Выбрать главу

»Möge der Herr unzählige Segnungen auf Euch und Euer großes und ruhmreiches Herrscherhaus herabregnen lassen, o Herrscher der Gläubigen! Mein hoher Herr, Seine Kaiserliche Majestät Konstantin VII. Porphyrgenetos, der selbst als Gelehrter und Autor einigen Ruhm erreicht hat, wünscht Euch, eingedenk der vielen eminenten Gelehrten, die dank Eurer großzügigen Unterstützung diesen Hof zieren, die beiden in dieser Schatulle befindlichen seltenen und kostbaren Bücher zum Geschenk zu machen. Das eine ist ein vor 400 Jahren in lateinischer Sprache verfaßtes Geschichtswerk des spanischen Gelehrten Orosius. Das andere ist ein Manuskript der De Materia Medica des Dioskurides in der ursprünglichen griechischen Sprache. Obwohl der große Hunayn dieses Werk bereits vor einem Jahrhundert in Bagdad ins Arabische übersetzt hat, ist uns bekannt geworden, daß es ihm nicht gelungen ist, alle Pflanzen in diesem Buch der einfachen Heilmittel zu bestimmen. Seine Kaiserliche Majestät hat sich daher großmütig bereit erklärt, wohlwollend auf Euren Vorschlag einzugehen und die Besiegelung dieses Freundschaftsvertrages zwischen dem byzantinischen Reich und dem Kalifat von Córdoba dadurch zu unterstreichen, daß er einer gemeinsamen Schirmherrschaft über die Anfertigung einer neuen Übersetzung dieses großartigen Werkes zustimmt. Zu diesem Behufe hat er den hier anwesenden gelehrten Mönch Nicolas dazu bestimmt, Eure Gelehrten bei der Durchführung dieses Unterfangens zu unterstützen.«

»Euer Herrscher zeigt große Urteilskraft und immenses Verständnis sowie auch eine tiefe Kenntnis unseres Hofes«, erwiderte Abd ar-Rahman gnädig. »Unsererseits setzen wir Abu Suleiman Da'ud ben Ya'kub ibn Yatom ein, einen glänzenden jungen Gelehrten, der bereits großes Interesse an der Übersetzung griechischer Werke in die arabische Sprache bewiesen hat.«

In schlichten Gewändern und diskret im Schatten einer Marmorsäule verborgen, lauschten Da'ud ibn Yatom und sein Vater Ya'kub mit großer Spannung den Worten des Kalifen, und das seltene Aufblitzen in ihren ansonsten stillen Augen verriet den Stolz, den sie bei den so öffentlich ausgesprochenen Lobesworten für Da'uds Gelehrsamkeit empfanden. Aber vieles hatte der Kalif unerwähnt gelassen. Er allein wußte, welch großen Anteil Da'ud an der Formulierung des Freundschaftsvertrages hatte. Als Experte, der für die Übersetzung der Klauseln in die entsprechenden Nuancen der überaus reichen griechischen Sprache zuständig war, hatte Da'ud mehr als einmal die Bedeutung und Konsequenzen bestimmter Konzepte in Frage gestellt und, wenn er dies für nötig erachtete, auch seinen Rat angeboten. Mehr noch, er war einer der wenigen, der sich darüber im klaren war, daß der Vertrag nur eine Fassade für die geheime Zusammenarbeit der beiden Mächte in ihrem gemeinsamen Kampf gegen die Ausbreitung der Fatimiden und ihrer Helfershelfer unter den Berbern darstellte. Ein großer Teil von Abd ar-Rahmans Geheimkorrespondenz mit seinen Spionen in Nordafrika und mit seinen byzantinischen Bundesgenossen ging durch Da'uds Hände – ein undurchdringliches Dickicht aus Verschwörungen und Gegenverschwörungen, Unterwanderung und Verrat, Seitenwechseln und zweifelhaften Treueschwüren, in das eine Vielzahl von Stämmen und Familien verstrickt war. Als stummer Zeuge der schmutzigen Wirklichkeit, die hinter der Wahrung schlagkräftiger Macht steckte, erkannte Da'ud schnell, daß er seine Position am Hof nur halten konnte, wenn er sich unauffällig verhielt, seinem Herrscher unerschütterliche Treue bewies und allen Versuchungen der Intrige, wie verlockend sie auch immer sein mochten, widerstand. Indem er Abd ar-Rahman diskret zu verstehen gab, daß der Ruf seines Hofes in den Augen des gelehrten Konstantin außerordentlich wachsen würde, wenn er die Schirmherrschaft für eine Übersetzung der De Materia Medica durch Gelehrte beider Reiche übernähme, hatte er sich eine ruhmreiche Betätigung gesichert, die ihn vor all diesen Anfechtungen schützen würde. Mehr hätte er sich kaum wünschen können.

Nun begannen die Hofdichter Lobgesänge anzustimmen, die sie zu Ehren der erlauchten Gäste des Kalifen verfaßt hatten. Noch ehe sie zu Ende gesprochen hatten, hatten sich Ya'kub und Da'ud mit der ihrer Familie eigenen Diskretion schon wieder unbemerkt entfernt. Es reichte ihnen, daß Da'ud öffentlich geehrt worden war. Wenn sie geblieben wären und an dem Festmahl teilgenommen hätten, wären sie nur Gefahr gelaufen, daß öffentliche Ruhmesworte Eifersucht entfachten. Im Gegensatz dazu vermochte die Abwesenheit der Ibn Yatoms, der Abstand, den sie vom Getümmel des Hoflebens zu halten schienen, den Respekt, mit dem man sie betrachtete, nur noch zu vergrößern, erweckte ihre Reserviertheit eine gewisse Faszination.

Langsam gingen Vater und Sohn nach Hause, vereint in ihrem glühenden Stolz und dem Hochgefühl einer großen Errungenschaft. Als sie nach Hause kamen, saßen Sola und Sari auf dem Innenhof in der kühlen Abendluft, und es war eine Atmosphäre weiblicher Vertrautheit um die beiden.

»Ihr kommt früher zurück, als ich erwartet hätte«, begrüßte Sola sie lächelnd.

»Wir sind aufgebrochen, ehe das Festmahl begonnen hat, aber nicht bevor der Kalif Da'ud vor der versammelten Gesellschaft geehrt hat.«

»Und das hat er auch verdient«, konstatierte Sola schlicht. »Schon bei seiner Geburt wußte ich, daß eine glänzende Zukunft vor ihm liegt. Aber ihr müßt Hunger haben. Sari, meine Liebe, sei so gut und bitte Yusuf, den Männern ihr Abendessen zu bereiten.«

Sola folgte dem Mädchen liebevoll mit den Blicken, als es im Haus verschwand, und kehrte dann zu ihren eigenen Sorgen zurück. »Also, lieber Ya'kub, die Zeit ist gekommen, unsere kleine Sari zu verheiraten. Sie ist jetzt eine Frau, gut unterrichtet in der Führung eines jüdischen Haushalts und vertraut mit unserer Lebensweise.«

»Ist es dir gelungen, etwas über ihre Vergangenheit herauszufinden?«

»Nichts. Ich habe sie auch nicht gedrängt. Wir müssen es ihr überlassen, davon zu erzählen, wem und wann immer sie es für gut befindet.«

»Wie gewöhnlich sprichst du weise. Da ist ein junger Mann, den ich schon seit einer Weile für sie in Erwägung ziehe, ein Lehrling bei Isaac ibn Simha. Isaac sagt, er sei ehrlich und fähig und werde wohl mit der Zeit ein hervorragender Juwelenhändler werden. Ich will morgen mit ihm reden.«

»Nein, Vater«, fuhr Da'ud heftig dazwischen. »Bitte, nein. Ich habe andere Pläne für Saris Zukunft.«

»Und welche sind das?«

»Ich möchte sie selbst heiraten.«

»Du? Hast du den Verstand verloren? Du willst ein Findelkind heiraten, ein Mädchen unbekannter Herkunft, das du auf dem Sklavenmarkt aufgelesen hast?«