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Seltsam, überlegte er, als er vom Pferd stieg und mit raschen Schritten durch den Wald ging, der in zartem Frühlingsgrün prangte, seltsam, wie sein jugendlicher Ehrgeiz, sich ganz dem Studium der Medizin hinzugeben, in völlig andere Bahnen gelenkt worden war, wo er sein Wissen und seine Person zu politischen Zwecken einsetzte. Wie weit er sich doch von dem Einsiedler entfernt hatte, der damals auf dem Totenbett gelegen hatte, von dem alten Wächter in der Bibliothek mit den schmerzenden Gelenken und von den anderen unbekannten Patienten, die er in einer inzwischen weit zurückliegenden Vergangenheit behandelt hatte. Und doch war er nicht unzufrieden mit dem Lauf seines Lebens. Man hatte ihn mit Ehrungen und Wohlstand überhäuft, und wenn er das Vertrauen des Kalifen nicht mißbrauchte, war seine Stellung bei Hofe gesichert, ungeachtet des Mißtrauens, mit dem die Imams diese enge Verbindung zwischen ihm, dem Juden und dhimmi, und seinem muselmanischen Herrn beäugten.

Nur ein Bereich seines Lebens war noch immer dunkel umwölkt, der einzige Bereich, in dem die Eigenschaften, die ihm Größe gebracht hatten – sein Scharfblick und seine Gelehrsamkeit, seine Weisheit, sein Verständnis und seine bemerkenswerte Überredungsgabe – völlig versagt hatten. Acht Jahre waren seit seiner Hochzeit mit Sari vergangen, und doch entzog sie sich ihm noch immer. Zunächst hatte ihre Weigerung, ihn in ihr Bett zu lassen, sein Verlangen nach ihr noch verstärkt, seine Entschlossenheit, das Unerreichbare zu erreichen, noch gesteigert, hatte ihn angestachelt, alle möglichen Wege zu beschreiten, um ihre körperliche Abneigung gegen ihn zu überwinden. Aber all seine Bemühungen waren ohne Erfolg geblieben, und mit wachsender Verzweiflung über sein Versagen nahm auch seine Hoffnung ab, daß er je die leidenschaftliche Beziehung zu ihr würde aufbauen können, nach der er sich so sehnte. Und was war mit einem Erben für die edle Familientradition, die er begründete? Sollte der Reichtum an Wissen, an Erfahrung, an Ehre und Auszeichnungen, den er sich nach und nach zusammentrug, mit ihm begraben werden? Die Zeit war gekommen, an die Wahrung dieser Errungenschaften zu denken. Sobald er mit seinem königlichen Schutzbefohlenen nach Córdoba zurückgekehrt war, würde er Sari klar und deutlich an ihre Pflichten erinnern …

»Wir müssen sie beeindrucken und demütigen.«

»Vielmehr beeindrucken und ehren.«

»Dieses alte Schlachtroß und ihren lächerlichen Möchtegern-König ehren?«

»Ja, und Ihr müßt Euch großmütig zeigen, o Herrscher der Gläubigen. Toda ist eine mächtige und zu allem entschlossene Frau, in der Zukunft de facto die wahre Herrscherin von Leon und Kastilien, zusätzlich zu ihrem Einfluß auf Navarra. Aber sie besitzt auch einen klaren und ungeheuer praktischen Verstand. Ihr gewinnt nichts, wenn Ihr Euch ihren Zorn zuzieht und sie zu Rachegelüsten anspornt. Es ist beschämend genug für sie, daß sie gezwungen ist, Euch um Hilfe zu bitten, es nutzt nichts, sie noch Staub fressen zu lassen. Ein königlicher Empfang in der Medina Azahara im herrlichsten Stil der Omaijaden, glänzender und zivilisierter als alles, was sie je erlebt hat, das beweist Eure Macht eindrucksvoller als alle Beleidigungen, die es darauf anlegen, sie zu demütigen. Eine Ehrengarde mit seidenen Bannern soll den Zug ihres Gefolges durch die luftigen Innenhöfe und zierlichen Portale des Alkazars bis zum großen Empfangsaal säumen, wo Ihr sie im Kreis all Eurer Wesire erwartet. Ihr werdet Euch mit Toda und ihrem Enkelsohn in den Gärten und zwischen den Brunnen ergehen, ihnen Wein und herrliche Köstlichkeiten anbieten. Und Geschenke sollen gemacht werden, wie es Tradition ist, Ehrengewänder und edle Vollblutpferde mit juwelenbesetztem Zaumzeug. Indem Ihr Toda mit fürstlicher Gnade und königlicher Großzügigkeit behandelt, werdet Ihr sie sowohl mit Dankbarkeit als auch mit Bewunderung erfüllen, und folglich wird sie eher bereit sein, in Eure Forderungen einzuwilligen.«

Abd ar-Rahman spielte mit seinem riesigen Smaragdring, drehte ihn hin und her, bis das Licht sich in allen Facetten widerspiegelte, während er Da'uds Worte überdachte.

»Aber Ihr zäumt das Pferd vom Schwanz auf, mein gelehrter Freund. Was mir Sorgen bereitet, ist die Kur. Alles hängt vom Heilerfolg ab. Ist er wirklich möglich?«

»Weitaus leichter, als Ihr oder sie denken. Bei jungen Leuten verschwindet das petit mal gewöhnlich in der Pubertät, wenn die Körpersäfte trockener werden. Sancho ist spät herangereift und hat noch nie bei einer Frau gelegen.«

»Wie ungewöhnlich!« murmelte Abd ar-Rahman, der sich keinen Prinzen vorstellen konnte, der mit siebzehn Jahren noch ›Jungfrau‹ war.

»Dies ist eine Situation, die ich zu ändern gedenke. Zusätzlich werde ich meinen königlichen Patienten allmählich an einen Tagesplan mit körperlicher Bewegung und einer geregelten Ernährung gewöhnen, der sowohl seine Epilepsie kurieren wie auch sein Gewicht verringern soll. Sobald sich eine sichtbare Verbesserung seines Zustandes zeigt, können die Verhandlungen über die Bedingungen Eurer Teilnahme an dem Feldzug zu seiner Wiedereinsetzung als König beginnen.«

»Ihr wollt diese Festungen, die Ihr damals auf mein Geheiß dem Ordoño überlassen mußtet, nicht wahr?«

»Ich halte sie immer noch für unverzichtbar, um die Ruhe an Eurer nördlichen Grenze zu wahren.«

»Was sonst könnten wir gewinnen, zusätzlich zu dem üblichen hohen Tribut?«

»Die Unterstützung von Navarra.«

»Aber Todas Streitmacht ist so gut wie ausgelöscht.«

»Sie ist groß genug, um in Kastilien ein Ablenkungsmanöver zu veranstalten und die Truppen von Fernan Gonzales zu beschäftigen, während der Hauptangriff auf Leon fortschreitet. Mit dieser Strategie ist der Erfolg des Feldzugs gesichert.«

»Aber wird sich Toda damit einverstanden erklären?«

»Ich glaube, dafür kann ich mich verbürgen, vorausgesetzt, sie und ihr Gefolge werden während ihres Aufenthaltes hier mit der ihnen gebührenden Ehre und mit Respekt behandelt.«

»Das sagtet Ihr bereits«, bemerkte der Kalif spitz. »Aber bedenkt, wie absurd Euer Rat ist. Angenommen, ich erkläre mich bereit, diesen Empfang zu Ehren der christlichen Fürsten zu geben. Wie soll ich meine hochnäsigen muslimischen Höflinge hindern, sich über den fetten, impotenten und epileptischen Prinzen lustig zu machen, dem sie wieder auf seinen Thron verhelfen sollen? Angenommen, er purzelt auf dem Weg durch den Alkazar vom Pferd?«

»Wir sorgen dafür, daß er in einer mit Vorhängen verhüllten Sänfte getragen wird.«

»Und was ist, wenn er sich während des Festes ohnmächtig frißt?«

Ein kleines Leuchten blitzte in Da'uds stillen Augen auf, ehe er mit vollem Ernst fortfuhr: »Eine der möglichen Ehrungen, die der mächtige Herrscher der Gläubigen dem jungen Sancho zukommen lassen könnte, wäre vielleicht ein Besuch in Eurem Harem? Wenn wir ihm zuvor ein mildes Aphrodisiakum verabreichen, können wir wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß wir ihn während der Festlichkeiten nicht allzu lange zu Gesicht bekommen.«

»Ihr seid unschlagbar, Abu Suleiman«, lächelte der Kalif, und die Belustigung über diesen Gedanken spielte ihm um die Mundwinkel. »Es ist höchste Zeit, daß all die wunderschönen Frauen, die sich in meinem Harem verzehren, eine Möglichkeit bekommen, ihre Talente unter Beweis zu stellen. Was für ein Vergnügen wird es ihnen bereiten, ihn mit ihren Künsten und Kunststücken zu reizen, ihn hierhin zu rollen und dorthin zu wälzen. Er wird nicht einmal merken, wie sie sich über ihn lustig machen! Und übrigens, da wir beim Thema sind, was ist mit diesen kraftvollen Liebestränken, von denen Ihr mir vor Jahren gesprochen habt? Obwohl ich inzwischen ein alter Mann bin, steht mir doch noch der Sinn nach den Freuden des Fleisches, aber ich möchte vor meiner liebreizenden Zahra nicht geschwächt erscheinen.«