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»Woher wißt Ihr das?«

»Ein geschickter Arzt merkt das, wenn er den Bauch nur mit der Fingerspitze berührt. Ihr werdet Euch nach einem Einlauf besser fühlen, der all die überflüssigen Schlacken und Gase, die Euren Körper jetzt so schmerzhaft aufblähen, aus Euren Eingeweiden entfernen wird. Danach nehmt Ihr ein warmes Bad, trinkt einen Tee aus beruhigenden Kräutern und ruht bis zum Morgen aus.« Da'ud wandte sich dem Kalifen zu und fuhr fort: »Es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Morgen ist Euer Sohn wieder gesund. Wenn man seinen täglichen Speiseplan ein wenig überwacht, sollte sich dieses Unwohlsein nicht mehr allzu häufig wiederholen. Als Euer Arzt möchte ich vorschlagen, daß auch Ihr Euch jetzt ein wenig Ruhe gönnt. Sorgen und Ängste könnten Eurem allgemeinen Gesundheitszustand nur abträglich sein.«

»Ich kann jetzt nicht ruhen. Ich bin zu aufgewühlt. Ein Ritt zur Medina Azahara wird meine Erregung besänftigen, und Zahra meine unruhige Seele.«

»In meiner Eigenschaft als Euer Leibarzt würde ich Euch, wiederum mit allem Respekt, raten, hierzubleiben und Euch ein wenig Ruhe zu gönnen.«

»Ich danke Euch für Euren Rat, aber es gibt Zeiten, in denen ein Patient besser als sein Arzt weiß, was gut für ihn ist.«

Als der Kalif gegangen war, verabreichte Da'ud rasch seinem Sohn und Erben den Einlauf und wartete geduldig auf dessen Wirkung. Danach saß er neben dem Patienten, bis dieser sich von dem Aufruhr erholt hatte, den der Einlauf in seinem Körper hervorgerufen hatte.

»Nun«, begann er, nachdem der Prinz sich ein wenig ausgeruht hatte, »was bedrückt Euch?«

Al-Hakam zuckte die Achseln. »Nichts Besonderes«, antwortete er, nicht gerade gewillt, seine innersten Gefühle zu offenbaren.

»Eine gewisse Unruhe bei dem Gedanken, daß Ihr die Aufgaben Eures Vaters übernehmen müßt, wenn die Zeit gekommen ist?«

»Ihr seid ein weiser und aufmerksamer Beobachter, Abu Suleiman.«

»Ich habe Euch beobachtet, wie Ihr vom Jüngling zum Mann herangereift seid, habe Eure häufigen Besuche in der Bibliothek bemerkt, wenn Eure Kameraden mit den Falken auf der Jagd waren oder ihre Fechtkünste vervollkommneten. Euer Hang zu den spirituellen Dingen, weniger zu den materiellen ist mir nicht verborgen geblieben. Eure Besorgnis angesichts der Verantwortung, die Ihr als Herrscher übernehmen müßt, ist aber unbegründet. Euer Vater hat so regiert, daß die Sicherheit und der Wohlstand seines Reiches und seine Verwaltung auf viele Jahre gesichert sind. Das Gebäude steht fest. Ihr müßt es nur pflegen.«

»Mit Eurer getreuen Hilfe und Eurem weisen Rat wird mir dies sicherlich gelingen.«

»Eure natürliche Intelligenz und die Bildung, die Ihr Euch so eifrig erarbeitet habt, machen Euch in bewundernswerter Weise für diese Aufgabe geeignet, aber wenn dies Euer Wunsch ist, so will ich Euch so treu dienen, wie ich Eurem Vater gedient habe. Jetzt aber müßt Ihr Euren Geist und Euren Körper entspannen. Laßt alle Spannung von Euch fließen, wenn Ihr im Bad liegt, und schlaft dann bis zum Morgen. Mit Eurer Erlaubnis verabschiede ich mich nun.«

»Nein. Bleibt noch ein wenig. Laßt uns über die Zukunft sprechen. Es ist mein glühender Wunsch, den Ruhm von Córdoba zu solchen Höhen zu erheben, daß es mit dem Glanz von Bagdad wetteifern kann. Die Große Moschee muß vergrößert und üppig ausgeschmückt werden, mit sich hoch aufschwingenden Bögen und glitzernden Mosaiken. Und ich träume von einer Bibliothek, die zehnmal größer ist als die heutige, mit Exemplaren jedes Werkes, das seit der Antike verfaßt wurde. Wir werden eine ganze Schule von Übersetzern um uns versammeln, die uns alles Wissen, alle Gedanken und Vorstellungen zugänglich machen, die die Menschheit seit der frühesten Geschichte gekannt hat.«

»Und wir müssen ein Hospital und eine medizinische Schule einrichten, die in der Qualität ihrer Behandlung und ihrer Lehre selbst die von Bagdad übertreffen«, erwiderte Da'ud mit eifriger Stimme.

»Nichts würde mir größeres Vergnügen bereiten. Wir sprechen wieder darüber, wenn die Zeit reif ist. Ich nehme jetzt mein Bad. Ihr habt meine Erlaubnis, Euch zurückzuziehen.«

16

Die wahren Umstände vom Tod Abd ar-Rahmans III. wurden nie bekannt. Mustapha entfernte sofort alle Spuren des Öls, das er in das Glied seines Herren massiert hatte, ehe sich der Kalif in die Umarmung seiner geliebten Zahra, des einzigen Objektes seiner Begierde in seinen späten Jahren, gestürzt hatte. Gemeinsam mit ihr hatte er dann den Leichnam seines Herrn in den Vorhof des Harems gebracht und ihn dort so hingelegt, daß es schien, als sei er auf dem Weg zu seiner Lieblingskonkubine zusammengebrochen und gestorben. Peinlich berührt, hatten die Hofärzte seine Version vom Tod des Kalifen bestätigt, hatten keinerlei Bedürfnis gehabt, die Angelegenheit näher zu untersuchen … Die Nachricht kam für Da'ud nicht überraschend. Abd ar-Rahman hatte lange gespürt, daß sein Ende nahte, und wenn er in den Armen der Frau gestorben war, die er liebte, so war das der süßeste Tod, den er sich hätte wünschen können.

Völlig gebrochen, weigerte sich sein Erbe, al-Hakam II. al-Mustansir, Da'ud während der folgenden Tage von seiner Seite zu lassen, weder beim Empfang für die unzähligen Menschen, die erschienen, um ihn in seiner Trauer zu trösten, noch bei den Festlichkeiten, mit denen man seine Übernahme des Titels eines Kalifen und Herrschers der Gläubigen feierte. Gereizt beschwerte er sich bei Da'ud über die seiner Meinung nach ungerechtfertigten Freudenbezeugungen und erhielt von diesem nur den schwachen Trost, derlei Kundgebungen seien wichtig, um seinen Ruhm zu mehren und seine Untertanen zu treuen Diensten zu verpflichten. Al-Hakam fühlte sich sichtlich unwohl inmitten all der Festlichkeiten, machte in seinen königlichen Roben eine schüchterne, in sich gekehrte Figur und fand, daß die farbenfrohen Verzierungen, die den Palast schmückten, ihn in den Augen schmerzten, erlebte die wirbelnden, fröhlichen Reitervorführungen als ermüdendes Spektakel, das üppige Festmahl als ungehörig. Nur die blumigen Lobgesänge, die ihm zu Ehren von den größten Dichtern des Reiches vorgetragen wurden, die herrlichen Metaphern, die kunstfertigen und strengen Reime bereiteten ihm ein wenig Vergnügen. Und die klagende Musik, die von den besten Musikern aus Sevilla noch bis spät in die laue andalusische Nacht hinein gespielt und gesungen wurde, verschmolz mit seiner Melancholie.

Während Da'ud den neuen Herrscher von al-Andalus die Woche hindurch beobachtete, wurde ihm klar, daß seine Verpflichtungen bei Hofe sich schon bald grundlegend ändern würden. Unter Abd ar-Rahman war er ein getreuer Diener gewesen, hatte bestimmte Aufgaben erfüllt, für die seine Begabungen und seine Ausbildung unverzichtbar waren, aber nur Rat erteilt, wenn man ihn in Angelegenheiten, die er zu beurteilen in der Lage war, darum ersucht hatte. Im Gegensatz dazu sah al-Hakam in ihm eindeutig eine lebenswichtige Stütze seiner Herrschaft. Er forderte seine ständige Anwesenheit, suchte seinen Rat in einer Vielzahl von Fragen, die mit der Regierung des Reiches verknüpft waren. Diese Rolle gefiel Da'ud gar nicht, denn sie verstieß gegen die traditionelle Zurückhaltung seiner Familie gegenüber dem Herrscherhaus. An jeder Wegbiegung würde er nun den hinterlistigen Intrigen der neidischen muselmanischen Höflinge ausgesetzt sein. Jeden Augenblick mußte er wach und auf der Hut sein. Und doch würde seine Zukunft – nein, vielmehr sein Leben – auf dem Spiel stehen, wenn er seinen Schwur, dem Oberherren treu zu dienen, zurücknähme. Wieder einmal saß er in der Falle, war Gefangener einer ausweglosen Situation. Ab jetzt würde ständig eine verdeckte Drohung über ihm, seiner Familie und der ganzen jüdischen Gemeinde schweben. Eines war ihm klar: Er mußte unverzüglich für das Weiterbestehen des Hauses Ibn Yatom sorgen.