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Am nächsten Tag haben wir uns vorsichtshalber nicht angeguckt. Aber ich glaub, er hat nicht grade Schiss gehabt, dass ich das nun überall rumerzählen würd. Brauchte er auch nicht, ich hab die Klappe gehalten. Und mit keinem mehr geredet. Und nur einmal, als er in irgendsoner Kirche, die wir besichtigt haben, dicht an mir vorbeigegangen ist, hat er genuschelt:»Vergiss es einfach!«Und ich habs vergessen.

NOTHING’S GONNA CHANGE MY WORLD. Aufhörn, aufhörn da oben! Ich schaff euch zu einer, dies nicht anders haben will, der könnt ihr was vorträllern.

Bei Plötzens hängen gar keine Gardinen vor den Fenstern, obwohl sie unten wohnen. Wodrüber sich natürlich schon das halbe Dorf aufgeregt hat.»Na ja, wenigstens so halbe hätten sie ja vormachen können«, hat Mutti gesagt. Wie wir. Damit man wenigstens noch einen kleinen Zipfel hat, hinter dem man sich verstecken kann, wenn man Leute draußen beobachtet.

«Vielleicht haben sie nix zu verbergen«, hab ich gesagt. Da war sie gleich wieder auf der Palme.

«Das hat doch damit nix zu tun! Das is doch bloß sone Mode.«

Ich hatte Lust, sie noch ein bisschen zu ärgern:»Pauls Oma hatte auch keine.«

«Wer? Ach, die war doch verrückt!«

Besonders verrückt kommt mir Romys Familie nicht vor. Ich glaub, sie hat ziemlich Glück gehabt mit ihren Eltern. Jedenfalls darf sie alles Mögliche. Ich hab sie neulich mal gefragt, was denn ihre Eltern dazu sagen, dass sie jetzt ständig mit Paul und mir rumhängt und öfter spät nach Hause kommt und so.

«Na ja«, hat sie gesagt.»Mir wär lieber, die würden gar nix sagen.«

«Na mir erst! Machen deine auch immer so doofe Bemerkungen?«

Romy hat genickt und mit den Augen gerollt.

«Gönnen die dir auch nix?«, hab ich sie gefragt. Da hat sie mich ganz perplex angeguckt.

«Na eher im Gegenteil!«

«Wieso?«

«Na ja, die wollen doch ›immer nur das Beste‹ für einen und so!«

«Den Spruch kenn ich!«, hab ich gesagt.»Und die meckern nich rum, wenn du abends erst um elf nach Hause kommst?«

«Nee, sag ich doch. Die freuen sich!«

«Die freuen sich? Wie jetzt?«

Ich hab zugeguckt, wie Romy den Zipfel von ihrer Bluse bis zum untersten Knopfloch aufgerollt hat, und hab wunder gedacht, was da jetzt kommt, und dann hat sie gesagt:»Na — für mich eben, irgendwie.«

«Is doch toll! Oder nich? Dann is doch alles in Ordnung, oder?«

«Na ja, im Prinzip schon«, hat Romy gesagt, aber es hörte sich an, als wenn sie noch was hinterher sagen wollte, so was wie: ›aber‹. Aber hat sie dann doch nicht.

Ich weiß nicht, ob ich mein Fahrrad an die weiße Klinkerwand stellen soll. Steh ich also mal wieder blöd in der Gegend rum. Ich könnte auch einfach wieder abhauen. Aber dann hätte ich immer noch die Beatles am Hals, und wahrscheinlich hat sie mich sowieso schon gesehen. Was soll ich denn eigentlich sagen?

Auf einmal kommt Romy um die Ecke, mit einem leeren Wäschekorb und roten Händen. Sie sieht mich nicht, die guckt wer weiß wohin, ich mach schon den Mund auf, aber es kommt nix raus, was denn auch sagen, so in die Luft, vielleicht könnt ich mich räuspern oder so was, wie die das im Film so machen. Romy zuckt zusammen.

«Mann, hast du mich erschreckt!«

«Hier, von meinen Eltern«, sag ich und dreh mich halb zum Handwagen um. Romy kommt näher und sieht die Platten.

«Ella! Is das dein Ernst?«Sie sieht fast erschrocken aus.

«Ich hab damit nix zu tun«, sag ich, und sie:»Doch, hast du!«

Sie stellt den Wäschekorb ab und umarmt mich, so ein bisschen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Am besten gar nichts.

«Ich weiß gar nich, was ich sagen soll«, sagt Romy.

Na, am besten gar nichts. Sie fragt:»Hast du Lust, zum Kaffe zu bleiben?«

Ich nicke und stelle das Fahrrad an die Hauswand. Romy nimmt die Platten aus dem Korb, die Singles rutschen ihr weg, ich fang sie auf, und wir packen alles in den Wäschekorb. Sie hat ganz schön zu schleppen. Ich halte die Tür für sie auf. Plötzlich dreht sie sich um und sagt ziemlich außer Atem:»Findest du nich auch, dass er aussieht wie Paul McCartney?«

Sie grinst und ist ein bisschen rot, ich glaub, nicht nur von den Platten. Ich weiß auch gleich, wen sie meint.

«Nein, find ich nich!«

Musste das sein? Mann, Romy! Wie soll ich ihn denn jetzt noch angucken, ohne dass …

«Meine Eltern waren auf dem Konzert letztes Jahr, in Hamburg. «Ich weiß auch nicht, wieso ich das jetzt noch sage.»Die sind da extra hingefahren, für einen Tag! Zum Glück waren sie gar nich erst auf die Idee gekommen, mich mitzunehmen. Einer musste bei Oma bleiben, und das war mir auch echt lieber. Das war richtig schön, endlich mal Ruhe! Das war der beste Tag in den ganzen Sommerferien. Aber als sie dann zurück waren, da wurds dafür gleich doppelt schlimm, da haben sie einem dann in einer Tour vorgeschwärmt, wie toll das gewesen wär, aber eigentlich haben sie die ganze Zeit bloß von Hamburg gequatscht, ne echte Großstadt eben, und wie doof das wär, dass man sie da früher nicht hingelassen hat, die Scheiß-DDR, und wir hatten ja sogar Verwandtschaft da, und nicht mal zu seinen eigenen Verwandten konnte man und bla bla bla, und ich würd ja gar nicht wissen, wie gut ich das hab.«

«Ja und«, sagt Romy,»und deine Eltern, die haben doch Paul auch schon gesehen, finden die denn nicht, dass er aussieht wie Paul McCartney, ich mein, früher?«

«Ach, ich glaub, die wissen gar nich mehr, wie der aussah«, sag ich.

Romy packt die Platten auf ihre Liege. Sie nimmt eine nach der andern vom Stapel runter, guckt sie an wie das achte Weltwunder und stellt sie alle nebeneinander gegen die Kissenreihe an der Wand. Sie überlappen sich wie die Kissen, die aussehen, als hätten sie alle nen neuen Bezug gekriegt. Was fürne Vorstellung: Beatles-Kissen! Beatles-Bettwäsche, Beatles-Handtücher, Beatles-Zahnputzbecher. Zum Glück ist da damals noch keiner drauf gekommen. Zumindest meine Eltern nicht, wär ja zu auffällig gewesen.

«Kaffe oder Tee?«, fragt Romy.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal Tee getrunken hab. Wahrscheinlich als ich das letzte Mal krank war oder im Ferienlager, das ist beides ewig her. Einmal war ich im Ferienlager krank, und da haben sie mir Kamillentee eingeflößt, was zwar ne Abwechslung zum üblichen Hagebutten-Abwaschwasser war, aber ungefähr so eine wie von Mathe zu Chemie.»Kaffe. Ohne Milch.«

«Warum wolltest du die denn nich?«

«Was?«, frag ich.

«Na, die ganzen Beatles-Platten. Ich mein, du bist doch quasi damit aufgewachsen und so.«

«Erinner mich nich dadran!«

Romy lacht.»So schlimm? Aber du hättest sie ja auch verkaufen können, ich mein, so ne vollständige Beatles-Platten-Sammlung ist doch bestimmt was wert.«

«Na ja«, sag ich bloß. Mann! Da macht man mal was Nettes! Hätt ich das gewusst. Ist ja schlimmer, als wenn man was ausgefressen hat. Und wieso guckt die mich jetzt so komisch an?

«Achso«, sagt sie.»Da hab ich jetzt wohl was falsch verstanden. «Sie wird richtig rot.»Also, tut mir leid, Ella«, sagt sie,»aber ich bekomm bloß ab und zu mal Taschengeld und nich so viel, also, da müsst ich jetzt erst mal mit meinen Eltern reden, vielleicht als Geburtstagsgeschenk, brauchten die sich nich mal selber was ausdenken, wär doch praktisch. «Sie lächelt.

«Was?«Ich seh grade gar nicht mehr durch.

«Na, ich weiß ja nich, also — na, wieviel du so dafür haben möchtest.«

Ich glaub, ich starr sie an, als hätt sie nicht mehr alle. Oder ich.»Spinnst du? Die sind doch geschenkt, Mann!«

«Echt?«Falls das überhaupt geht, ist sie jetzt noch n bisschen röter geworden.»Also Kaffe.«

Sie geht raus, kommt aber gleich wieder.»Danke, übrigens.«