«Haben die denn nich, na — verhütet?«, frag ich, und sie:»Weiß ick nich — nein.«
Mir schwante schon was. Aber ich konnte ihr doch nun nicht ins Gesicht sagen, dass ich glaub, dass sie selbst diese Freundin ist.
«Wat würden Sie denn jetz machen?«, fragt sie mich, und ich merk schon, dass sie dem Heulen näher als dem Lachen ist.
«Abwarten«, sag ich. Da guckt sie mich an, als wär ich verrückt geworden.
«Du kannst da jetzt erst mal sowieso nix machen«, sag ich, und dann fällt mir ein, dass es ja um die Freundin geht und sag dann noch schnelclass="underline" »Und deine Freundin auch nicht.«
Und dass man erst gucken muss, ob man seine Regel bekommt oder nicht, aber dass sie das ja selber weiß und so weiter, und dann guckt sie mich wieder so an und nickt dann bloß und sagt:»Danke.«
Ich kam mir vielleicht belämmert vor. Das Blödeste war, so blöd ist man ja manchmal, dass ich denn auch noch stolz auf mich war, dass die so ein Vertrauen zu mir hatte, im Ernst. Aber was ich da nun eigentlich machen sollte … Ich meine, das Mädel war erst vierzehn, und ich hab mir vorgestellt, wenn nun Romy mit so was ankäme, was würd ich denn da machen? Hatte ich sie überhaupt richtig aufgeklärt? Ich konnte mich gar nicht erinnern. Mit vierzehn waren wir damals noch halbe Kinder.
Sind die ja heute auch noch, aber manchmal denk ich, die sind gar nicht richtig jung. Das Schlimme ist, dass du bei denen heute schon siehst, die werden wie ihre Alten. Und nicht bloß, weil sie nix andres können, die wollen auch gar nix andres. Neulich kommt Berndi zu mir und sagt:»Wissen Sie wat, Frau Plötz, ick hab jetz ne neue Freundin.«
Und ich freu mich für ihn, weil er ja nun so lange seiner Verflossenen nachgetrauert hatte, und seine Mutter hatte ihm auch die ganze Zeit damit in den Ohren gelegen, warum er die denn nicht behalten hätte, die war doch son nettes Mädchen und hat auch immer geholfen und alles, und wie ich denn mal Berndi fragte, warum er sie dann nicht behalten hätt, sagte er, dass eine von der Sorte ihm reicht, nämlich seine Mutter.
«Dat ging nich, Frau Plötz, ick hab die geliebt, aber die hat mir sogar gesagt, wat ick anziehn soll und dat meine Schuhe dreckig sind und son Scheiß, da konnt die sich drüber uffregen, den ganzen Tach lang!«
Und wie er mir dann das von seiner Neuen erzählte, sag ich so:»Na, Berndi, dann biste ja jetz glücklich, wat?«, aber da sagt er:»Nee, Frau Plötz, ick glaub, meine Mutter mag die nich, und denn geht dat ja uch wieder nich. Die lässt sich bloß bedienen, sagt meine Mutter, und dat stimmt uch. Dat is jetz bloß ma so zwischendurch, glaub ick, dat is nix Richtiges. Sagt meine Mutter ja auch.«
Ich wusst gar nicht, was ich dazu sagen soll. Tja, wenn Mutti das sagt … Genauso mit der Musik. Die ist ja so von der Sorte, wo Romy sagen würde, dass sich einem da die Zehnägel hochkrempeln. Das ist ja manchmal selbst mir zu viel, und dabei hör ich gerne mal n satten Schlager. Aber das geht bei denen in einer Tour mit Wolfgang Petry und wie die alle heißen, ich dacht, ich spinn, wie die da mal so ne CD mit Schlager rauf und runter reingelegt haben.
«Sagt mal, das is doch nich euer Ernst, oder?«, hab ich gefragt, ich dachte, die wollen mich verarschen. Da haben sie mich ganz groß angeguckt und gefragt:»Wieso?«
«Na, dat hört sich ja an, als wenn ihr euch an der Plattenkiste von euern Eltern vergriffen habt!«, sag ich, und dadrauf Sabrina:»Joo, meine Mutter hört dat uch gerne.«
Na lass sie, dacht ich, immer noch besser, als wenn sie hier mit ihrem rechten Zeug ankommen. Das hatten sie ja erst auch versucht. Da gabs aber keine Diskussion.
«Gibts nich«, hab ich gesagt,»pack gleich wieder ein!«Mir wird wirklich schlecht bei so was, manchmal kann ich das schon nicht hören, wenn die nur ›Deutschland‹ oder ›deutsch‹ sagen.
«Außerdem ist es verboten, und ich will mich hier nich strafbar machen«, das fiel mir zum Glück noch dazu ein, als sie aufmucken wollten.
«Nu hörn Sie sich das doch erst ma an …«Und dann hielten sie mir so die CD hin, aber ich mochte die nicht mal anfassen.»Pack weg«, hab ich gesagt,»bei mir landet das sonst gleich im Müll.«
«Dat dürfen Sie gar nich, dat is ja mein Eigentum.«
Da hats mir gereicht.»Ich kann ja ma die Polizei herbestelln, und denen kannst du denn mal was über dein sogenanntes Eigentum erzählen!«War natürlich n bisschen hart von mir, und ich dacht, jetzt springt er mir gleich an die Gurgel, Maik Börner war das, mit dem ist öfter nicht gut Kirschen essen.
«Wenn Sie dat machen …«
«Ja, was dann?«Bisschen Schiss hatt ich schon, aber da musst ich jetzt durch. Einmal konsequent sein, Sonja, hab ich gedacht. Wenn du das schon bei deinem eigenen Kind nicht konntest, dann wenigstens jetzt, und die hier habens auch nötiger. Er hat dann aber gar nix weiter gesagt, Maik Börner, sondern ist bloß raus und hat die Tür hinter sich zugeknallt.
Im Nachhinein denk ich, dass das vielleicht nicht so clever war von mir. Ich mein, das einfach zu verbieten. Aber wie ich das hörte, hab ich rotgesehen, ich dachte bloß, nicht bei mir, weil bei der Nielich durften sie das ja anscheinend alles, die hat sich doch gar nicht dadrum geschert. Hauptsache, die hatte ihre Ruhe. Und nun komm ich auf einmal und sag, das geht nicht, ist ja klar, dass denen das nicht in Kram passt. Aber ich glaub, die wollten auch einfach mal sehen, wie weit sie gehen können bei mir. Trotzdem hätt ich vielleicht erst mal mit denen reden sollen. Aber bringt das was, das ganze Reden? Das geht doch hier rein, da raus. Und was hätt ich denn sagen sollen? Dass Hitler ein Schwein und der größte Verbrecher war, dass sie doch mal an die ganzen Juden denken sollen in den KZs und ob sie sich denn nicht schämen? Da lachen die sich doch tot. Da kommen sie dann nur wieder mit ihren Ausländer-Parolen, dass die Ausländer sich hier breitmachen, dass die Ausländer ihren Eltern die Arbeitsplätze wegnehmen und so weiter.
«Sagt mal, glaubt ihr das wirklich?«, hab ich da mal ganz entgeistert gefragt, und ob sie denn überhaupt schon mal einem direkt begegnet wären, aber da haben sie bloß gesagt:»Na ja, gehn Se doch mal durch Anklam, nur noch Kanacken!«Was der reinste Blödsinn ist. Da sieht man höchstens mal einen ausm Asylbewerberheim, die aus Togo, und die nehmen nun wirklich keinem was weg, im Gegenteil, die können einem leidtun. Die langweilen sich hier doch zu Tode. Einer spielt jetzt bei Lok Anklam, und der ist gut, sagt sogar Friedhelm. Aber der hat kein bisschen Akzeptanz, wenn der spielt, brüllen die eigenen Fans:»Wir brauchen keine Affen!«Fragt sich bloß, wer hier die Affen sind. So viel Borniertheit, das hält man nicht aus. Aber du kriegst das nicht raus aus die ihren Köpfen, das seh ich ja schon bei meinen eigenen Brüdern, und wie sollen denn da die Kinder sein. Meine Jugendlichen hier, die haben das doch auch nicht von ungefähr, die können einem eigentlich auch bloß leidtun. Und ob ich da nun was sage oder nicht.
Ach, manchmal denk ich, ein bisschen hilft es doch. Bild ich mir vielleicht auch bloß ein. Aber wenn mal einer nicht in die gleiche Kerbe haut wie alle andern um sie rum, wenn einer mal sagt: stopp, vielleicht macht das schon was aus. Denn die mögen mich ja auch, die haben mir sogar Rommé beigebracht, da mussten die ganz schön Geduld mit mir haben, aber die wollten unbedingt, dass ich mitspiel. Vielleicht, damit sie einen haben, der immer verliert. Und die fragen mich ja auch ständig nach meiner Meinung über alles Mögliche. Vielleicht auch bloß, damit sie sich dadrüber kugeln können, was die Alte so von sich gibt. Aber wenn dann nur mal einer von denen für zwei Sekunden drüber nachdenkt, da hätt ich schon was gewonnen. Aber dann gehen sie nach Hause und hören sich ihre Scheiß-Musik an und nächstes Mal steh ich wieder vor dem gleichen Berg von Dummheit, vor dem gleichen Misthaufen, und such vielleicht die Nadel dadrin, das letzte bisschen Verstand.
Aber den saufen sie sich auch noch weg. Was die so konsumieren, schon bloß allein das Bier, da wundert man sich, dass da noch keiner an Alkoholvergiftung eingegangen ist. Aber das ist ihr ganzer Stolz, wie viel sie am Wochenende wieder in sich reingekippt haben und was sie dabei dann für Scheiße gebaut haben. Einmal grient Toffi mich an und sagt:»Mann, Frau Plötz, ick hab Sonnabendnacht zu Hause den ganzen Perserteppich von meine Eltern vollgekotzt!«