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Na, mit dem Runterkriegen war das denn später nich mehr so ein Problem, wo das denn erst mal wieder genug zu essen gab, und das hat ja noch lange gedauert, bis das mit die Marken vorbei war, aber wo man denn wieder einigermaßen was kaufen konnt, da war mir denn manchmal, als könnt ich gar nich mehr richtig satt werden. Uns ging das ja gut denn. Und Simon sagte immer,»Mann, was du essen kannst!«. Und das war ja nich bloß abends. Das hat man gar nich so gemerkt, was man da tagsüber in der LPG-Küche schon so weggefuttert hat. Die waren ja alle nich ohne da. Aber die Männer mochten das, Simon auch. Wenn da n bisschen was dran war. Das war nich so wie heute, diese Bohnenstangen. Die is doch nicht ganz richtig, Britta. Zählt nu schon ihrem eignen Kind die Happen in Mund, und früher warn wir froh, wenn wir unsern Kindern was geben konnten. Aber das hab ich ihr schon gesagt, Ella, dass sie sich da nich drauf einlassen soll, auf diesen Schlankheitsfimmel. Sie würd schon sehen, wer da nachher die Nase vorn hat.»Wobei?«, fragt sie doch glatt. Da hatt ich mich wohl bisschen vergaloppiert, weil ich nu erst merkte, dass sie da vielleicht noch n bisschen jung für is, weil sie da wohl noch gar nich dran denkt, an so was. Ich weiß nich, was Britta immer mit ihr hat, die hat doch gar keinen Grund, ich sag bloß, andre sind da ganz anders in dem Alter. Wink ich sie also son bisschen zu mir ran und sag ihr denn ins Ohr:»Na, beim Heiraten«, und nick ihr so zu. Da guckt sie mich ganz entgeistert an.»Oma! Ich heirat doch nich!«Siehst. Na, ich wollt auch erst nich. Das heißt, erst schon, bloß wie das denn so weit war, da wollt ich nich mehr. Aber da gewöhnt man sich auch dran. Bloß der Richtige muss das sein. Das muss nich der Schönste sein. Ich hab das ja bei dir gesehn, Anna. Gut sah er aus, dein Theo, das schon. Und gewundert hat mich das manchmal, das muss ich sagen, dass er dich genommen hat, wie er zurückkam. Wo du bloß noch ein Strich inne Landschaft warst, aber er war ja auch nich mehr. Bloß dass er sich ruckzuck erholt hat, kochen konntst du ja, bloß dass du auch selber was davon gegessen hättst, das hat man nich gesehn. Auch später nich, so richtig wurdst du nie mehr, du hattst ja gar nix zuzusetzen, und ich dacht immer, wenn dir nu mal was ankommt, was dann. Da hattst du Glück, Anna, dass du nie krank wurdst, jedenfalls kann ich mich nich erinnern, dass du mal was hattst, schon als Kind nich, und wenn, denn hat man dir das kaum angemerkt, so warst du. Ich hab trotzdem immer einen Schreck gekriegt, später, wenn ich dich mal gesehn hab. Vielleicht bloß dadrüber, dass ich dich gesehn hab. Anna, ich versteh das selber nich, weil ich jetzt so oft an dich denken muss. Aber zu der Zeit, da war das, als wenn ich dich manchmal ganz vergessen hatt. Und denn standst du auf einmal vor mir im KONSUM. Oder ich hab dich von weitem gesehn, mit dein Fahrrad auffer Landstraße, wie du nach Anklam oder irgendwohin gefahren bist, ich wusst ja gar nich mehr, was du so machst, ob du einen hast, den du besuchen kannst. Wirklich, auffer Elternversammlung, da war ich jedesmal ganz verdattert, dich da zu treffen, da fiel mir das erst wieder ein, dass unsre Kinder in die gleiche Klasse gehn. Manchmal wollt ich denn Hartmut bisschen aushorchen, über deine Ingrid. Ich weiß auch nich, wieso. Ob sie so is wie du früher vielleicht. Aber Hartmut musst man auch alles ausser Nase ziehn, besonders später, da hat er wohl gedacht, ich will ihn bloß aushorchen, ob er sich verguckt hat in sie. Na, das auch. Aber eigentlich war das wegen dir, Anna. Ich kann mich bloß an einmal erinnern, aber da war er noch lütt, vielleicht grad man zweite Klasse, wie er da nach Hause kam und sagte,»Ingrid is doof«. Aber da war er selber schuld. Er hatt sie nämlich wohl bisschen gepiesackt, mit Christa Pohley zusammen, das weiß ich noch, das war so seine kleine Freundin damals. Und dann hat sie ihn wohl gehauen, Ingrid, und Christa hat auch ihren Teil abgekriegt. Zuerst war ich da ja son bisschen fünsch wegen, weil ich dacht, das geht doch nu nich, dass ein Mädchen solche Ruppigkeit an Tag legt, ich wollt schon zu dir gehn deswegen, Anna. Aber erstens hätt ich mich gar nich getraut. Ich konnt mir schon ungefähr denken, was du davon halten würdst. Und siehst du, eben deshalb hab ich mich denn auch gar nich so auf Hartmuts Seite geschlagen. Weil mich das an dich erinnert hat, weil du dir auch nix hast gefallen lassen.

Und nu saßt du da jeden Tag ganz adrett in dein LPG-Büro und ich stand bloß hundert Meter weiter in meine LPG-Küche und musste in die großen Pötte rührn, und mir lief das Wasser nur so runter, und du brauchtest bloß auf deine Maschine tippen, und ich bin fett davon geworden und du nich. Anna, das Leben is doch komisch, nich. Manchmal kam mir das so in Kopp. Wie sich das von außen vielleicht anguckte. Von außen guckte sich das ja so an, wie jeder das erwartet hätt, ich auch, die feine Anna als Bürodame und Maria, die braune Maria, als Kööksch. Tja. Bloß dass das keiner so gesehn hat. Wenn das wohin ging, vonner LPG aus, über Land, oder tanzen oder zu eine Hochzeit: denn war Maria Wachlowski mit dabei, denn musst Maria mit, mit ihrem Simon. Und Anna, dich hat keiner gefragt. Und das war nich bloß, weil du keinen Mann hattst zum Mitbringen. Du wolltst wohl auch nich. Und das haben sie dir angemerkt, ich hab das auch gemerkt. Da braucht man gar nich erst fragen. Das wär nix gewesen, mit dir und den andern Weibsen. Ich hatt zu der Zeit oft so das Gefühl, dass mein Leben, na, dass das nu richtig in Ordnung kommt. Dass ich mich für nix mehr schämen brauch. Und je mehr das so kam, desto mehr kam das bei dir andersrum. Bei dir kam ja alles in Unordnung, das muss man wohl so sagen, alles. Komisch war bloß eins dadran, und da rätsel ich nu schon mein Lebtag drüber. Weißt du, Anna, einmal hab ich doch von dir geträumt, wie wir beide im Gebirge warn, im Erzgebirge, vonner Volkssolidarität aus. Ich war ja wirklich dagewesen, mit den andern, aber nu träumt ich, dass du mitwärst, jedenfalls bist du mir irgendwie entgegengekommen und hast mich nur angelächelt, und da wurd mir so warm ums Herz, so ein Lächeln war das, so kann in Wirklichkeit gar keiner lächeln, und bisschen sahst du auch aus wie deine Mutter. Denn bin ich aufgewacht, aber ich wurd das den ganzen Tag nich los, das ging mir noch lange nach. Und auf einmal hatt ich wie so ein Bild im Kopp: wir beide auf einem Berg, bloß dass ich hochgeh und du runter, so kam mir das damals vor. Bloß dass ich dabei ganz schön schnaufen muss, weil das ja anstrengend ist, so bergan. Und du kannst lächeln, weil du gar nix machen musst, das geht ja fast von alleine, das Runtergehn. Und soll ich dir was sagen: Genau so war das mit uns. Mir ging das immer besser. Aber was hab ich nich alles dafür machen müssen. Dass ich die Frau vom Tierarzt Wachlowski war, das war das eine. Das andre war, dass ich mir dabei ja nix erlauben durft, keinen Patzer. Das wär sonst alles auf Simon zurückgefallen, und das wollt ich nich. Und eine andere Freundin als dich hatt ich nich, und denn musst ich aber nu auf einmal die Freundin von alle sein, wenn ich bei die was zu bestelln haben wollt. Ich konnt nich einfach mal zu Hause bleiben. Und denn noch die Mädchen und Hartmut, aus die sollt ja nu auch alle was Gescheites werden. Ich hatt keine ruhige Minute, das ging immer so weiter. Ja, das war auch schön. Aber manchmal hab ich mir das insgeheim gewünscht, dass ich das auch mal könnt. So wie du sonntags einfach ausm Dorf rausspaziern zum Wäldchen, in deine schönen Kleider. Da hast du dir gar nix bei gedacht. Das war dir schietegal, wenn die sich dadrüber mokiert haben, wie du nu wieder rumläufst. Nee, Anna, manchmal fand ich das auch unmöglich. In dem Alter noch so» buntet Tüch«, wie das immer hieß, das musst nu vielleicht auch nich sein. Da hatt ich auch immer Angst vor, dass das einer über mich sagen würd, dass ich rumlauf wie ein Pfingstochse, ich hatt immer das Gleiche an, das war am besten. Simon hat zwar manches Mal gesagt,»nu kauf dir auch mal was Schönes in Anklam«, im BAUERNKAUFHAUS, aber ich hab das lieber gespart, das Geld, da war mir wohler bei. Aber manch einem is ja bloß wohl, wenn er sich dreimal am Tag inne andre Robe werfen kann. Dass Hartmut das so mitmacht. Jedenfalls, Anna, da wurd ich denn immer gar nich wieder, wenn ich dich so gesehn hab. Wo das bei dir doch nur bergab ging, und du konntst noch Lapaloma pfeifen dabei. Aber bergab ist doch anstrengender, hab ich mal gehört, dass das so auf die Gelenke geht.