augen. Und wenn ich sie dann zu beruhigen versuche, scheint sie überrascht, als hätte sie erwartet, für ihren Fehler bestraft und nicht getröstet zu werden. Sie scheint auch kein Verlangen nach den Dingen zu haben, die deinen Schwestern so große Freude bereitet haben. Neulich wollte ich ihr einen wunderschön bestickten Gürtel schenken, aber sie hat ihn nicht angenommen, beinahe als stünde ihr derlei nicht zu. Sie scheint am glücklichsten, wenn sie wie jetzt einfach nur ruhig und still dasitzt – sie ist so bescheiden«, seufzte Sola und schüttelte traurig den Kopf. »Wir, die Glücklichen, halten dies für selbstverständlich. Wer weiß, was ihre Seele so verletzt hat, welche Tragödie ihr das genommen hat, was ihr als Mensch zusteht?«

»Das werden wir mit der Zeit sicher herausfinden«, meinte Da'ud nachdenklich, als sie zu Sari zurückgingen. Er mußte die Hände fest auf dem Rücken verschränken, um nicht einem Impuls nachzugeben und dem Mädchen die prächtigen rostbraunen Locken zurückzustreichen, die ihr in die Stirn gefallen waren, als sie sich über ihre Arbeit beugte. Geduld, gebot er sich. Nach und nach, Schritt für Schritt würde er auch dieser Herausforderung entgegentreten und sie bezwingen wie all die anderen. Eines Tages würden diese meerblauen Augen sich voller Liebe auf ihn richten, würde ihre Leidenschaft so stark werden wie die seine.

7

Herrlich in seiner schlichten Eleganz saß der Kalif aufrecht auf dem niedrigen goldenen Thron, das linke Bein untergeschlagen, das rechte Knie angehoben. Zu jeder Seite stand ein schwarzer Eunuch. Der getreue Mustapha wedelte mit der Fliegenklatsche, sein stummer Geselle schwenkte einen Fächer aus Elfenbein. Gereizt, wie Abd ar-Rahman war, hätte er gut und gerne auf die unaufhörlichen Handreichungen der beiden verzichten können, aber sie waren Teil des Hofzeremoniells, das ihm so am Herzen lag, und so hatte er keine andere Wahl, als die ständige Geschäftigkeit zu ertragen, die ihn dauernd umgab. Sein Zorn hätte beinahe den obersten Techniker den Kopf gekostet, aber da er niemanden sonst hatte, der über genug Wissen verfügte, um mit der gestrigen Katastrophe in der Medina Azahara fertig zu werden, hatte er Milde walten lassen müssen. Am Tag zuvor war, kurz bevor er eine Gesandtschaft aus Byzanz empfangen sollte, eines der Hauptwasserrohre in der neuen Palaststadt geborsten. Die Überschwemmung hatte den gesamten Palast in helle Aufruhr versetzt, hatte nicht nur die Werkstätten für Gold- und Elfenbeinarbeiten beschädigt, sondern auch, was am schlimmsten war, den Platz überflutet, wo binnen kurzem die neue Münze eingerichtet werden sollte. Unter Androhung schrecklichster Strafen hatte man sämtliche Würdenträger, Wachleute, Sklaven und Eunuchen zusammengepeitscht und zur Arbeit angetrieben. Sie hatten den ganzen vergangenen Tag und die Nacht hindurch geschuftet, um einen Empfang im alten Stadtpalast vorzubereiten, der dem Ruhm ihres Monarchen zur Ehre gereichen würde. Jetzt war alles an Ort und Stelle – schimmernde Seidenbehänge in Rot, Gold und Violett, üppige Sträuße zartvioletter und scharlachroter Blüten in goldenen Amphoren, Höflinge in reichen, vielfarbigen Gewändern und mit verschwenderischem Juwelenschmuck, die Ehrengarde säuberlich ausgerichtet. Und vor diesem strahlend bunten Hintergrund die weiß gekleidete Gestalt des Kalifen, unbeweglich und majestätisch auf dem Löwenthron.

Die Mitglieder der byzantinischen Gesandtschaft schritten nun auf ihn zu, eine gemessene Prozession in Silber und Blau, ein verblüffender Kontrast zum opulenten Glanz des Omaijaden-Hofs. Während ein Kammerherr zum Zeichen des Willkommens die Hände der Gäste mit Parfüm beträufelte, verrauchte Abd ar-Rahmans Zorn, und ein leises Lächeln der Zufriedenheit spielte ihm auf den schmalen Lippen. Er hatte allen Grund zur Zufriedenheit. Nicht er, sondern Kaiser Konstantin höchstpersönlich hatte die Unterzeichnung dieses Freundschaftsvertrags zwischen dem byzantinischen und seinem Reich angeregt. Offensichtlich hatten die beiden Herrscher eine gemeinsame Gefahr zu bekämpfen. Die aufstrebende Dynastie der Fatimiden in Nordafrika bedrohte nicht nur die riesigen Gebiete des Kalifen dort, Ländereien, die sich von Algier im Norden bis Sijilmasa im Süden erstreckten. Sie begann auch die Besitztümer des byzantinischen Herrschers zu gefährden und war zu einer ständigen Bedrohung für dessen Mittelmeerflotte geworden. Was den Kalifen mit besonderer Genugtuung erfüllte, war, daß Byzanz ihn nun für ebenbürtig erachtete, für eine Macht, mit der man in dieser Region rechnen und um die man sich bemühen mußte. Stephanos, der Kammerherr des Kaisers, der Anführer der Delegation, trat jetzt vor und überreichte Abd ar-Rahman mit allen gebührenden Bekundungen der Hochachtung eine große silberne Truhe. Aus dieser zog der Kalif eine Schriftrolle aus blauem Pergament, die mit goldenen Buchstaben beschrieben und mit einem schweren goldenen Siegel versehen war. Wie er auf den ersten flüchtigen Blick bemerkte, prangte auf der einen Seite des Siegels ein Bild Jesu und auf der anderen ein Bildnis des Kaisers und seines Sohnes. Er nickte zustimmend, während er den Vertragstext überflog, den seine Abgesandten so geduldig ausgehandelt hatten und der in arabischer und griechischer Sprache verfaßt war. Dann reichte er die Goldbulle an einen seiner Wesire weiter und bedachte das Geschenk des Kaisers mit einem gnädigen Lächeln der Anerkennung, als man nun einen Satz goldener und silberner Gefäße mit eingelegten Edelsteinen von außerordentlicher Größe hereintrug und vor ihm ausbreitete. Wieder trat Stephanos vor, trug diesmal einen schweren Kasten aus Zedernholz. Er näherte sich dem Thron und sprach den Kalifen an.