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Und dann, Donnerstag, komm ich so mit dem Auto von der Schule und bin grad aus der letzten Kurve raus, will ich also noch mal ordentlich Gas geben, da seh ich auf einmal, wie sie da auf der andern Straßenseite langläuft, Ingrid, wie sie mir quasi entgegenkommt. Und ich merk erst, als ich vorbei bin, dass ich ganz langsam geworden bin, nur noch knappe fuffzig, aber jetzt hab ich auch keine Lust mehr, schnell zu fahren, muss eh gleich abbiegen. Aber ich dachte, was läuft die da so auf der Landstraße rum, was soll das werden, wenns fertig ist, so alleine, macht die da n Spaziergang oder was, und denn noch auf der falschen Seite, wenn da nu irgendein Idiot angerast kommt und die Kurve nicht kriegt, na, son Scheiß hab ich gedacht.

Keine Ahnung, ob sie mich gesehn hat, na, ich mein, erkannt, erkannt hat sie mich wohl nicht, so schnell, die kennt ja auch mein Auto nicht, die denkt ja nicht, dass der kleine Hartmut nun mit so einem Schlitten durch die Gegend fährt, ne. Britta sagt ja auch immer, dass das übertrieben ist, wozu braucht ein Dorfschullehrer sonen Riesen-Audi, aber wenns irgendwo hingehn soll, ne, zu Eberts oder ins Theater oder was, da will sie auch immer, dass wir mit dem Audi fahren, wozu haben wir den denn, sagt sie denn. Und ob sie sich nu mit ihrem feinen Anputz in den ollen Opel quetschen soll, oder was. Hat sie ja recht. Aber ich denk bloß, wo hat sie den Fummel nu schon wieder her, und denn guckt die mich so an, als hätt sie da nur drauf gewartet, und ich sag auch noch:»Sieht gut aus.«

Weils ja stimmt, sieht ja alles gut aus an ihr, die kann anziehn, was sie will. Hab mich nicht umsonst in sie verguckt damals, und da war ich ja nicht grade der Einzige. Aber da hab ich natürlich nicht dran gedacht, dass ne schöne Frau nu auch lauter schönes Zeug braucht, zwei Kleiderschränke voll und n ganzes Haus voll und aufm Hof nicht bloß irgendeine Karre, sondern eine, die auch zu sehen ist, und das bisschen Urlaub braucht man nun auch nicht im eigenen Garten zu verplempern, das hatten wir ja lange genug, und man soll doch auch was sehen von der Erholung, man will doch auch n bisschen braun werden, und die Zeiten, als man den ganzen Winter so totenblass rumlaufen musste, sind ja nun Gott sei dank auch vorbei. Gibt doch jetzt alles.»Wir hams ja«, sag ich dann manchmal so, das nimmt die aber voll ernst.

«Ja genau, Hartmut«, sagt sie dann,»ich gehör jedenfalls nicht zu den Knauserheinis, die alles auf die hohe Kante legen und den Kitt aus den Wänden fressen.«

War schon klar, auf wen das gemünzt war, auf Mutter nämlich. Aber die hats ihr dann mal gesagt, sagt die doch:»Na, viel anners sieht dat nu auch nich aus, deine Joghurtplürre und diese Toffuus.«

Na und Ella, die hat vielleicht gelacht, manchmal kann die ja lachen! Wurd denn natürlich auch gleich angeschnauzt von Britta:»Ja ja, ihr lacht man, ihr könnt bloß dumm quatschen und fett werden. Wer im Glashaus sitzt, ne … Was denkst du denn, wie du in zehn Jahren aussiehst, guckt dich doch jetzt schon keiner an!«

Mann, war die fuchtig. Aber Ella zuckt bloß mit den Schultern und sagt:»Wenn das hier so weitergeht, leb ich in zehn Jahren sowieso nich mehr.«

Und da fängt doch Britta mit einmal an zu heulen und sagt zu Ella, wie sie denn so was sagen kann, und wieso denn immer alle auf ihr rumhacken, also auf Britta, und dass sie niemals einen wie mich hätte heiraten dürfen, wo man ja schon an der Mutter sehen kann, was mit dem los ist, na, die ganze selbstmitleidige Tour — obwohl ich ja nun gar nichts dafür kann, hab ich ihr auch gesagt, dass ich nun wirklich nichts dafür kann, und dann war ich noch so doof und wollt sie in’n Arm nehmen, da kriegt die doch n Anfall und schubst mich weg und schreit mich an, dass ich bloß zusehn soll, ich Schlappschwanz — hat die wirklich gesagt — , wie sie bloß son Trottel nehmen konnte und ach, was weiß ich nicht noch alles, na, war wieder mal schlimm jedenfalls, aber so hab ich die echt noch nie erlebt. Na, ich hab mich denn erst mal verpisst, bis die sich wieder einkriegt.

Wie ich wiederkomm, sagt sie zu mir, dass wir nun erst mal neues Geschirr kaufen müssen.

«Zieh dich an«, sagt sie,»wir fahrn gleich mal los«, und ich denk, ich guck nicht richtig, als ich in die Küche komm. Da liegt der ganze Mist da rum, alles voller Scherben. Ich konnt mir grade noch verkneifen zu fragen, ob sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

«Sag ma, spinnst du?«, sag ich.»Wir sind hier nich im Film, Britta!«

Sagt sie:»Na und. Die bringen doch Glück!«

Und da musste ich nun wieder dran denken, als ich Ingrid gesehen hab. Ob das mit ihr genauso … Ist ja affig, ich weiß, aber ich hab mir vorgestellt, dass ich sie, na, dass sie nun meine Frau wär, ist ja Quatsch, aber … Ich konnt mir das nicht vorstellen. Ich konnt mir nicht mal vorstellen, dass sie überhaupt heult oder so. Ich hab mich nicht getraut, Britta zu fragen, ob Ingrid bei der Beerdigung und so, war doch ihre Mutter, na ja, ist ja auch egal.

MARIA

Neuerdings sind die alle so komisch, so fuchtig, als ob ich da nu was für kann, und dann denken die noch, ich merk das nich. Da kommt doch Martha Haase an, wie ich neulich aufm Kirchhof war und son bisschen um Simons Grab rumgeharkt hab, man muss ja nu auch ma n bisschen vor die Tür, nich, und sah nu auch nich nach Regen aus, das regnet ja sonst hier in einer Tour, hab ich manchmal so das Gefühl, und denn zieht das auch immer so inne Beine, dass ich denn gar nich kriechen kann und andauernd Ella rufen muss, und wenn ich denn da so sitz in meine Stube, die haben sie ja fein gemacht, und ich hab ja auch danke gesagt, danke, Hartmut, hast fein gemacht, dabei mocht ich die alte Stube lieber, und nu denk ich manchmal, dass das gar nich mehr mein Haus is, und wenn ich da so sitz, denk ich manchmal an meinen Simon, nich, Simon, und dass ich nu bald wieder bei dir bin, du warst ja immer gut zu mir, auch wenn ich immer mal gedacht hab, na ja, ich bin vielleicht nich ganz die Richtige für dich, aber du warst der Richtige für mich, und du warst immer gut zu mir, und das war doch zehnmal besser als mit Anna und ihrem Theo, auch wenn die das nich wahrhaben wollt.

Und wie ich sie so grüß, Martha, zeigt die doch so mitm Kopp nach Annas frisches Grab hin und sagt:»Na, da möötst du dir jetz woohl drum kümmern, wa!«

Ich wusst gar nich, was ich dadrauf nu sagen soll. Ich weiß schon, wie die das gemeint hat, so aufn Kopp gefallen bin ich ja nu auch nich. Und da hab ich mich nu wirklich zum hundertsten Mal gefragt, Anna Hanske, was mich da damals bloß geritten hat. Dass nu ausgerechnet du meine Freundin wurdst. Von alle Mädchen in Bresekow und Putlitz und Damitz und wer da noch alles mit uns in die Schule ging, warst du doch nu die, die ich am wenigsten brauchen konnt, und meine Eltern und Karl und Heini haben das auch gleich gesehn, und ich Sturkopp dachte aber nun Anna und sonst keine. Und das stimmte ja auch, sonst war da ja auch keiner, der nu ausgerechnet mit mir sich anfreunden wollt, mit das mickrige Katholenmädchen aus Putlitz. Und das kriegt man nu heut immer noch aufs Brot geschmiert und is im Prinzip nich besser dran wie als lüttes Kind.

Und Martha hatte groß posaunt, die Zeit, wo wir da beide in der LPG-Küche gearbeitet haben, dass sie ja nu meine beste Freundin wär,»nich, Maria«, hat sie gesagt,»wir sind doch jetz gute Freundinnen geworden«, und dass sie das ja schon immer wollt, nämlich meine Freundin sein, und sich aber wegen Anna, weil ich ja» immer so dicke mit Anna «war, gar nich getraut hätt, aber jetz, wo ich mich nu auch mal öfter blicken lass im Dorf und mich nich mehr so in mein Haus und bei mein Simon verkriech, hat sie gesagt. Und da war mir das erst peinlich, dass ich mal» so dicke «mit dir war, Anna, aber ob du das nu glauben würdst oder nich, das hat mir später leidgetan, dass ich denn so über dich geredet hab, und das tut mir heut noch ehrlich leid, aber das hätte ja nu auch nich so weitergehn können mit uns, wo wär ich denn da sonst hingekommen. Aber das mit Martha Haase, das hab ich da schon nich gewollt, und hab bei mir gedacht, na, nu spuck mal nich so große Töne, Martha, das wolln wir erst mal sehn. Aber bisschen gefreut hab ich mich auch.