Das Ergebnis war ein triumphaler Sieg. Habbus führte seine Truppen ins Herz von Sevilla, gab ihnen freie Hand, nach Herzenslust zu plündern, zu rauben und alles in Schutt und Asche zu legen. Als letzten spektakulären Beweis ihrer Überlegenheit ließen sie die Vorstadt Triana in Flammen aufgehen, die glühend rot in den Nachthimmel loderten und den Guadalquivir in einen Höllenfluß verwandelten, als die brennenden Trümmer in die finsteren Wasser stürzten.
Nach Granada zurückgekehrt, hielt Habbus sein Versprechen. Mit allem nötigen Pomp verlieh er Abu Musa – Amram ben Hai ibn Yatom – den ruhmreichen Titel eines Wesirs. Seine Bewunderung für den jüdischen Berater stand ihm auf das ledrige, sonnenverbrannte Gesicht geschrieben, als er ihm den juwelengeschmückten Turban auf den Kopf setzte und den Brokatumhang mit der Goldborte, die Insignien seines hohen Ranges, um die Schultern legte.
Leonora war entzückt. Liebevoll streichelte sie den Turban, hielt das goldene Tuch zart an die Wange, bedeckte dann den Mann, der zu solchem Ruhm aufgestiegen war, mit unzähligen Küssen und liebte ihn leidenschaftlich bis zum frühen Morgen.
Doch bei dem großen Bankett, das im Palast zur Feier des Sieges gegeben wurde, überraschte Amram die in üppige Gewänder gekleidete versammelte Gesellschaft damit, daß er wieder in dem schlichten dunklen Gewand erschien, das er immer getragen hatte. Sobald Habbus ihn erblickte, kam er mit großen Schritten auf ihn zu.
»Warum tragt Ihr nicht den Umhang und den Turban, den ich Euch als Zeichen für Euren ehrenwerten Status und für meine persönliche Wertschätzung verliehen habe?« feuerte er seine Frage auf den jüdischen Wesir ab.
»Es ist eine alte Familientradition, o Schwert des Königtums«, erwiderte Amram bescheiden und um Entschuldigung heischend. »Mein erhabener Großvater Abu Da'ud ben Ya'kub ibn Yatom hat meine Familie zu einer gewissen Bescheidenheit im Auftreten verpflichtet, die wir über die Generationen hinweg treu bewahrt haben.«
»Sehr seltsam, aber für mich völlig unwichtig«, murmelte Habbus und tat die Erklärung mit einer Handbewegung ab. »Ich befehle Euch, bei derlei offiziellen Anlässen und wann immer Ihr dazu berufen seid, mich zu vertreten, das vollständige Gewand Eures Amtes zu tragen.«
Amram warf sich zum Zeichen des Gehorsams vor seinem Herrscher zu Boden und verspürte eine leichte Unruhe im Herzen. Das Gefühl war ihm neu, aber als Habbus fortfuhr, seine Wertschätzung auch noch mit einer weiteren fürstlichen Geste auszudrücken, wuchs sein Unbehagen.
»Unter den Frauen meines Harems«, sagte der König, »ist eine Verwandte des Kalifen, der in Málaga regiert, ein süßes, liebes Mädchen, rührend in seiner Unschuld. Im Namen des Hauses der Hammudiden hat sie den Wunsch geäußert, Euch ein persönliches Zeichen ihrer Wertschätzung gewähren zu dürfen, als Dank für Euren ungeheuren Beitrag zu unserem gemeinsamen Sieg. Sie hat ihre Bitte so leidenschaftlich vorgetragen, daß ich ihr diesen Wunsch erfüllen mußte. Sie erwartet Euch nach dem Empfang. Die Eunuchen haben die Anweisung, Euch zu ihrem Gemach zu geleiten.«
Amrams ungutes Gefühl verwandelte sich in beinahe panische Angst. Solch große Ehre … solche fürstlichen Gesten … es war schwindelerregend, und Schwindelgefühle waren gefährlich. Je steiler der Aufstieg, desto plötzlicher konnte der Fall sein … Das Wesen der Männer barg keine Geheimnisse mehr für ihn, aber über das Wesen der Kurtisanen wußte er nur sehr wenig. Und wenn solche Frauen noch mit Herrscherhäusern verwandt waren, so konnte derlei Unwissenheit gefährlich werden. Sein ständiger Kampf, sich einen Weg durch die wechselnden Bündnisse der rivalisierenden kleinen Taifa-Königreiche zu suchen, war ohnehin schon gefährlich genug, auch ohne die komplizierten Machenschaften von Frauen. Heute waren Granada und Málaga Verbündete. Aber morgen? Ein in der köstlichen Wärme und Intimität des Bettes in aller Unschuld gesprochenes Wort, das instinktive Verlangen, sich einer Frau anzuvertrauen, bei der man alle Hemmungen abgelegt und mit der man sich vereinigt hatte, das konnte ihn letztlich zu Fall bringen. Doch würde er den Stolz der Dame empfindlich verletzen, wenn er ihr Angebot verschmähte, würde sich ihren ewigen Zorn zuziehen, was schließlich genau auf das gleiche hinauslief. Wie sollte er durch die trügerischen Untiefen steuern, in die ihn die steigende Flut seines Erfolges geschwemmt hatte? fragte er sich, als er sich zum Dank für die königliche Gunst, die man ihm gewährt hatte, vor Habbus verneigte.
So schlicht auch die Gewölbekammer war, in der ihn Rasmia erwartete, sie hatte es geschafft, ihr eine Atmosphäre zu verleihen, die keinen Zweifel an ihren Absichten ließ. Aus einem schwelenden, matt bronzenen Weihrauchgefäß strömte Moschusduft, Unmengen frischer Blumen standen überall, um das Auge zu erfreuen und die Luft mit süßem Duft zu erfüllen. Durch das offene Fenster drangen die pochenden Rhythmen eines klagenden, mit sinnlicher Trägheit gespielten andalusischen Liebesliedes. Obwohl er sich diesem schönen Schein auf jeden Fall entziehen wollte, regte sich Amrams Blut, als sich Rasmia von ihrem Diwan erhob und mit einem Rascheln der Robe aus Seidenmusselin, in den ihre winzige Gestalt gehüllt war, mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam.
»Endlich!« rief sie, und ihre großen goldenen Augen strahlten vor Bewunderung, als sie den Kopf hob und ihn ansah. »Man sagt, Ihr seid der klügste Stratege, der beste Dichter und der größte Geldeintreiber in ganz al-Andalus. Aber niemand spricht von der gewaltigen Kraft, die Ihr ausstrahlt, von der unerschrockenen Zielstrebigkeit, auf die Euer festes Kinn deutet, von dem wachen Blick, der unter Eurer klaren, breiten Stirn leuchtet. Eure Lippen sind vielleicht ein wenig schmal«, flüsterte sie, während sie mit dem Finger darüber strich, »aber wenn sie erst einmal andere Lippen berührt haben, werden sie sich sicherlich entspannen.«
Galant nahm Amram die Hand, die so leicht und verführerisch über seinen Mund streichelte, küßte die Handfläche, umfaßte sie dann mit seinen beiden starken Händen. »Ich fühle mich von der Ehre, die Ihr mir erweist, außerordentlich geschmeichelt. Aber es ziemt sich nicht, daß eine Frau von Eurem hohen Stand ihre Gunst einem Mann meines bescheidenen Ranges schenkt.«
Rasmia begann silberhell zu lachen, und ihre kleine, wohlgerundete Gestalt, die ihm kaum bis zur Schulter reichte, streifte ihn verführerisch. »Laßt das nur meine Sorge sein.«
»Nein, geehrte Dame, ich, ein Mann mit Erfahrung, muß es beurteilen. Ihr gehört der königlichen Familie der Hammudiden an, einem Zweiggeschlecht der Omaijaden, dem der Titel, wenn auch nicht die Macht der Kalifen vererbt wurde. Aber sie bleibt eine muslimische Dynastie, ob sie sich nun entscheidet, diesen Glauben zu achten oder zu verachten. Ich bin nur ein einfacher Mann, kein Sprößling einer Dynastie, kein Prinz mit Ländereien, sondern ein Mitglied der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Wenn Ihr es mit dem Lob, das Ihr auf mein Haupt häuft, ernst meint, so müßt Ihr Euch von dem einzigen Gut leiten lassen, das ich mein eigen nennen kann, von meiner Weisheit und meiner Menschenkenntnis. So wie Öl und Wasser sich nicht vermischen, so wäre eine intime Verbindung zwischen Euch und mir eine fatale mésalliance, dazu verdammt, uns beiden Unglück zu bringen. Ihr seid ein zu wunderbares Geschöpf, als daß ich es mir erlauben dürfte, Euch Schmerzen und Leid zuzufügen.«
»Aber meine Sehnsucht nach Euch, jetzt, da ich Euch zu Gesicht bekommen habe und habe reden hören, wird mir auch eine Quelle unendlichen Schmerzes sein.«