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»Feinde? Wie könnte ein so milder und zurückhaltender Mann wie Ihr Feinde haben?« rief Djamila aus.

»Jeder Mann von einigen Fähigkeiten hat Feinde, sobald er seinen Fuß in die Stadt Córdoba setzt. Seine bloße Existenz gefährdet den Status, den Einfluß oder den Ruf irgendeines anderen. In meinem Fall kommt die Feindseligkeit von Seiten der Gelehrten, aber deswegen ist sie um nichts weniger boshaft. Fragt Euren Vater, wenn Ihr ihn das nächste Mal besucht. Er kann Euch das besser erklären als ich«, schloß Menahem knapp und beugte den Kopf mit entschiedener Miene über die Papiere, zum Zeichen, daß er das Gespräch für beendet hielt.

Djamila ging mit raschen Schritten zum Wassergarten zurück. Ihr einziges Bestreben war, vor den Augen der Dienerschaft die Verwirrung zu verbergen, die Menahems Liebeserklärung in ihr gestiftet hatte.

»Komm«, rief sie Amira zu, die ihre Murmeln am Rand des Wasserlaufs entlangrollte, »wir gehen doch noch deinen Kanarienvogel kaufen.« Mit einer schwungvollen Bewegung packte sie ihre Tochter bei der Hand und zog sie mit sich. Die beiden gesellten sich zu den Städtern, die aus allen Richtungen zum Marktplatz strömten. Obwohl ihr sonst das Gedränge und der Lärm mißfielen, stellte Djamila fest, daß sich in der Anonymität der Menge ihre Verwirrung hervorragend verbergen ließ. Wer hätte gedacht, daß in diesem nichtssagenden, wenig ansehnlichen Körper eine so empfindsame Seele hauste? überlegte sie verwundert, während sie sich an einem staubbedeckten Esel vorbeidrückte, dessen Sattelkörbe voller strahlend bunter Frühlingsblumen waren. Daß er die ganze Zeit über davon geträumt hatte, sie und Amira aus ihrem jetzigen Leben zu erlösen? Und doch war das vielleicht nicht so überraschend. Wenn ein Mann sich so ausschließlich einer Aufgabe widmen konnte, an die er mit glühendem Herzen glaubte, warum sollte er dann nicht fähig sein, denen, die er liebte, ähnliche Hingabe zu zeigen? Wie wunderbar das Gefühl sein mußte, so zu lieben und geliebt zu werden, wie Da'ud Sari liebte und sie ihn. Sie hatte das nie erfahren … Es stimmte, und Menahem hatte es selbst mit entwaffnender Offenheit gesagt: er war kein Mann, in den sich ein junges Mädchen Hals über Kopf verliebte. Doch hatte er so viel Verständnis für das Menschenherz, was ihr weit kostbarer schien als alle oberflächlichen, noch so bezaubernden Hofmanieren Da'uds. Wie seltsam es wäre, überlegte sie weiter, wenn es durch irgendeinen unwahrscheinlichen Lauf der Ereignisse ausgerechnet ihr zufallen sollte, Menahem in der Kunst der Liebe zu unterweisen, in die Da'ud sie mit solchem Geschick eingeführt hatte? Absurd, lächelte sie traurig vor sich hin, als sie diesen Gedanken verwarf, denn obwohl in ihr eine gewisse Wärme aufflackerte, weil sie merkte, daß sie geliebt wurde, fühlte sie doch kaum mehr als vages Mitleid mit diesem ehrenwerten Mann, dessen Liebe sie nicht erwidern konnte.

Aber sie würde ihren Vater nach denen fragen, die er seine Feinde genannt hatte, um herauszufinden, ob es sie wirklich gab oder ob sie nur das Hirngespinst eines Mannes waren, der einen Groll gegen seinen Herrn hegte und gegen alles, für das dieser stand. So in Gedanken versunken, kaufte Djamila nach kaum einer Sekunde Feilschen für Amira den buntesten, rundlichsten, teuersten Kanarienvogel auf dem Markt zusammen mit einem schönen Käfig aus Schmiedeeisen. Fröhlich kehrten die beiden nach Hause zurück und hängten den Vogel gegenüber von Hais Papagei an die Wand. Der kreischte immer noch »Ayi! Ayi!«

23

Wo ist Amira? Sie ist doch hoffentlich nicht krank?« fragte Bahya ibn Kashkil besorgt, als er seiner Tochter spät an einem Sabbatnachmittag die Tür zu seinem bescheidenen Heim öffnete.

»Sie war fest eingeschlafen, als ich das Haus verließ, und ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie zu wecken«, log Djamila. Das Gespräch, das sie mit ihrem Vater führen wollte, war für Kinderohren nicht geeignet …

Bahya nickte enttäuscht. Er stellte nicht in Frage, daß das Wohlergehen der Jugend wichtiger war als das Glück der Alten, aber wenn diese Jungen eine Vorstellung hätten, wie groß die Freude war, die ihre fröhliche, unschuldige, lichterfüllte Gegenwart in das verebbende Leben der Älteren brachte, wie gern würden sie dann auf ein wenig Schlaf verzichten, um ihnen dieses ungeheure Vergnügen zu bereiten … Aber davon sagte er kein Wort zu seiner Tochter. Um nichts auf der Welt wollte er mit nutzlosen Vorwürfen das Vergnügen trüben, das ihm ihre kurze Anwesenheit schenkte.

»Also, meine Liebe«, begann er, goß ihr einen Becher Wein ein und bot ihr ein paar trockene Kekse an, die er auf einen alten Zinnteller gelegt hatte. Der Teller war zwar verbeult, doch eines der wenigen Besitztümer, das er aus seinem früheren Zuhause mitgebracht hatte. Heute beschwor sein Anblick in Djamila eine schwindelerregende Welle des Heimwehs herauf, die sie mit aller Gewalt unterdrücken mußte. »Wie geht es zu Hause, jetzt da der Herr nicht bei Euch weilt?«

»Wie immer. Da'ud ist so mit seinen vielen öffentlichen Pflichten beschäftigt, daß ich ihn auch dann kaum sehe, wenn er in der Stadt ist. Ich hatte gehofft, daß sein neuer Sekretär ihn ein wenig entlasten würde, aber das scheint nicht der Fall zu sein.«

»Das überrascht mich nicht. Menahem ist eine viel zu umstrittene Persönlichkeit, als daß Da'ud ihm große Verantwortung für die Angelegenheiten der Gemeinde abtreten könnte.«

»Umstritten? Ein so zurückhaltender, bescheidener Mann?«

»Das ist er nur dem äußeren Schein nach, fürchte ich. Auf seinem Arbeitsgebiet hat er sehr ausgeprägte Meinungen, die er ohne Zögern verteidigt. Er hat sich stets kritisch darüber geäußert, daß unsere Dichter arabische Themen und Metren in die hebräische Verskunst übernehmen. Erst kürzlich ist es bei einem Treffen von Literaten zum offenen Disput gekommen, als Saul ben Hayyuj ein neues Gedicht vortrug, in dem er ein Weinfest pries, das in einem herrlichen Frühlingsgarten abgehalten wurde. Äußerst erbost griff Menahem vor der versammelten Gesellschaft Saul offen an, und es waren, wie ich höre, auch ein, zwei arabische Dichter anwesend, die Saul oft besucht.

›Es ist höchst unmoralisch‹, hat Menahem wohl erklärt, ›ein solches Vergnügen zu besingen, während das Heilige Land in den Händen der Fremdlinge ist und der Tempel in Ruinen liegt. Mehr noch, der Weingenuß lenkt die Männer vom Studium der Bibel, unseres geheiligten Erbes, ab. Diese Sitte ist mit unserer Tradition nicht vereinbar.‹

Saul ignorierte den Zwischenfall, denn das reichliche Lob, das seine Zuhörer ihm spendeten, wog bei weitem diese Einzelstimme auf, die sich gegen ihn erhoben hatte. Ich nehme an, er wollte Menahems Kritik auch keine zu große Bedeutung verleihen, indem er sie öffentlich zurückwies. Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Da Saul nun einmal ein stolzer und arroganter Mann ist, der über beträchtliche Mittel verfügt, beschloß er, sich auf weit subtilere Weise zu rächen. Seit jenem Abend verbreitet er das Gerücht, das Lexikon, an dem Menahem arbeitet, sei kaum mehr als eine Kopie der Werke aus der Schule des Saadiah Gaon in Babylonien und der einzige Unterschied läge darin, daß Menahem sich stur weigere, irgendeinen Vergleich zwischen der hebräischen und der arabischen Sprache zuzulassen. Noch erlaube er uns den Gebrauch arabischer Wörter oder grammatikalischer Prinzipien zur Erklärung. Also müsse er hebräische Entsprechungen für bestimmte arabische Ausdrücke erfinden, die außer ihm selbst niemand verstehen könne. Doch das ist nicht Sauls einzige Waffe. Man sagt, er ermutige inzwischen einen seiner jungen Studenten, zu beweisen, daß die hebräischen Wortstämme nicht aus einem, zwei, drei oder manchmal sogar mehr Buchstaben bestehen, wie Menahem mit großen Mühen beweisen will, sondern daß sie nach einer allgemeinen Regel immer drei Buchstaben enthalten.«