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Und dann, wo sie raus war und ich nun ihre Nachfolgerin wurde, sagt die doch glatt zu mir:»Na, da zieh dir ma schon warm an, da lass dir ma immer wat einfalln für die Bagage! Die sind sonst nur am Rumnörgeln! Ach, und denn musst du ja nu uch noch immer fahren, wa? Na viel Spaß denn!«

Und was soll ich dir sagen? Die hatte recht, die Nielich. Und zwar mit beidem.

Ich glaub, das ist, weil die gar nix mehr anfangen können mit sich. Die sind so leer,»das kannst du dir gar nicht vorstellen«, sag ich immer zu Romy.

«Doch, kann ich«, sagt sie, ich glaub, ich geh ihr manchmal ganz schön auf die Nerven mit meinen Club-Geschichten. Aber ich bin dann immer so froh, dass mein Kind nicht so ist, dass Romy ganz anders ist, weil hätt ja sein können, dass sie auch so wär, dass sie auch mit denen rumhängt und Scheiße baut, und dann? Hätt doch sein können. Ich mein, wir kommen doch auch nirgendwo anders her, Friedhelm und ich, wir sind doch auch bloß vom Dorf, wir haben doch auch nie groß was andres zu sehen gekriegt. Wir habens ja auch grade mal bis Anklam geschafft, und da war man damals schon stolz drauf, da hab ich schon gedacht, jetzt bin ich da raus. Wie ich dann mein kleines Zimmer in Anklam hatte, und das war mir ganz egal, dass das ohne richtige Küche und Bad war, bloß so abgeschlagen mit nem Vorhang, und das Klo eine Etage tiefer aufm Hausflur, und dass ich immer die Kohlen ausm Keller bis ganz da hoch schleppen musste, wenn Friedhelm nicht da war, der war ja die Woche über in Berlin. Aber ach, das war schön, wenn er dann am Wochenende kam, meistens schon Freitagabend, und ich war dann auch nicht traurig, wenn er Sonntag wieder losfuhr, wir hatten beide unsre Arbeit, und so ne Woche ging immer schnell rum. Und ich hab ja gemerkt, dass er gerne in Berlin ist, dass ihm das Spaß macht da, mit seinen Kollegen und auf der großen Baustelle.

Heute kann er sich so was gar nicht mehr vorstellen. Wenn das nun noch mal heißen würd, los, auf Montage, das würd der nicht machen. Der weiß gar nicht, wie gut er das hat. Muss bloß bis nach Anklam, war noch nie arbeitslos, höchstens mal im Winter paar Wochen zu Hause, und da fällt ihm dann gleich immer die Decke aufn Kopp. Da bin ich immer heilfroh, wenn er wieder anfangen kann und nicht mehr jeden Tag auf der Couch rumliegt, der gewöhnt sich das dann nämlich so richtig an, so ne Stinkenfaulheit, grad mal, dass er n bisschen Mittag macht, da muss ich ihm aber auch vorher genau sagen was und am besten schon alles hinstellen. Dabei hat er sonst auch nur Langeweile. Deshalb sag ich immer, er soll nicht so auf seine Arbeit schimpfen, auf seine blöden Kollegen, und wie ihn das alles ankotzt, der flucht so viel in letzter Zeit. Das kann immer schneller vorbei sein, als man denkt, hab ich ja bei mir gesehn, na, und was sollte denn dann erst werden. Ihm sind ja schon die paar Stunden zu viel, die er alleine ist, bis ich vom Club komm, und wehe, das wird mal später als achte.»Maann, wo bleibst du denn, wat klaarst du denn da so lange rum?«Der weiß nämlich auch nix mit sich anzufangen. Und nun haben wir schon n zweites Auto angeschafft, obwohl das eigentlich überhaupt nicht drin ist, aber ich muss fahren, er muss fahren, und wie das zuerst war, so ging das ja auch nicht, dass ich dann immer mal mitm Bus gefahren bin, der ist aber schon über eine Stunde eher da, und dann musste Friedhelm mich abends abholen. Oder ich hab ihn morgens um halb sieben zur Arbeit gefahren, und er musste dann nachmittags mitm Bus zurück, na, und das fand er ja erst mal doof, er sagt, er kam sich vor wie der letzte Trottel. Da musst er nämlich erst noch ne halbe Stunde in Arbeitsklamotten in Anklam rumlaufen, bis der Bus fuhr, er sagt, wo sollt er denn da hin, manchmal ist er durchn Park,»wie n Penner«, sagt er. Und dann das Busfahren an sich, wie früher, nur dass früher eben keiner n Auto hatte, da war das normal,»und heute gucken se dich blöd an«, sagt er. Ist ja auch doof.

Ich fahr gerne Fahrrad, aber glaubst, ich mag mitm Fahrrad nach Anklam fahren, oder zu einem von meinen Clubs? Weißt, wie blöd ich mir dabei vorkomm, wenn die denn mitm Auto an mir vorbeifahren,»kiek, dat is doch Sonja«. Ja, so wie früher, als ich immer mitm Fahrrad von Anklam nach Bresekow und zurück gejachtet bin, in der Mittagspause, erst, als ich das Zimmer noch nicht hatte, weil ich da auch nicht wusste, wohin in Anklam, das waren ja zwei Stunden, und alle Geschäfte zu bis auf KONSUM, und später, weil ich dann mal schnell meine Oma besuchen wollte, die hatte doch da nun keinen mehr zum Reden, und die Alten haben da ja schon gesoffen. Und dann wollt sie mich immer am liebsten gar nicht wieder los lassen, und ich hab gesagt,»Oma, ich muss, ich muss doch wieder«.

Und nun haben wir zwei Autos und sind immer noch nicht zufrieden. Weil Friedhelm nun immer mit dem kleinen ollen Fiat zur Arbeit fahren muss, weil ich mit dem nicht klarkomm, ich bin eben so an den Opel gewöhnt, und dann lauert er, dass ich endlich komme und er mit dem Opel noch mal los kann, meistens bloß so durch die Gegend, zu seinem Kanal, noch mal die Angel reinwerfen oder was weiß ich, weil er mit dem kleinen nicht rumfahren mag,»wie seh ick denn aus dadrin«, sagt er. Na ja, wirklich n bisschen reingequetscht. Aber nun ist das auch wieder fast wie vorher, wo er zu Hause Achten gelaufen ist, bloß weil das Auto nicht da war. Dabei muss er nirgendwo hin. Aber das Auto muss vor der Tür stehen.

Ich weiß auch nicht. Wenn wir vielleicht mal in Urlaub fahren würden. All die Jahre waren wir ganze drei Mal weg, zuletzt vor vier Jahren, glaub ich, Lüneburger Heide. Da wollten wir nun auch endlich mal was sehen vom goldenen Westen, na. Außerdem war das noch halbwegs erschwinglich. Romy wollte partout nicht mit und hat uns so lange angebettelt oder vielmehr mit Argumenten bombardiert, nach dem Motto, dass wir uns zu dritt sowieso bloß die ganze Zeit streiten würden — das war ja grad unsere Streitzeit — und dass ich ruhig auch mal mit Friedhelm alleine sein könnte und sie doch nichts anstellen würde, wir kennen sie doch und so weiter, bis wir sie dann wirklich zu Hause gelassen haben, ganz wohl war mir ja nicht dabei. Und dann war ich eben mit Friedhelm alleine, und das ging ungefähr drei Tage, dann hab ich gemerkt, dass er am liebsten schon wieder zu Hause wär. Das kann vielleicht anstrengend sein mit ihm! Vogelpark, Heidepark Soltau, alles schön und gut, aber am besten is doch in lütt Anklam. Romy war bester Laune, als wir wiederkamen, sie hatte sogar einen Kuchen gebacken. Ich glaub, sie hatte mehr Urlaub gehabt als wir.

Die Male davor, das war ja noch zu DDR-Zeiten, und wie hat man sich da gefreut, wenn man da mal einen Ferienplatz ergattert hatte. Das erste Mal sind wir nach Eisenach. Da hats eigentlich die ganze Zeit nur geregnet. Und Romy hatte da ihre erste Bockphase, ich hab mein liebes Kind ja kaum wiedererkannt. Und Friedhelm musste für sie den Esel spielen, bis zur Wartburg hoch, weils an der Eselstation gar keine Esel gab.

Paar Jahre später, als Romy schon zur Schule ging, dann Alt Töplitz bei Potsdam. So ein Bungalow gleich am See, und in dem neben uns hat eine tschechische Lehrerin mit ihrer Tochter gewohnt, die war so alt wie Romy, und die haben sich auch angefreundet, obwohl die ja gar nichts miteinander reden konnten. Žužanka hieß die. Einmal kommt Romy an und sagt, sie braucht das Federballspiel, Žužanka will mit ihr Federball spielen. Ich guck sie groß an. Wie sie ihr das denn gesagt hat. Aber so sind eben Kinder. Ach, das war ne schöne Zeit da. Und wie Friedhelm denn einmal mit Teewurst angekommen ist, obwohl er Mettwurst wollte,»ja, ick weiß auch nich«, hat er gesagt,»ick hab Mettwurst gesagt, und die hat mir Teewurst gegeben«. Und da hat er sich denn wohl nicht mehr getraut, was zu sagen. Und die Brötchen hießen Schrippen.

Wenn ich jetzt sag,»Friedhelm, lass uns doch ma in Urlaub fahren«, ist seine erste Frage:»Wovon?«Wer soll das bezahlen, das ist immer so sein Satz.»Sieh du erst ma zu, dat du n bisschen Geld nach Hause bringst. «Ja ja.»Du bist doch so blöd und trägst noch alles zu deim Club hin.«