Sobald die Festlichkeiten vorüber waren, rief al-Hakam seine Ingenieure und Architekten zusammen, um mit ihnen die Erweiterung und Ausschmückung der großen Moschee von Córdoba zu besprechen, die er schon lange plante. Da'ud nutzte diesen Spielraum, um an einem frühen Morgen einen Besuch in der Talmud- und Thoraschule abzustatten. Der Anblick, der sich ihm bot, während er unbeobachtet beim Eingang zum Innenhof stand, zerstreute alle Zweifel, die er noch gehegt hatte. Da stand Djamila, und eine Schar von kleinen Kindern wuselte um sie herum. Sie nahm sie spielerisch bei den Händen, um ihnen an dem Brunnen aus grob behauenen Steinplatten, der mitten im Innenhof stand, Gesicht und Hände zu waschen. Dann schickte sie die Kleinen mit einem leichten Klaps auf das Hinterteil ins Haus, wo ihr Vater seine Schar erwartete, um ihnen die ersten Grundlagen der Sprache ihrer Vorväter beizubringen. Als das letzte Kind verschwunden war, trat Da'ud ins Sonnenlicht, um Djamila zu begrüßen.
Mit koketter Hast stopfte Djamila ihre in Unordnung geratenen Gewänder in den Gürtel und strich sich das Haar zurück, das ihr ins Gesicht gefallen war, als sie mit den Kindern herumtobte. Erst dann verneigte sie sich respektvoll vor dem erlauchten Besucher.
Mit höfischer Eleganz beschwichtigte Da'ud sie. »Ich gratuliere Euch zu der Arbeit, die Ihr hier leistet. Euer Vater betrachtet sie als Eure Pflicht, aber es scheint mir, daß Ihr auch großes Vergnügen daran habt. Ihr habt eine natürliche Begabung für den Umgang mit Kindern, eine Lebhaftigkeit, die sie begeistert und ihr Vertrauen gewinnt.«
»Ich fühle mich selbst wieder wie ein Kind, wenn ich sie zufrieden lachen sehe.«
»Ihr tut ihnen einen größeren Dienst, als Ihr wißt. Wenn sie im Leben auf Schwierigkeiten stoßen, und gewiß liegen viele vor ihnen, dann sind diese Augenblicke sorglosen Glücks kostbare Erinnerungen, auf die sie gerne zurückblicken werden.«
»Ihr erweist mir mehr Ehre, als ich verdiene.«
»Im Gegenteil. Nicht mehr, als Euch zusteht. Ich selbst bin, wie Ihr wißt, kinderlos. Ich sehne mich nach dem Klang solch unschuldiger Fröhlichkeit in der Stille meines Heimes.«
Bahya ibn Kashkil hatte im Hof Stimmen gehört und kam nach draußen, um festzustellen, wer der frühe Besucher war. »Welchem Umstand verdanken wir diese unerwartete Ehre?« erkundigte er sich überrascht bei Da'ud, während er sich respektvoll näherte und ihm die Hand küßte.
»Ich möchte eine persönliche Angelegenheit mit Euch besprechen. Vielleicht könnte Djamila auf die Kinder aufpassen, während wir reden?«
Als das Mädchen im Klassenzimmer verschwunden war, kam Da'ud gleich zur Sache, wollte sie schnell hinter sich bringen. »Es ist in der jüdischen Gemeinde von Córdoba kein Geheimnis, daß ich kinderlos bin, obwohl ich schon seit über zehn Jahren mit meiner geliebten Ehefrau Sari verheiratet bin. Ich selbst bin über vierzig Jahre alt und kann nicht mehr länger warten, daß der Herr ein Wunder tut wie bei Avraham und Sarah, unseren heiligen Ahnen. Deine Tochter Djamila gefällt mir. Sie ist jung, gesund und kräftig, besitzt einen Lebenshunger und Elan, der mich anrührt. Aber vor allem hat sie eine natürliche Kinderliebe. Das hat mich dazu bewegt, heute mit Euch zu sprechen. Ich möchte jedoch eines klar sagen. Ich werde meine erste Frau Sari nie verstoßen, denn ich liebe sie mit einer tiefen und andauernden Liebe. Was ich von Euch erbitten möchte, ist Eure Zustimmung, daß ich Eure Tochter als meine zweite Frau und Mutter meiner Kinder zu mir nehmen kann, vorausgesetzt, sie ist selbst damit einverstanden.«
Bahya ibn Kashkil war wie vom Donner gerührt. Der große Da'ud ibn Yatom bat um die Hand von Djamila, der Tochter eines verarmten – wenn auch belesenen – Bauern aus einem obskuren marokkanischen Dorf? Selbst Gott hätte er kein solches Wunder abverlangen mögen! Wenn nur seine liebe Frau Aisha noch am Leben wäre, um dies zu sehen! Und doch: war es richtig, taumelten seine Gedanken durch die Verwirrung seines konventionell denkenden Hirns, daß ein so Großer sich mit einer so Niedrigen verband? Würden die, die groß und mächtig geboren waren, sie nicht ständig wegen ihrer niedrigen Herkunft demütigen? Plötzlich schallte ihm die Stimme seiner verstorbenen Frau in den Ohren: »Wach auf, du Kürbiskopf! Djamila ist meine so gut wie deine Tochter, und sie ist allemal so viel wert wie die Großen und Mächtigen und ganz und gar in der Lage, sich unter ihnen zu behaupten. Wie sonst hätte sie die Aufmerksamkeit von Da'ud ibn Yatom erregen können? Gib ihr eine Chance im Leben! Sie ist Frau genug, das Beste daraus zu machen.«
Als spräche jemand anderer an seiner Stelle, hörte sich Bahya stammeln: »Aber ich kann ihr keine Mitgift geben.« In dem Augenblick, als die Worte ausgesprochen waren, war ihm klar, wie absurd sie waren, und doch schämte er sich nicht seines rechtmäßigen Wunsches, seine Tochter in aller Würde zu verheiraten. »Wir besprechen die Vereinbarungen ein andermal«, erwiderte Da'ud feierlich, sorgsam darauf bedacht, den Stolz seines zukünftigen Schwiegervaters nicht zu verletzen. »Darf ich daraus schließen, daß Ihr meinen Antrag gutheißt?«
»Die Ehre, die Ihr uns erweist, ist so ungeheuerlich, so unerwartet, daß ich keine Worte habe, meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.«
»Ich nehme sie so, wie Ihr sie sprecht. Wenn Ihr jetzt so gut wärt, zu Eurer Klasse zurückzugehen, so würde ich gerne mit Djamila sprechen und ihr Herz zu gewinnen versuchen.« Jetzt, da er sich dieser Situation, die er bewußt herbeigeführt hatte, unmittelbar gegenüber sah, war Da'ud sehr unbehaglich zumute. Beim Anblick von Djamila, die eifrig mit langen, freien Schritten auf ihn zu kam, schien alle Würde, die ihm Rang und Position verliehen, von ihm zu weichen wie der schmelzende Schnee vor der Berührung des Frühlings, und er stand verletzlich und schutzlos vor dieser starken, lebensfrohen jungen Frau, die über zwanzig Jahre jünger war als er. Wie alt mußte er ihr erscheinen, und was für eine Jammergestalt mußte er abgeben, mehr als einen halben Kopf kleiner als sie, zart gebaut neben ihrer kräftigen Gestalt, von brauner Hautfarbe, wo die ihre rosig war, als hätte die rote Erde ihres Heimatdorfes ihre Spuren hinterlassen.
Er wandte ihr den Rücken zu, um seine Verwirrung zu verbergen, ging langsam über den Hof in die entfernteste Ecke, suchte verzweifelt nach Worten, die seine Absichten mit der gebotenen Zartheit zum Ausdruck bringen würden. Aber Djamila übertölpelte ihn.
»Vater sagt mir, Ihr wollt mich heiraten«, platzte sie heraus, und Freude schwang in ihrer Stimme mit.
Erstaunt über ihren Mut, den ersten Schritt zu machen, fuhr Da'ud herum, um ihr ins Gesicht zu sehen, und ein Funken der Anerkennung blitzte in seinen ruhigen, dunklen Augen auf.
»Und dein strahlendes Lächeln sagt mir, daß du mein Angebot annimmst«, erwiderte er und lächelte mit ausgesuchtem Charme zurück.
»Wer würde das nicht?« antwortete sie freudig, warf ihm die Arme um den Hals und küßte ihn mit einem sinnlichen Beben auf den Mund. »Aber warum ich?« fragte sie mit entwaffnender Offenheit und trat einen Schritt von ihm zurück. »Warum nicht eine der Töchter aus den großen jüdischen Familien, wie es deinem Stande angemessen wäre?«
Reue traf Da'uds Herz. Wie sollte er diesem unschuldigen Geschöpf erklären, wie zynisch er ihre Armut und ihren Ehrgeiz für seine Zwecke ausnutzen wollte? Wie ihr sagen, daß die Töchter aus den großen jüdischen Familien es sich nicht gefallen lassen würden, an die zweite Stelle zu treten, daß sie sich seiner ersten Frau, der ehemaligen Sklavin, nicht unterordnen würden, die in seinem Haushalt für immer die Vorrangstellung hatte?
»Wie ich schon deinem Vater gesagt habe, gefällt mir deine jugendliche Lebhaftigkeit und dein Hunger nach Leben, und deine Kinderliebe ergänzt sich wunderbar mit meinem dringenden Wunsch, Kinder zu zeugen.«
Die Wahrheit lag in dem, was nicht gesagt wurde, im Fehlen einer Liebeserklärung, die er beim besten Wissen und Gewissen nicht hervorbringen konnte. »Sari, meine Frau, die mir sehr lieb ist, ist eine sanfte und stille Seele. Ich bin sicher, du wirst in Frieden und Eintracht mit ihr leben.«