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Als ich letztes Jahr endlich den Computer gekriegt hab, war das zumindest ein ganz praktischer Ersatz. Natürlich kann nichts echtes Feuer ersetzen, auf die Dauer. Aber eine Löschtaste ist auch nicht schlecht, komisch eigentlich, dass Löschen und Verbrennen ungefähr das Gleiche sein kann, und ich muss mir nicht ständign Kopp machen, wie und wo ich jetzt wieder die ganzen Blätter verbrenne, ohne dass das einer mitkriegt. Ich schreib sowieso nicht gern mit der Hand, das haben sie sich nämlich so gedacht: dass sie einen einfach auf rechts umerziehen können, und dann würde man schön ordentlich schreiben wie jeder andere, als wenn nix wär. Das Ergebnis ist, dass ich weder mit links noch mit rechts richtig schreiben kann, SCHRIFT war jedenfalls immer 4. Als man dann in der Neunten diesen Schreibmaschinenkurs in der Volkshochschule machen konnte, hab ich mich dafür gleich mal angemeldet. Und dann zu Hause auf Opas oller Schreibmaschine rumgehackt. Das gab sofort wieder einen Pluspunkt bei Oma. Manchmal tut sie mir leid. Sie denkt, dass ich wirklich so bin. Wie ihre Enkelin Ella, von der sie allen erzählt. Mutti natürlich wieder:»Willst du nu etwa Sekretärin werden, mit Abitur?«Aber Oma:»Wieso, wat hast nu wieder mit ihr? Dat is doch ein guter Beruf! Bild du dir man bloß nix ein auf deine Faulenzerei!«

Manchmal stell ich mir vor, alle diese Wörter und Sätze müssten wieder von denjenigen, die sie ausgespuckt haben, Stück für Stück aufgegessen werden, wie der Cursor auf dem Bildschirm die Schrift frisst, es müsste so was an Menschen geben: eine Delete-Taste. Nicht zum Rückgängigmachen oder so, so einfach geht das nicht. So kommt mir das auch nicht vor, wenn ich da draufdrücke. Es ist mehr wie der letzte Schritt einer Arbeit; wenn ich was geschrieben habe, kommt mir das am Ende nie fertig vor. Ich könnte das nicht, so wie Romy, ein Tagebuch nach dem andern füllen und die irgendwo horten. Diesen ganzen Haufen von Wörtern dann am Hals haben. Ich denk, man schreibt es auf, um es loszuwerden. Aber das kommt mir eher wie eine Verdopplung vor, da hast du den ganzen Scheiß dann noch mal — schwarz auf weiß. Wenn ich was aufschreibe, dann will ich es richtig loswerden. Ich schreibe es auf, aus mir heraus, und dann kommt es weg. Das gehört doch dazu. Das ist ein gutes Gefühclass="underline" ein weißes Blatt. Etwas ganz und gar geschafft zu haben, fertiggebracht.

Die wollen natürlich, dass ich hier weggeh, aber ich hab den besten Platz neben dem alten LPG-Tor, ich weiß, dass keiner außer mir ein Recht dadrauf hat, da können sie noch so viel mit den Armen fuchteln, das seh ich doch gar nicht. Die sollen doch nicht so tun, als würd ihnen das nu plötzlich auf mich ankommen, die wollen sich doch nur wieder wichtig machen, sogar Ecki und seine Speichellecker, die ja wohl nun gar nix mehr zu melden haben, ich mein, wer hätt das Ding denn sonst anfackeln sollen, kommt doch keiner weiter in Frage, oder. Ich kann stehen, wo ich will. Ich mach doch nix, und die sind doch bloß neidisch. Zwar wissen sie gar nicht wodrauf, aber ich: weil ich die Einzige bin, für die der Tag heute gut zu Ende geht. Blendend sozusagen. Oh Mann. Wenn das hier schon blendend ist — was ist dann eigentlich beschissen. Als ob ich das nicht weiß.

Einer versucht, mich wegzuzerren.»Eh, Frollein, muss erst wat passiern?«Die Sorte kenn ich. Ich reiß mich los und schubs ihn weg. Außerdem lass ich mich nicht mit» Frollein «anquatschen.»Ja«, sag ich.

«Vorsicht!«, sagt er. Vorsicht! Ich bin doch die Vorsicht in Person, ich bin so vorsichtig, dass ich gar nicht da bin, kommt mir direkt komisch vor, dass der mich überhaupt sehen kann. Ich seh jedenfalls jetzt erst, dass das der Bürgermeister ist. Ist er doch, oder? Ist mir wurscht. Ich mein, wurde der echt gewählt oder was? Da wär Vati ja noch besser gewesen.

Ich kann sie jetzt hören, die Feuerwehr aus Anklam. Früher hatte ich fast Angst davor, vor dem Moment, wo sie an einem vorbeifahren und das Tatütata auf einmal ganz falsch klingt, so ein Schreck, als hätte sich die ganze Welt verdreht. Und wer sagt eigentlich, dass das nicht passiert. Es geht ganz schnell. Nur ein Moment, eigentlich gar nichts dazwischen. Ich geh nach Hause. Vielleicht bloß, damit sie nicht an mir vorbeifahren.

Von hier aus kann man nur die eine Ecke von unserm Haus sehen, es sieht aus, als ob es sich bewegt. Beinah, als ob es auch glüht, wie ein dunkeloranges Tier, das gerade aufwacht oder gerade noch träumt, dieses Flackern, das von der Halle rüberscheint, wie Zuckungen. Als ich näherkomm, entdeck ich plötzlich Oma hinter der Scheibe, ihr Gesicht! Sie guckt einfach in die Dunkelheit raus, in meine Richtung, als wär das Absicht, mich so zu erschrecken. Wie gruselig das aussieht, bloß ihr weißes Gesicht, um sie rum alles duster. Hat sie nichts Bessres zu tun, als da hinterm Fenster zu hocken und mich zu beobachten? Ich werf ihr einen Blick zu, aber sie rührt sich nicht mal. Sie sieht aus wie tot. Ist sie tot, sieht man so aus, wenn man tot ist? Ich weiß, ich sollte jetzt rennen, schnell ins Haus rennen, die Tür zu ihrem Zimmer aufreißen, die Tür, die nie ganz zu ist, damit sie auch alles mitbekommt, damit keiner an ihrer Tür einfach so vorbeigehen kann, was bin ich schon vorbeigeschlichen an ihrer Tür, und wenn sie das mitkriegte, hat sie mich zwar nicht gerufen, aber wieder was zum Übelnehmen gehabt, dann hat sie sich gar nicht mehr blicken lassen, und man musste doch wieder zu ihr und fragen,»Oma, alles in Ordnung?«. Aber ich kann jetzt nicht, irgendwie kann ich nicht mehr, ich krieg meine Füße kaum noch hoch, das reinste Blei, oder als wenn der Weg klebt. Wenn sie tot ist, ist sie sowieso tot. Und keiner hat das mitgekriegt. Vor morgen Mittag oder so würde das keiner merken, und die ganze Zeit würde das so aussehen, als ob sie aus dem Fenster guckt. Vielleicht war das umgekehrt gedacht, komisch, dass mir das nie eingefallen ist. Vielleicht wollte sie durch den Türspalt gar nichts von uns mitkriegen, sondern, dass wir was von ihr mitkriegen. Bloß was? Sie hat doch nichts gemacht, nichts Interessantes, mein ich. Manchmal Selbstgespräche, das wollt ich nie hören. Ihre Geschichten auch nicht, sie kannte auch bloß drei oder so. Die von den Königsberger Klopsen, und eine von diesem Lehrer Pittelkow, die wohl lustig sein sollte, ich hab auch immer ein bisschen gelacht, ich kannte dann die Stelle ja schon, wo ich lachen muss. Und dann noch eine von Vati, als er klein war, das konnt ich mir sowieso nie vorstellen. Vati hat auch nie was gemacht. Ich bin schon auf der Treppe, da klopft sie auf einmal gegen die Scheibe. Ich zuck zusammen. Mann! Hat sie nicht mehr alle? Eine Tote, die gegen die Scheibe klopft. Eine Untote, oder was. Alles Absicht. Was denkt sie sich denn? Dass ich sie sonst nicht bemerke, na ja, so gut ist die Tarnung auch wieder nicht. Da hätt sie nicht hinter die Gardine kriechen dürfen, die Nase am Glas. Was erwartet sie? Dass ich ihr zuwink, sie anstrahle, ach, hallo Oma. Ich wink ihr zu. Ihr Gesicht ist ganz ernst.

Vielleicht hab ich das nur geträumt. Was.

ECKI

Warn heut Mittag ma gleich die Bullen da, von wegen Brandstiftung und so. Ick lach mich tot. Weiß doch jeder, dat dat Gniedeck war, jeder von uns zumindest, aber doch bloß aus Versehn, ick mein — bloß aus Doofheit. Wollt doch keiner die Elpe abfackeln, kann ick mir jeenfalls nich vorstelln, hat doch keiner wat von. Dumm gelaufen, Mann. Aber hat uch wat Gutes, können sich nu wenigstens hier nich die Spinner breitmachen, die dat ja wohl kaufen wollten und ausbauen, irgend sone Zecken-Öko-Scheiße oder wat oder Kunst noch am Ende! Wie mein Vadder sagt: Gehörn alle in Steinbruch! Hier rumgammeln uff unsre Kosten, wa? Und wo solln wir denn rumgammeln, ha! Kein Schwein zu sehn heut, ham sich alle gleich verpisst, als hättense Schiss. Ick hab nix gesagt. Ick war gar nich da. Stimmt sogar, war mit mein Vadder im Getränkecenter in Anklam, Nachschub holn. Na, Gniedeck is jeenfalls am Arsch, musste ja ma so kommen. Neulich, eh! Kommt der mit ner halben Buddel Stroh-Rum an und wir freuen uns schon. Hatt er seim Alten entwendet.»Reich ma rüber«, sag ick. Aber glaubst, der macht dat? Wie son olles Tittengör, eh,»nee, das’s meine, kriegt ihr gar nix von, das’s doch viel zu schade zum Wegsaufen«— zu schade, eh! Ick wurd nich mehr! Der hat doch ne Vollmeise hat der doch! Kippt er dat Zeug lieber int Feuer! Bloß wegen sone scheiß Stichflamme, bloß weil er dat ma sehn wollt, wie dat brennt, Alk. Und denn blieb er uch noch so dicht bei stehn, Mann, und beugt sich da total behindert drüber … Wenn Doofheit weh tun würd. Sagt man ja immer so. Na, manchma tut se wohl uch weh, hat ganz schön wat abgekriegt, der gute Gniedeck, voll abgesengte Augenbrauen nachher, Mann, Haare hat er ja schon vorher keine mehr gehabt. Wie dat nu wohl für die Polente ausgesehn hat, klar wie Kloßbrühe, würd ick ma sagen. Dabei hätt ick gedacht, er wär nu erst ma kuriert. Tja. Doof bleibt doof.