Und denn kamen die ja nachher noch mal. Und da hatten sie grad mit dem Krieg angefangen, und wie das dann an unsere Tür kloppt, och, das weiß ich noch wie heut, wie meine Mutter und wir Kinder da Angst hatten, dass sie uns nu den Vater wegnehmen, für ihren Krieg, dass er nu losmuss in’n Krieg. Aber die wollten bloß wieder so ein Zettel ausfüllen, und meine Eltern mussten da sogar ihre Heirats- und Geburtsurkunden und die von ihre Eltern vorzeigen, und das hatten die alles gar nich so parat, das gab vielleicht ein Kuddelmuddel, kann ich dir sagen. Und denn hat auch Karl seinen Ausweis bekommen, und er war ja noch n bisschen jung, da haben sie ihn nich gleich eingezogen, und meine Mutter hat immer gesagt, Gott sei Dank, nämlich dass sie nich gleich ihren ersten Verehrer geheiratet hatte mit siebzehn, sondern meinen Vater, denn sonst wär ihr Sohn vielleicht heut schon tot, so hat sie immer gesagt, aber denn musste Karl ja nachher doch los und Vater auch, und der is ja nich wiedergekommen und Karl auch nich.
Und fünfundvierzig haben sie denn auch noch Heini geholt. Und er war grad drei Wochen weg, als der Brief kam. Und denn bin ich meine Mutter nich mehr vonne Seite, weil sie immer gesagt hat:»Wenn ick man bloß nich katholisch wier!«, denn würd sie sich nämlich was antun, hab ich gedacht, und sie war ja da bloß noch Haut und Knochen. Und Simon war auch noch nich wieder da, und ich schon schwanger mit das zweite Kind, das wurd ja denn auch nix.
Und wie das nu mit dir war zu der Zeit, dadran kann ich mich gar nich mehr so genau erinnern, nich, wie du das nu eigentlich gemacht hast. Da haben wir uns nich oft gesehen, zu der Zeit, weil ich dir das wohl auch n bisschen krummgenommen hab, dass du dich nich gefreut hast, als ich gesagt hab, ich heirat jetz den Simon Wachlowski, da hast du ja bloß gelacht und gesagt:»Na, weißt das auch genau?«, und ich hab gesagt:»Natürlich, was denkst du denn, denkst, ich erzähl Leuschen, Anna? Er hat doch meinen Vater gefragt!«
Und wie du das denn gemeint hast, das will mir bis heut nich in Kopp, wie du gesagt hast:»Na das mein ich ja. «Aber ich glaub, du warst da wohl bloß n bisschen neidisch, was, Anna, dass du mir das nich gegönnt hast, das will ich ja nu nich sagen, aber bisschen neidisch warst du. Dass nu ich mal die Erste war, du hattst da ja auch schon dein kleines Techtelmechtel mit Theo, den hattst du dir ja in Anklam angelacht, wie er mal auf Urlaub war, aber nu war er wieder an der Front, und ob der nu jemals zurückkommen würd und dir denn auch noch n Antrag machen, das wusst ja nu keiner, ob er denn nich längst ne andre hätt, da hast du ja auch dran gedacht, kann ich mir denken. Und Simon musst ja auch gleich los, aber da war das doch nu besser, noch fix zu heiraten, als denn so inner Luft zu hängen, und dass ich da nu zu jung gewesen wär für, das stimmt ja nich, die andern hätten auch mit siebzehn geheiratet, wenn sie einen gehabt hätten, und ich hatt kurz vorher das erste Mal meinen Trödel bekommen, und worauf hätt ich denn nu noch warten sollen, meine Mutter hatte gesagt,»nu büst erwachsen«, und da hat sie ja recht gehabt, mit zweiundzwanzig wär das auch nix andres gewesen, außer, dass ich denn vielleicht Simon nich mehr gekriegt hätt.
Und du warst denn ja auf einmal auch ganz alleine bei euch, als dein Vater mit seinem einen Auge am Ende denn auch noch in’n Krieg musst, und da warst du denn ganz alleine mit deine neunzehn Lenze in dem großen Haus. Da bin ich denn manchmal hin zu dir, aber helfen durft ich dir nich, das hast du nich erlaubt, du hast dir um mich immer mehr Sorgen gemacht als um dich,»Maria, du musst dich n bisschen schonen«, hast du gesagt und mir einen Stuhl hingestellt und einen Teller mit Essen, mit so Sachen, die wir bei uns schon lange nich mehr zu sehen gekriegt hatten, wo ihr das bloß noch alles herhattet.»Ausm Keller«, hast du gesagt,»iss man, is gut für dein Kind«. Hat aber auch nix mehr genutzt.
«Wenn bloß Vater heil wiederkommt!«Du hast nich gejammert, aber das hast du immer gesagt, und ich hab mich dabei immer n bisschen gewundert, weil er ja nu doch auch schon längst nich mehr heil war, als er losmusst, aber du hast wohl gedacht, dass er sich bloß nich noch das zweite Auge ausschießen lässt.
«Na, und dein Theo?«, hab ich denn mal gefragt, weil du über den nie was gesagt hast.
«Na, der auch!«, hast du gesagt, mehr nich. Mehr war da nich rauszukriegen aus dir, aber ich weiß noch, als du das gesagt hast, hast du dich gleich umgedreht und dir denn kurz mit dem Schürzenzippel übers Gesicht gewischt, aber das war das einzige Mal, wo ich so was bei dir gesehn hab. Wo du vielleicht bisschen geweint hast.
Aber du hast doch Glück gehabt, Anna Hanske, siehst du, dein Vater is wiedergekommen und sogar dein Theo, und keinen Ärger hast du gehabt wegen deine Großmutter, und wenns nu vielleicht doch Gott gibt, denn würd ich sagen, dass ers aber gut mit dir gemeint hat, dass er dich ja in Ruhe gelassen hat, und da könntst du vor ihm auffe Kniee fallen und für danken, wenn du nu noch leben würdst.
HENRY
Wenn er erst mal hier raus ist, kauft er sich vielleicht eins, genau so eins wie Stefan, das ist ja klar, und dann können sie gar nichts mehr machen. Weil er dann weg ist von hier, weil er dann nämlich wieder in Bresekow ist, und dann können sie nicht mehr sagen, dass das nicht gut für ihn ist, und Oma kann das auch nicht mehr sagen, weil sie schon tot ist, und Erna. Nein, nein, nein, Erna auch nicht, sie ist weg, sie ist weg. Und dann wohnt er ganz alleine in Omas Haus, weil Oma ja weg ist, und Onkel Peter ist auch weg, und keiner darf da einziehen, bloß er, und auch nicht seine Mutter, wenn sie auf einmal kommt. Wenn sie auf einmal vorbeikommt und sagt, ich wollt doch mal sehen, was Henry macht. Und dann sagt er, dass er jetzt hier wohnt, weil Oma tot ist, und weil einer auf das Haus aufpassen muss, und wenn sie fragt, ob sie jetzt auch hier wohnen darf, dann sagt er, nein, dann sagt er, dass sie bleiben soll, wo der Pfeffer wächst. Wo der Pfeffer wächst, ha ha, wo der Pfeffer wächst, er hat immer gelacht, wenn Oma das gesagt hat. Wenn er gefragt hat, wo seine Mutter ist und wann sie denn mal kommt und wie sie denn aussieht und warum sie denn nicht da ist und wo sie denn überhaupt ist. Dann hat sie gesagt, dass er aufhören soll zu fragen, dass seine Mutter eben nicht mehr da ist und dass seine Mutter jedenfalls nicht so viel gefragt hat wie er. Was sie denn gefragt hat, seine Mutter.»Henry, jetz is gut. Geh ein bisschen nach draußen.«
Er wollte aber gar nicht nach draußen, weil die andern immer gesagt haben, wenn er ankam:»Guck ma, da kommt Haha«, und dann haben sie gesagt, na Haha wie gehts na Haha willste heut wieder Steffi hinterher willst ihr ma untern Rock gucken wa die hat aber heute Hosen an eh komm ma her Steffi sag ihm ma dat er dir heut nich untern Rock gucken kann dat er sich verpissen soll na los oder nee nee ick weiß wat sag ihm ma dat er dir denn ma erst sein Ding zeigen soll na los Haha zeig ihr ma dein Ding vielleicht lässt se dich denn ma unter ihren Rock gucken die is ganz scharf dadrauf dat du ihr ma dein Ding zeigst los zeig ihr ma deinen kleinen Pimmel oder genierste dich nu uff einma brauchst dich doch nich zu genieren den hat doch nu sowieso schon dat halbe Dorf gesehn oder weißt dat nich mehr Haha bloß Steffi nich die hat dat ja leider verpasst wa Steffi da is dir aber wat entgangen kann ick dir sagen aber sag ma bittebitte zu Haha denn zeigt ern dir vielleicht noch ma nu hab dich ma nich so wir sind doch deine Freunde oder wir sind doch alle Hahas Freunde oder dat willst du doch immer dat wir deine Freunde sind. Und dann haben sie gelacht, und er hat auch gelacht, und dann haben sie noch mehr gelacht, und er hat» ha ha «gemacht,»ha ha, ha ha«.