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Selbst als die Kunde vom triumphalen Sieg des Kalifen über Leon und Kastilien in Córdoba verkündet wurde, linderte das Da'uds Ängste nur unwesentlich. Als er jedoch mit eigenen Augen sah, wie Abd ar-Rahman im Triumph in den Palastbezirk einritt – unter schallendem Jubel, zum Klang schmetternder Trompeten und mit stolz wehenden scharlachroten und goldenen Bannern –, atmete er auf. Das Getümmel im Palast war so groß, seine Erleichterung über die wohlbehaltene Rückkehr des Kalifen so ungeheuerlich, daß Da'ud Nicolas vorschlug, die Arbeit für einen Tag ruhen zu lassen und sich den allgemeinen Freudenfeiern anzuschließen. In Wirklichkeit wollte er nur nach Hause eilen und mit Sari sein köstliches Gefühl der Befreiung teilen, nun, da die panische Angst von ihm gewichen war, die ihn seit Beginn des Feldzugs Tag und Nacht heimgesucht hatte. Er wollte gerade die Bibliothek verlassen, als Mustapha ins Zimmer gestürzt kam.

»Der Erhabene Kalif, der ruhmreiche Sieger und triumphale Eroberer, verlangt unverzüglich die Gegenwart von Abu Suleiman.«

Verblüfft über diese rasche Vorladung, unsicher, ob sie Böses oder Gutes verhieß, eilte Da'ud hinter Mustapha her. Geschwind schritt der Eunuch voran, diesmal nicht über verschlungene Umwege, sondern offen über den Innenhof des Palastes, der vor Menschen nur so wimmelte, durch den Vorhof und geradewegs in den Audienzsaal. Kaum war Da'ud eingetreten, da entließ Abd ar-Rahman die Würdenträger, die um ihn herumscharwenzelten, mit einer ungeduldigen Handbewegung. Als auch der letzte voller Bestürzung über diese zeitige Beendigung der Audienz verschwunden war, eilte der Kalif strahlend vor Freude über seinen Sieg auf Da'ud zu, um ihn zu begrüßen.

»Ich habe Euch sofort rufen lassen, weil Euer Anteil an diesem Sieg weit größer ist, als Euch bewußt ist«, erklärte er. »Erst jetzt kann ich Euch die Wahrheit enthüllen. Ich habe keine Sekunde gezweifelt, daß meine Feinde versuchen würden, mich in die Knie zu zwingen, indem sie die einzige schwache Stelle in meiner Verteidigung nutzten, nämlich meine tiefsitzende Angst vor dem Biß einer Natter, von der Ihr nichts wußtet. In der schändlichen Schlacht von Simancas waren meine Ärzte Zeugen dieser meiner Schwäche, die ihnen bis dahin verborgen geblieben war. Sie haben das Geheimnis verraten und mußten dieses Verbrechen mit dem Leben bezahlen.«

»Ihr meint die drei Köpfe, die Ihr mir an jenem Tage in der Medina Azahara gezeigt habt?«

Der Kalif nickte, ehe er fortfuhr. »Wie zu erwarten war, haben sie dieses Wissen an Abu Bakr weitergereicht, auf daß er es zu gegebener Stunde nutze. Aber dank Eurer Hilfe, mein junger und gelehrter Freund, scheiterte ihr abscheulicher Plan schmählich. Am Vorabend der Entscheidungsschlacht nahm ich als Schutzmaßnahme ein halbes Fläschchen des Großen Theriak zu mir, genau wie Ihr mir geraten hattet, und fiel in einen tiefen und ruhigen Schlaf. Um Mitternacht schüttelte mich Mustapha wach, bebend vor Angst. ›Eine Natter, eine Natter!‹ kreischte er, jedoch eine Sekunde zu spät. Sie hatte mich bereits gebissen. Doch verspürte ich keine Panik, keine Angst. In aller Ruhe und Gelassenheit nahm ich eine volle Dosis des Gegenmittels zu mir, ließ mir dann von Mustapha den Arm oberhalb des Bisses abbinden, das Gift aussaugen und die Salbe aus Bezoar auftragen. Dann wartete ich. Wartete auf das Fieber, auf die Schmerzen. Aber es geschah nichts. Absolut gar nichts. Eine Stunde, dann noch eine, und immer noch spürte ich keinerlei üble Wirkung. Also dankte ich Allah, rief seinen Segen auch auf Euch herab und schlief wieder ein. Im Morgengrauen erschien ich heil und gesund auf dem Schlachtfeld, zur äußersten Verwunderung Ordoños und seiner Hauptleute. In diesem entscheidenden Augenblick verloren sie alle den Kopf. Die Truppen, denen ihre Verwirrung nicht entging, scherten in Panik aus den Reihen aus, als unser Heer sich auf sie stürzte. Und sie bezogen die Prügel, die ihnen nach dem Massaker zustand, das sie in Simanca unter meinen Soldaten angerichtet hatten. Ich stehe also zweifach in Eurer Schuld, um meines Lebens und um meines Sieges willen.«

»Ihr erweist mir große Ehre, o Herrscher der Gläubigen, aber es ist eine Ehre, die ich wohl kaum verdiene. Es waren die Altvordern, die einst den Großen Theriak entdeckten, ich entriß ihn nur der Vergessenheit. Das einzige, das ich mir vielleicht als Verdienst anrechnen kann, ist mein Vorschlag, das Mittel auch vorbeugend einzusetzen. Die Tatsache, daß das Schlangengift bei Euch keinerlei Schäden hervorrief, könnte wohl darauf hindeuten, daß eine vorbeugende Wirkung besteht, denn obwohl der Große Theriak ein gutes Gegenmittel ist, ist es doch ungewöhnlich, daß das Opfer eines Natternbisses keinerlei Beschwerden verspürt. Ein Fall reicht jedoch nicht aus für eine allgemeine Schlußfolgerung. Was der einen Person nutzt, muß nicht unbedingt bei einer anderen die gleiche Wirkung zeigen.«

»Wenn es mich gerettet hat, so ist mir das Beweis genug. Aber auch jetzt darf kein Sterbenswörtchen über die Wiederentdeckung des Großen Theriak an die Öffentlichkeit dringen. Ich weiß«, fuhr der Kalif fort und hob, Einhalt gebietend, die Hand, »ich weiß, daß es Euer liebster und ehrgeizigster Wunsch ist, die gesamte Menschheit in den Genuß dieses Mittels zu bringen. Auch ich hege den gleichen Wunsch, aber seine Erfüllung muß warten bis nach meinem Tod. Niemals dürfen meine Feinde erfahren, wie ihr teuflischer Plan vereitelt wurde, damit sie nicht andere Wege ersinnen, mich zu beseitigen. Wenn die Welt so lange auf die Enthüllung dieses uralten Geheimnisses gewartet hat, so wird sie eben noch ein wenig länger warten müssen. Ihr seid noch jung und habt viele Jahre vor Euch, in denen Ihr den Ruhm genießen könnt, den Euch Eure Entdeckung bringen wird. Ich jedoch spüre die Last meiner Jahre schwer auf den Schultern und sehne mich danach, die Zeit, die mir noch verblieben ist, frei von der Furcht zu verleben, die mich seit meiner Kindheit verfolgt. Mir genügt es, nach meinem Tode als der Herrscher geehrt zu werden, unter dessen Herrschaft die uralte Formel wiederentdeckt wurde. Ihr müßt in meiner Nähe bleiben, Abu Suleiman. Ihr habt mein Leben in Händen gehalten und mich nicht enttäuscht. Ich brauche Euch jetzt und werde Euch mit der Zeit immer mehr brauchen.

Doch nun zu praktischen Angelegenheiten. Da dieser Sieg auch der Eure ist, möchte ich mit Euch die Bedingungen für die Kapitulation Ordoños besprechen. Binnen kürzester Zeit wird er um Frieden bitten, und wir müssen darauf vorbereitet sein, damit wir ihm unsere Bedingungen aufzwingen können, ehe er zuviel Zeit hat, sich von seiner Niederlage zu erholen. Wir müssen entscheiden, wie viele Festungen er uns übergeben muß und welche das sein sollen, müssen die Höhe des jährlichen Tributes festlegen, den er uns zu entrichten hat, und die Höhe des Lösegeldes für die Gefangenen, die wir gemacht haben …«

»Ich denke, Ihr wäret gut beraten, wenn Ihr Eure spanischen Feinde mit Großmut behandelt, um sie nicht zu Racheakten anzustacheln. Frieden an den Grenzen im Norden ist unerläßlich, damit Ihr die Angriffe der Fatimiden auf Eure Ländereien im Norden Afrikas zurückschlagen könnt.«

»Diese finsteren barbarischen Festungen sind mir nicht so wichtig wie das Geld der Christen. Ich brauche vor allem Geld, um einen großen Feldzug gegen al-Mu'izz und seine berberischen Verbündeten in Algerien zu führen. Wir reden morgen noch einmal darüber. Nun muß ich mich in die Medina Azahara begeben, wo meine kleine Zahra schon auf mich wartet – le repos du guerrier, mein Freund. Oh, ich glaube, ich habe Euch noch nicht berichtet, daß sie über meine erneuerte Manneskraft entzückt war, die zu großen Teilen auf Eure Anweisungen zurückgeht.«