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»Ihr meint, zwischen Mann und Frau?«

»Das ist eine gröbere Art, es auszudrücken.«

»Ich habe Eure Mutter nicht gebraucht, um das zu lernen.«

»Wer hat dich darüber belehrt? Der Kaufmann?«

»O nein, nicht er, der liebe Mann. Er war der einzige, der …«

»Der?«

»Und was ist mit den Pflanzen hier drüben?«

»Vergiß die Pflanzen. Sari, hier ist es Brauch, daß heiratsfähige Mädchen mit jungen Männern verheiratet werden, deren Stand dem ihren entspricht – und der Mitgift, die sie mitbringen. Mein Vater hat bereits einen angemessenen Partner für dich in Aussicht, aber ich habe mich seinem Vorschlag widersetzt.«

»Danke.«

»Warum dankst du mir?«

»Weil ich nicht heiraten möchte, niemals.«

»Aber die Ehe gehört doch zum natürlichen Verlauf eines menschlichen Lebens.«

»Es gibt keinen natürlichen Verlauf eines menschlichen Lebens. Jeder Mensch ist dazu verdammt, in der Falle seines eigenen Schicksals gefangen zu sein.«

»Niemand ist dazu verdammt. Das Schicksal läßt sich wenden. Jeder Mensch hat die Freiheit, die Bedingungen seiner Existenz zu verändern.«

»Dann sind wir uns einig. Ich habe die Freiheit, niemals zu heiraten.«

»Nicht einmal mich?«

»Bitte macht Euch nicht über mich lustig. Wenn es der Wunsch Eures Vaters ist, dann verlasse ich sofort Euer Haus und hole den Kaufmann auf seiner Handelsreise noch ein.«

»Niemand wünscht, daß du dieses Haus verläßt, und ich mache mich nicht über dich lustig. In dem Augenblick, als du auf dem Sklavenmarkt das erstemal dein Gesicht zu mir erhoben hast, war ich von Liebe zu dir erfüllt. Seither hat mich dein Bild nicht verlassen, Tag und Nacht, aber ich habe gewartet, bis du zur Frau herangewachsen bist, ehe ich dir davon spreche. Mehr noch, ich habe mich meinem Vater widersetzt und eine Heirat ausgeschlagen, die er seit langem für mich plant.«

»Das hättet Ihr nicht tun sollen. Ihr müßt heiraten, Meister, heiraten, da dies der ›natürliche Verlauf eines menschlichen Lebens‹ ist.«

»Ich weigere mich, eine Frau zu heiraten, die ich nicht liebe.«

»Ich glaube, ich weiß nicht genau, was Liebe ist. Aber wenn es bedeutet, daß Ihr Euch in irgendeiner Weise um mich sorgt, dann bitte heiratet mich nicht.«

»Aber ich würde dich zu einer überaus glücklichen, geehrten und reichen Frau machen.«

»Zu dem Preis, daß Ihr mich als Eigentum habt, von meinem Körper Besitz ergreift und damit macht, was Ihr wollt.«

Die eiskalte Bitterkeit ihrer Entgegnung zwang Da'ud, noch heftiger zu reagieren.

»Unsinn! Du sprichst von primitiver Lust. Was ich dir anbiete, ist ehrliche, aufrichtige und andauernde Liebe. Die körperliche Vereinigung von zwei Menschen, die einander lieben, eine Vereinigung, die von Gott und der Natur so bestimmt ist, ist die größte Wonne, die der Herr seinen Geschöpfen geschenkt hat, eine Erfahrung, die sich mit keiner anderen vergleichen läßt. Das Leben eines Mannes oder einer Frau ist ohne sie nicht vollkommen.«

»Ihr sprecht mit der gewandten Zunge eines Gelehrten, aber Eure süßen Worte können die Wirklichkeit nicht verwandeln. Und jetzt, können wir bitte mit den Pflanzen weitermachen? Es ist schon bald Zeit, den Tisch für das Mittagessen zu decken.«

Da'ud war nicht willens, sie weiter zu drängen, und ließ die Sache auf sich beruhen.

Von Woche zu Woche gediehen die Pflanzen auf dem Fensterbrett besser, wurden üppig grün, wuchsen gerade und glänzten, als pflegte sie eine liebende Hand. Gegen Ende des Sommers stellte Da'ud eines Tages beim Erwachen fest, daß eine herrliche tiefrosa Blüte aufgegangen war, beinahe über Nacht an der Spitze einer der stacheligen Pflanzen erschienen war. Die Blütenblätter entfalteten sich um einen strahlend gelben Mittelpunkt. Als er Sari über den Innenhof laufen sah, rief Da'ud ihr aufgeregt zu: »Sari, komm schnell, sieh nur!«

Beim Anblick der herrlich leuchtenden Blüte, die aus einer so feindseligen Pflanze gewachsen war, sah er sie zum erstenmal lächeln. Ihre schmalen, mädchenhaften Finger liebkosten zart die zerbrechlichen Blütenblätter, und während sie ihm einen raschen Blick zuwarf, verriet das blitzende Meerblau ihrer Augen zumindest einen zaghaften Anschein von Freude.

»Siehst du, Sari, das ist der natürliche Verlauf des Lebens. Sogar die ausgedorrtesten, unscheinbarsten Lebewesen finden, wenn man sie richtig pflegt, ihre Blütezeit, ihren Augenblick der Freude und zeugen neues Leben. Wenn du zuließest, daß ich dich hege und pflege, so wie du diese zarten Pflanzen gehegt und gepflegt hast, dann würdest auch du erblühen und über alle deine Vorstellungen hinaus glücklich werden. Du sagst, du weißt nicht, was Liebe ist, aber ohne etwas, das der Liebe zumindest ähnelt, ohne die sorgsame Pflege, die du diesen zarten Pflanzen hast angedeihen lassen, hätten sie nicht überlebt und wären nicht so erblüht.«

»Aber es sind keine Menschen. Sie bitten um nichts, sie verlangen keine Opfer.«

»Ich glaube nicht, daß die Liebe zwischen Mann und Frau Opfer verlangt. Vielmehr bedeutet sie, daß man alle Erfahrungen des Lebens miteinander teilt, seine Freuden ebenso wie seine Schmerzen und Sorgen.«

»Eure Worte sind schöner als alle, die ich je gehört habe, aber sie können die Wirklichkeit im Leben der Frauen nicht verschleiern, die ihre Körper dem blinden tierischen Instinkt der Männer unterwerfen müssen, gegen deren Kraft sie machtlos sind.«

»Sie werden nur unterworfen, wenn keine Liebe im Spiel ist, sind nur gegen brutale Tiere wehrlos. Sari, was du auch immer erlebt oder in deiner Kindheit mitgemacht hast, du darfst deswegen nicht auf alle herrlichen Geschenke des Lebens verzichten, die zum Greifen nah vor dir liegen. Für jede Unze Böses, das in der Welt ist, gibt es ein gleiches Maß an Gutem, für jede Last der Traurigkeit eine gleich große Freude. Gott hat uns die Kraft geschenkt, das eine zu ertragen, und die Sehnsucht, das andere zu genießen, jeder nach seinen Neigungen. Was muß ich noch tun, um dir dies zu beweisen?«

»Zeigt mir, was Liebe ist. Liebt mich, ohne mich zu besitzen.«

Eine Pflanze ohne Blüte, seufzte Da'ud in seinem Herzen. Aber bei allem, was ihm heilig war, schwor er, diese Pflanze zum Blühen zu bringen.

Die Eheschließung wurde im engsten Familienkreis begangen. Nur die Rabbis und die Richter der jüdischen Gemeinde, ihre führenden Mitglieder und besten Gelehrten sowie einige enge Freunde waren zugegen. Nicolas kam, und Abd ar-Rahman schickte einen Abgesandten mit prächtigen Geschenken: für den jungen Haushalt ein Dutzend goldener Teller, die herrlich ziseliert waren, für Da'ud einen seidenen Mantel, dessen Ärmel und Kragen mit Goldbrokat gesäumt waren, in den man den Namen des Kalifen eingewebt hatte, und für die Braut einen silbernen Gürtel, der über und über mit Saphiren besetzt war – um das Blau ihrer meerblauen Augen zu verstärken, schrieb er in einem Gedicht, das er für sie verfaßt hatte. Das auserlesene Geschenk lag in einem eigens dafür angefertigten Elfenbeinkästchen, in das dem Anlaß entsprechend Paare von Vögeln und Menschen inmitten des üppigen Laubes des Lebensbaumes geschnitzt waren.

In ihrem unvergleichlichen Stil gelang es den Ibn Yatoms wieder einmal, durch die gewählte zurückhaltende Form dieser Feier ihren Ruhm noch zu mehren. Die Ehre, die man den Eingeladenen zuteil werden ließ, erschien nur um so größer, weil sie zum kleinen Kreis der Privilegierten gehörten – und um so größer war auch die Begierde, zu dieser erlauchten Gesellschaft zu gehören … Aus Respekt vor dem Rang der Familie wurde keine einzige Frage zur Herkunft der wunderschönen Braut gestellt, kein Wort des Klatsches geäußert, keine Augenbraue hochgezogen. Im Gegenteil, dank des Beispiels, das Ya'kub gegeben hatte, als er großmütig eine Situation akzeptierte, gegen die er machtlos war, wurde Sari mit äußerster Höflichkeit behandelt, als habe man im Zweifel zu ihren Gunsten entschieden. Trotz ihrer Beklommenheit war sie tief bewegt von der Würde und Eleganz der Feier, von der Wärme, mit der man sie umgab, und von der Ehre, die man Ya'kub und Da'ud, ihrem Mann, erwies. Ihr Mann! Wie seltsam das klang, wie unwirklich es schien! Und doch hatte er seinen Anspruch erfüllt und ihr Schicksal gewendet – zumindest äußerlich. Und in ihrem Innersten? Das stand noch aus …