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»Ich bin nicht sicher, daß Worte allein ausreichen werden. Wir wollen einen Augenblick über diese nie vorher dagewesene Situation nachdenken. Allein für sich genommen, reicht das petit mal nicht aus, um eine Frau vom Schlage Königin Todas zu bewegen, ihren Erzfeind um Hilfe zu bitten. Letztendlich steckt hinter ihrem Wunsch nach Sanchos Heilung der ehrgeizige Plan, er möge dann wieder in der Lage sein, Leon zu regieren. Doch um ihn zurück auf den Thron zu setzen, braucht sie eine Streitmacht, die ihr in Navarra völlig fehlt. Solltet Ihr Euch bereit erklären, Ihr in gewisser Weise militärisch beizustehen, könntet Ihr sicher sein, daß Leon völlig von Euch abhängig ist, sobald Sancho den Thron wieder besteigt. Wenn ich Eure Erlaubnis hätte, anklingen zu lassen, daß derartige Hilfe geleistet werden könnte, dann könnte ich sie vielleicht davon überzeugen, daß Sancho mit mir nach Córdoba kommen darf.«

»Ihr argumentiert gut, wie immer, aber Ihr rückt die Sache in ein völlig anderes Licht. Wenn es zusätzlich um militärische Hilfeleistung geht, so muß ich meine ›Verbündete‹ persönlich treffen und die Bedingungen einer solchen Zusammenarbeit in allen Einzelheiten mit ihr besprechen. Wichtiger noch: als die wahre Macht hinter dem jungen Sancho, dem zukünftigen König von Leon, muß mir Toda deutlich zeigen, daß sie sich mir unterwirft.«

»Sie ist eine sehr stolze und schwierige Frau.«

»Ich verlasse mich auf Eure Überredungskünste. Überzeugt sie davon, ihren kranken Enkel an unseren Hof zu begleiten.«

12

Obwohl das Wetter in den ersten Frühlingsmonaten des Jahres 958 recht mild war, erhob sich Da'ud steif und fröstelnd von dem harten Lager, auf dem er die Nacht verbracht hatte. Die Feuchtigkeit, die der rauhe graue Stein der Burg von Pamplona aufgesogen hatte, war ihm bis in die Knochen gedrungen, eine Feuchtigkeit, die im sanften Klima Córdobas völlig unbekannt war. Da man ihm nichts als einen Krug kalten Wassers gebracht hatte, wusch er sich nur flüchtig, legte dann sein schlichtes Gewand und das schwere, mit Juwelen besetzte Goldmedaillon an, das er auf Abd ar-Rahmans ausdrücklichen Wunsch bei solchen Gelegenheiten trug – »um meine christlichen Feinde mit dem Reichtum und der Macht des Kalifen zu beeindrucken, dessen Gesandter Ihr seid.«

Immer noch fröstelnd, betrat Da'ud den unwirtlichen großen Saal der Festung, dessen einzige Zierde ein einfaches Holzkreuz war, das über dem leeren Kamin an der Wand hing. Jemand schob ihm ein mageres Frühstück, bestehend aus dunklem Brot und Ziegenmilch, hin, und man bedeutete ihm grob, er solle noch warten. Während die Zeit verflog, verspürte Da'ud, wie sein Zorn wuchs. Er war es gewohnt, mit größerer Höflichkeit behandelt zu werden. Gerade überlegte er, ob er nicht in der kühlen Morgensonne einen Spaziergang um die Wälle machen sollte, als er auf der Wendeltreppe, die zum Saal führte, schwere Schritte vernahm. Einen Augenblick später kam Toda auf ihn zugeeilt.

»Endlich lernen wir uns kennen, Meister Da'ud«, meinte sie und musterte ihn unverhohlen, während sie ihren Umhang in dem massiven Silbergürtel zurechtzog. »Ihr seid das also, der damals von Sanchos Halbbruder, dem verstorbenen und viel beweinten Ordoño III. einen solch hohen Tribut erpreßt habt.«

»Sehr wohl, Madam, aber ich habe ihm seine Festungen gelassen.«

»Jämmerliche Entschädigung«, knurrte Toda. Nachdem sie einen Krug Bier heruntergestürzt hatte, den ihr ein übellauniger Diener gereicht hatte, kam sie zum Thema, ohne die höflichen Eingangsfloskeln zu beachten, die im arabischen Handel üblich waren. »Wenn Ihr ein ebenso geschickter Arzt wie Verhandlungsführer seid, dann sollte mein Enkelsohn Sancho in kürzester Zeit geheilt sein. Aber ich warne Euch, ich habe bereits jeden Arzt konsultiert, der in der gesamten Christenheit diesen Namen verdient. Wenn Ihr also keine Behandlung zu bieten habt, die diese Herren nicht kennen, dann sagt dies besser gleich und geht zu Euren Mauren nach Córdoba zurück.«

Obwohl Da'ud dergleichen von der furchteinflößenden Toda erwartete hatte, war er doch schockiert über ihr unverhohlen rüdes Verhalten. Wie immer hatte er sich jedoch meisterlich in der Gewalt und antwortete mit ruhigen und gemessenen Worten. »Ehe ich Seine Majestät nicht gesehen habe, bin ich nicht in der Lage, zu beurteilen, welche Behandlung hier nötig wäre.«

»Ich habe Euren Herrscher bereits in Kenntnis gesetzt, daß Sancho am petit mal leidet.«

»Das ist nicht ausreichend, Madam. Ein Patient ist eine komplexe Person, nicht nur das Opfer einer einzelnen Krankheit.«

»Soll ich die Schüsseln für einen Aderlaß vorbereiten lassen?«

»Das wird nicht nötig sein.«

»Ihr wollt ihn nicht zur Ader lassen? All die anderen haben das getan.«

»Aber es ist keinem von ihnen gelungen, ihn zu heilen«, konterte Da'ud trocken. Allmählich verlor er die Geduld mit der überheblichen Königin.

»Sancho wird in Kürze hier eintreffen. Er hat die Angewohnheit, lange zu schlafen.«

»Ist seine Mutter auch hier in der Burg?«

»Teresa? Nein, sie ist in den Bergen, wo sie hingehört, überwacht die Viehherden der Familie. Zu mehr taugt sie nicht, dieses hirnlose, rückgratlose Kind. Keine Courage für das Schlachtfeld, kein Händchen für Intrigen.«

»Aber gesund?«

»Wie ein Schlachtroß, wie ihre Mutter.«

»Und Euer Sohn, König Garcia von Navarra?«

»Die gleiche zähe Rasse. Er ist auf der Jagd und kommt erst in einigen Tagen zurück.«

»Also müßt Ihr hier sozusagen die Festung halten?«

»Daran ist nichts Ungewöhnliches. Das mache ich schon von Jugend an, und mit großem Erfolg. Juan!« brüllte sie plötzlich los. »Geh und wecke Seine Majestät König Sancho und sage ihm, er soll sich unverzüglich zu uns gesellen. Und dann bestelle dem Verpflegungsmeister, daß er ihm hier auftragen soll.«

Als Sancho in den Saal geschlurft kam, rieb er sich noch den Schlaf aus den Augen, kleinen, tief eingesunkenen Schlitzen in den dicken, unnatürlich geröteten Wangen. Er beachtete Da'ud gar nicht und steuerte geradewegs auf den Tisch zu, auf dem man ungeheure Mengen Essen aufgetürmt hatte. Er begann mit seiner Leibspeise, einer riesigen, goldbraunen Wildpastete, ging dann über zu Hühnerschlegeln, Eiern und Leberpastetchen, gefolgt von viel Brot und Käse und einem halben Dutzend süßer Leckereien, die vor Öl und Honig nur so trieften. Mit einem Krug Bier in der stämmigen Faust kam er langsam zu dem Arzt herübergeschlendert, ein dümmliches sattes Grinsen auf dem Mondgesicht. Da'ud verbeugte sich kurz vor seiner Majestät König Sancho, dem abgesetzten Herrscher von Leon, doch seine Ehrbezeugung wurde nur mit mürrischer Feindseligkeit beantwortet. Ungeduldig, jedoch keineswegs verstört, wurde sich Da'ud darüber klar, daß er die Situation in die Hand nehmen mußte.

»Sire«, begann er mit strenger Förmlichkeit, »ich bin auf die Bitte Eurer Großmutter ins Königreich von Navarra gereist. Es ist ihr Wunsch, daß ich Euch in jeder möglichen Weise dabei unterstütze, Eure Gesundheit wiederzuerlangen. Ich möchte Euch respektvoll ersuchen, meine gegenwärtige Rolle von der Funktion zu trennen, die ich während der Verhandlungen zwischen meinem Herrscher und Eurem Halbbruder, dem verstorbenen Ordoño III. im Auftrage meines Kalifen erfüllte. Heute stelle ich mich Euch untertänig in meiner Eigenschaft als Hofarzt von Abd ar-Rahman III. vor, und meine einzige Sorge ist, Euch von dem Gebrechen zu heilen, an dem Ihr leidet.«

»Und was werdet Ihr oder der Kalif oder beide von mir im Gegenzug erpressen?«

»Wir wollen einen Schritt nach dem anderen machen, Sire. Ehe ich nicht eine Heilung bewirkt habe, kann von Entlohnung keine Rede sein. Falls ich Erfolg habe, werden wir die Situation von neuem bedenken, im Lichte der dann herrschenden Umstände.«

Von Da'uds höfischen, geschliffenen Manieren ein wenig eingeschüchtert, nickte Toda stumm.