Выбрать главу

Ya'kub hatte dem Paar ein bescheidenes Haus überschrieben, das unweit seines eigenen Heims stand. Als persönliche Geste der Zuneigung zu ihrem Schützling hatte Sola das Haus renoviert und eingerichtet. In ihrer scheuen und bescheidenen Art hatte Sari ihre Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht, aber nichts an ihrem Benehmen ließ vermuten, daß für sie das Haus, das Symbol ihres neuen und ehrenwerten Standes, den Höhepunkt aller Lebenswünsche darstellte. Im Gegenteil, sie schien seltsam peinlich berührt, als verdiene sie es nicht.

Nachdem die ruhige Feier vorüber war, ging das junge Paar den kurzen Weg zum eigenen Heim in freundschaftlichem Schweigen. Im Innenhof blieben sie einen Augenblick stehen und zögerten, bis Da'ud seine Frau bei der Hand nahm und zu dem Teil des Hauses geleitete, der für sie reserviert war. Sie ließ sich führen, äußerte weder Widerspruch noch Zustimmung. Sie zog sich rasch aus, schlüpfte in das wunderschöne Nachthemd, das ihr Sola mit liebevoller Hand auf das Ehebett gebreitet hatte, und legte sich neben ihren Gatten. Langsam wandte sich Da'ud zu ihr und hob mit unendlich zarter Geste das Hemd, um die Schönheit ihres nackten Körpers zu betrachten. Sie zuckte unter seinem Blick unwillkürlich zusammen, bebte vor Furcht. Mit der gleichen Zartheit zog er das seidene Hemd wieder über sie, legte sich zurück und nahm ihre Hand locker in die seine.

»Du hast nichts zu befürchten, mein Liebling«, flüsterte er ihr tröstend zu. »Ich werde nichts tun, was dir Schaden zufügen könnte. Ich will dir nur zeigen, daß die Liebe die größte Wonne ist, die uns das Leben zu bieten hat, und ich will sie mit dir zusammen genießen. Mit dir und niemandem sonst. Du mußt mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich selbst nichts als tierische Begierden befriedigen würde, wenn ich eine Vereinigung erzwänge, deren Freuden du nicht teilst.«

»Ich würde dir gerne glauben, aber ich kann es nicht. Mir sind deine süßen und liebevollen Worte nichts als ein Köder, der mich sanft zurücklocken soll in … in …«

»In was?«

»In eine Vergangenheit, die ich vergessen möchte.«

»Was immer die Vergangenheit für dich birgt, du mußt es hinter dir lassen. Stelle dir vor, daß dein wirkliches Leben hier und heute beginnt. Denke dir, daß alles, was du in deiner Kindheit erlebt hast oder erleiden mußtest, nur eine Verirrung war. Von jetzt an sollst du allein das Vergnügen kennen, das sich aus dem natürlichen Lauf der Dinge ergibt und das aus der Liebe zwischen Mann und Frau entspringt. Ich liebe und verehre dich, ich will mit dir eins sein, wie Gott und die Natur es gefügt haben.«

»Ich verstehe nicht, was Liebe dieser Art sein soll – viel weniger noch, was Gott ist.«

»Mit der Zeit wirst du es verstehen. Laß mich dich jetzt küssen, und danach wollen wir in Frieden schlafen.«

Zart küßte er sie auf die Stirn, die Augen, die Wangen und streifte dann sanft ihre Lippen. Sie lag reglos da, mit weit aufgerissenen Augen, angespannt unter seiner leisen Berührung. Schließlich schlief er ein, und sie, erschöpft von den Anstrengungen des Tages, tat es ihm nach.

9

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom Tod des Ramiro von Leon in den Korridoren des alten Palastes in Córdoba. Sobald der Kalif aus der Medina Azahara in die Stadt zurückgekehrt war, wurde Da'ud zu ihm gerufen. Unbeweglich ruhte Abd ar-Rahman auf seiner vergoldeten Ottomane, schien sich Da'uds Anwesenheit gar nicht bewußt zu sein, so tief war er in Gedanken versunken, Gedanken über das Hinscheiden seines größten christlichen Widersachers, des Mannes, der ihn in der Schlacht von Simancas so sehr gedemütigt hatte – an dem er sich nun aber seinerseits nicht mehr rächen konnte. Als der Kalif die Augen hob und sich an seinen jüdischen Vertrauten wandte, war seine Sprache jedoch so entschlossen wie immer, legte er seine weiteren Pläne kristallklar dar. Die Beleidigung mußte gerächt werden, wenn nicht am Täter, dann an dessen Sohn, noch ehe Ordoño III. sich auf dem Thron seines Vaters einrichten konnte. Er selbst würde seine Truppen in die Schlacht führen.

»Ich brauche bis zur Morgendämmerung eine große Flasche des Großen Theriak«, bestimmte er. »Ihr werdet ihn mir persönlich bringen, allein. Mustapha wird Euch in Eurem Gemach bei der Bibliothek abholen und zu mir geleiten. Ich erinnere Euch noch einmal daran, daß Geheimhaltung das höchste Gebot ist.«

Da'ud verbeugte sich zur Zustimmung tief und schickte sich zum Gehen an, doch der Kalif erhob sich, richtete sich zu seiner ganzen Herrschergröße auf und gebot ihm mit einer Bewegung seiner juwelengeschmückten Hand Einhalt. »Vor dieser Tür warten meine militärischen Oberbefehlshaber und Wesire auf den Marschbefehl nach Leon. Ihr werdet also den Palast durch einen anderen Ausgang verlassen.« Ein leichtes Aufstampfen des Fußes, und schon erschien Mustapha in einer kleinen, niedrigen Tür, die kunstvoll in den Wandpaneelen verborgen war. »Führe Abu Suleiman nach draußen.«

Da'ud achtete sorgfältig auf das Labyrinth aus Durchgängen und Korridoren, durch das ihn der Eunuch geleitete, aber als er schließlich unter den unzähligen Säulen der Großen Moschee auftauchte, die sich Reihe um Reihe ringsum ihn her bis in die Unendlichkeit fortzusetzen schienen, bemerkte er, wie völlig – und wirkungsvoll – man ihn in die Irre geführt hatte. Mustapha verschwand und überließ es ihm, selbst den Weg aus dem schattigen Gebetshaus heraus zu finden. Er ging eilends nach Hause, wich voll beladenen Lasteseln aus, schritt über die Bettler hinweg, stieß um ein Haar mit den fliegenden Händlern zusammen, die auf der schmalen Gasse zum jüdischen Viertel ihrem Gewerbe nachgingen.

Als er in sein Arbeitszimmer trat, fand er dort Sari, die seine Pflanzen goß, ehe die Hitze des Tages so stark wurde, daß sie austrockneten. Er packte sie sanft von hinten bei der Schulter und küßte sie zart auf den Nacken, auf die Wange, Liebesbezeugungen, die sie hinzunehmen gelernt hatte. Sie schrak nicht mehr zusammen bei der leisesten Berührung, wie in den ersten Tagen ihrer Ehe. Sie hatte sich inzwischen an seine Anwesenheit in ihrer Nähe gewöhnt, reagierte manchmal sogar auf seine liebevolle Umarmung. Aber immer noch weigerte sie sich, ihm ihren Körper zu schenken. Mit einer Mischung aus Abscheu und Verachtung hatte sie viele Male mit angesehen, wie er neben ihr seinen süßlich riechenden Samen verströmte, war anscheinend völlig ungerührt von der Pein, die sie ihm bereitete. Er seinerseits hatte es sorgsam vermieden, sie zu drängen, obwohl er manchmal, wenn sie abends vor ihrem Heim im Innenhof beieinander saßen, auf Kinder zu sprechen kam.

»Kinder?« antwortete sie dann immer. »Warum? Warum sollte ich leiden, um sie zur Welt zu bringen, und dann mit ihnen leiden, wenn sie in einer Welt voller Leiden leben?«

»Sie sind nicht von vorne herein zum Leiden verurteilt.«

»Noch ist ihnen das Glück sicher. Aber bitte, Da'ud, wenn du dich so glühend nach einem Erben sehnst, dann nimm eine andere Frau, die dich körperlich befriedigt und deine Kinder zur Welt bringt. Ich will deinem Glück nicht im Weg stehen. Das hast du nicht verdient.«

»Niemand außer dir wird meine Kinder zur Welt bringen«, versicherte er ihr jedesmal, »wenn nicht jetzt, dann eben später, wann immer du es wünschst.«

Wenn er sie so betrachtete, wie sie den schlanken weißen Nacken über die glänzenden grünen Blätter der Pflänzchen beugte, die sie so wunderbar pflegte, dann fragte er sich, wann diese Zeit wohl kommen würde …