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»Wenn Eure Gefühle aufrichtig sind, so werdet Ihr Trost im Verzicht finden. Stellt Euch vor, wieviel größer Euer Leiden wäre, wenn Ihr mir durch die Befriedigung dieser Sehnsucht Schaden zugefügt hättet.«

»Ich werde Euch beschützen.«

»Wenn ich heute den Titel eines Wesirs trage, so nur deshalb, weil ich mich stets nur auf mich selbst verlassen habe, was meinen Schutz angeht.«

»Wie streng und unnachgiebig Ihr doch gegen mich – und Euch selbst – seid.«

»Es ist eine Einstellung, die sich bewährt hat. Wie sonst könnte ich heute bei Euch sein?«

Dieses Argument konnte Rasmia nicht entkräften. Still senkte sie den Kopf und wußte, daß sie geschlagen war – zumindest für den Augenblick.

»Es war ein seltenes Vergnügen, einige wenige Augenblicke in Eurer Gesellschaft zu verbringen«, sagte Amram, und ein kaum merklicher Hauch des Bedauerns blitzte in seinen Augen auf, als er auf ihre kleine, zarte Gestalt schaute. »Wäre ich nicht in das Haus Ibn Yatom geboren und Ihr nicht in das der Hammudiden, unser Schicksal hätte anders verlaufen können.«

Rasmia stiegen Tränen in die Augen, als sie ihm nachsah, Tränen der Enttäuschung, des Bedauerns, der Enttäuschung und des Selbstmitleids. Und doch, dachte sie, als sie traurig auf das schöne Gewand blickte, in das sie sich gehüllt hatte, und doch fühlte sie sich nicht in ihrem Stolz verletzt. Seine letzten Worte hatten etwas angedeutet, unter anderen Umständen hätte er sehr wohl auf ihre Liebe eingehen können. Mit der Zeit, vielleicht mit der Zeit …

Nachdenklich ritt Amram die Flanke des Albaicin hinab und über den Fluß in das schlummernde Judenviertel, vor den Augen das Bild von Rasmias kleiner, zarter Gestalt, die sich in seine Armbeuge schmiegte, die er streichelte und schützte wie ein verletzliches Kätzchen. Wie ungeheuer begehrenswert sie in ihrer kindlichen Art war, wie anders als seine zielstrebige, ehrgeizige Leonora, auf die er nun zuritt. Entschlossen vertrieb er das quälende Bild aus seinem Kopf und wandte seine Gedanken wieder der Freude zu, die er in den großen Augen seiner Frau würde aufleuchten sehen, wenn er die Säle der Mächtigen beschrieb, durch die er geschritten war, in getreuer Erfüllung des Versprechens, das er ihr gegeben hatte: ihr Ruhm und Herrlichkeit zu bringen. Zusammen würden sie über die Veränderungen reden, die seiner Erhebung in diesen hohen Stand folgen mußten. Man würde den Salon üppig mit goldenen und silbernen Gegenständen ausstatten, die Wände mit schimmernden Seidenteppichen behängen, damit er der erhabenen Besucher würdig wäre, die ihn nun mit ihrer Anwesenheit beehren würden. Der längst versprochene Balkon würde endlich gebaut werden. Und er würde seiner Frau kostbare Kleider kaufen, als Symbol ihres hohen Ranges. Als erster Jude, der in den Stand eines Wesirs erhoben wurde, mußte er trotz aller Familientradition diese Würde mit dem gebührenden Glanz und Pomp tragen. Wie glücklich würde Leonora darüber sein, wie verzückt würde sie in ihrer Leidenschaft sein, wenn sie sich liebten und sich ihr langer, schmaler Körper wollüstig um ihn schlang.

40

Ein Jahr war vergangen, und äußerst widerwillig verließ Amram Leonora, die inzwischen hochschwanger war. Er mußte an einer Versammlung der Würdenträger Granadas teilnehmen, die im Hause des Abu Ali stattfand. Viel lieber wollte er die kühlen, stillen Abende nur noch mit seiner Frau verbringen, sie dann, wenn sie müde war, zu Bett bringen, sich versichern, daß ihr Rücken gut abgestützt war, und die fruchtbare Wölbung ihres Leibes streicheln, ehe er sie zärtlich zur guten Nacht küßte.

Seit er in den Rang eines Wesirs erhoben war, hatte er viele solche Einladungen von den Berberprinzen und den andalusischen Beamten bekommen, die wie er eine gewisse Macht im wachsenden Königreich hatten. Zunächst war er ungeheuer stolz gewesen, daß ihm Gleichgestellte ihn akzeptierten, aber schon bald war der Reiz des Neuen verflogen. Obwohl sein Einfluß bei Hofe täglich wuchs und ihn seinen ehrgeizigen Zielen immer näher brachte, überfiel ihn doch, wenn er sich in diesen Kreisen bewegte, wieder das gleiche ungute Gefühl, das ihn beschlichen hatte, als Habbus ihm den Umhang des Wesirs um die Schultern legte. »Übe dich in Bescheidenheit, mein Sohn, übe dich in Bescheidenheit. Das ist der Preis für das Überleben.« Immer wieder erinnerte er sich an diese letzten Worte seines Vaters, immer wieder machten sie ihm deutlich, daß er mit der Tradition des Hauses Ibn Yatom gebrochen hatte. Zu Leonora sagte er davon kein Wort. Sie konnte ihm nicht helfen, denn es gab keinen Weg zurück. Als Wesir konnte er es sich nicht leisten, die Salons und Säulengänge der großen Häuser Granadas zu meiden, denn in deren Schatten wurden Intrigen geschmiedet, vertrauliche Gespräche belauscht. Auch das war ein Preis, den er zahlen mußte, um zu überleben.

Zu Leonoras Kummer – sie liebte es, ihn im vollen Ornat seines Amtes zu sehen – hatte er an diesem Abend nicht seinen golddurchwirkten Umhang umgelegt, denn es war kein offizieller Anlaß. Schlicht gekleidet bewegte er sich durch die glänzende Versammlung, hörte zu, stellte manchmal Fragen, ließ aber selten selbst etwas verlauten … Hinter einem feinen, durchbrochenen Wandschirm zupften Musiker in scharlachroten und gelben Roben mit Adlerfedern an ihren fünfsaitigen Harfen, doch heute klang ihm die Musik mit ihren starren Rhythmen schrill im Ohr. Er war erleichtert, als sie endlich verstummte, mußte dann aber einem der Gäste lauschen, der ein mittelmäßiges Gedicht zum Lob und Preis des ›Schwertes des Königtums‹ rezitierte. Als die Musiker erneut die Instrumente aufnahmen, spazierte Amram in den Garten hinaus, den die anderen Gäste verlassen hatten, sobald die Nacht kühl geworden war. Lustlos zerrieb er einen Zweig Jasminblüten zwischen den Handflächen und atmete den Duft tief ein. Das einzige Vergnügen für die Sinne am ganzen Abend, dachte er gerade übellaunig, als er Abu Alis vertraute Schritte hörte, die vom Haus her auf ihn zukamen.

»Ihr enthaltet uns heute abend Eure glänzende Gesellschaft vor«, bemerkte sein Gastgeber. »Bedrückt Euch etwas?«

»Eine zeitweilige Müdigkeit, mehr nicht. Meine Frau Leonora ist ihrer Zeit nahe, und ich sorge mich um sie.«

»Wie gut, daß Ihr trotzdem gekommen seid. Wie überaus wichtig, möchte ich sogar sagen.«

Amram verbarg das Gesicht in den zerdrückten Jasminblüten, während er darauf wartete, daß Abu Ali fortfuhr.

»Mein getreuer Freund, König Habbus hat gerade einen unerhörten Brief von Abu Dja'far Ahmad ibn Abbas, dem Wesir von Almeria, diesem eingebildeten jungen Emporkömmling, erhalten.«

»Ein großer Gelehrter und Literat«, bemerkte Amram und hob den Kopf.

»Darin stimme ich Euch gern zu, aber von einer maßlosen Selbstbezogenheit. Er mag mit seiner Abstammung von den Gefolgsleuten Mohammeds prahlen, aber das verleiht ihm noch lange nicht das Recht, diejenigen zu verachten, deren Mut auf dem Schlachtfeld ihnen die Oberhand über die Araber geschenkt hat, die sich als unfähig erwiesen haben, das eroberte Land in ihrer Gewalt zu halten. Es schmerzt ihn zutiefst, daß er einem ehemaligen Sklaven und Söldner dienen muß, und einem Eunuchen noch dazu. Und für uns Barbaren, die er als wilde Krieger ohne jegliche Bildung, Kultur und verfeinerte Sitten sieht, hat er nichts als offene Verachtung übrig. All das mag einmal wahr gewesen sein, aber die Zeiten ändern sich, und schon bald werden unsere Paläste es mit dem Glanz und Prunk der Omaijaden aus vergangenen Zeiten aufnehmen können. Da er weiß, daß er uns die Macht nicht entreißen kann, sucht er nun andere Opfer, an denen er sein Mütchen kühlen kann.«

Amram, äußerlich gefaßt, bereitete sich innerlich auf das vor, was nun folgen mußte.

»Sein jüngster Schachzug besteht darin, daß er sich als Verfechter des Islam ausgibt. In diesem Sinne hat er an uns geschrieben und verlangt, daß Euch, mein Freund, der Titel eines Wesirs aberkannt wird, da es gegen die Gesetze des Islam verstoße, wenn ein Jude Macht über Moslems ausübt.«