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«Das war gelogen, Maria«, hast du gesagt.

«Du liebe Zeit, Anna, hattst du denn keine Angst nich?«

«Ach Gott, Maria. Sag mir mal einen, der da nich die Büxen bis zum Stehkragen voll hat!«

Und du hast gewusst, dass sie nich zurückkommt? Das hast du doch gesagt, nich? Oder nich? Wie konntst du sie dann bloß fahren lassen, ich mein, wo sie ihren Vater doch gar nich kannte, ich hätt das nich erlaubt, wenn Hartmut solche Flausen im Kopp gehabt hätt, wenn ich das gemerkt hätt, oder bei Rosi oder Bärbel, und wenn die mir noch so viel Sorgen gemacht hätten. Aber anbinden konntst sie ja nu auch nich, ich weiß. Und wenn sie das da nich gemacht hätt, dann n andermal. Ich will nu nich sagen, dass sie weg wollt von ihrem Kind, auch wenn manch einer das nu gedacht hat, so wie manch einer ja auch gedacht hat, dass das ihre Strafe war, so ein Kind. Aber sehr dran gehangen hat sie wohl nich. Und Anna, du könntest nu denken von mir, was du willst, aber … Ach, ich sollt das nich denken. Ich weiß auch nich, ob das stimmt. Nur, wie man ja immer so sagt, dass der Appel nich weit vom Stamm fällt.

Aber wie hättst du das auch aushalten sollen, wenn du nu zu doll an ihr gehangen hättst. Vielleicht wär sie dann trotzdem weg.

Und denn solltest du ihnen sagen, wer der Vater zu dem Kind is. Da hättst du gesagt, dass du das nich weißt. Frau Hanske, hätten sie gesagt. Und ob du sie für dumm verkaufen willst. Du hättst gesagt, dass du nich lügen willst. Ob du denn nich eine Vermutung hättst. Nein. Damit könntst du nu nich dienen. Aber sie sollten man ruhig ins Dorf gehen und danach fragen, da wärn viele, die das gar nich erwarten könnten, ihre Vermutungen loszuwerden, da hätten sie denn bald eine schöne Sammlung.

Jetzt würde das Kind jedenfalls erst mal in ein Heim kommen. Nein. Doch. Das würd immer so gemacht in solche Fälle. Da würd der Staat denn die Vormundschaft übernehmen. Und denn müsste der nächste Angehörige entscheiden, ob er die Vormundschaft vom Staat übertragen bekommen will, wofür er denn einen Antrag stellen müsste. Denn würdst du hiermit mal gleich einen Antrag stellen, hättst du gesagt. Und Henry könnten sie so lange ruhig dalassen, da müsst der Staat gar nix übernehmen. Frau Hanske, hätten sie gesagt.»Wir sprechen vom Vater.«

«Es gibt keinen Vater.«

Da hätten sie dich ausgelacht und hätten dich gefragt, ob du an den Klapperstorch glauben würdst. Da hättst du gefragt, woran sie denn glauben würden. An einen Vater, der nur drauf gewartet hat, dass sie ihm nu nach drei Jahren sagen, dass er einer is, und ihm eine Vormundschaft anbieten? Na, da sollten sie Bescheid sagen, wenn sie so einen aufgetrieben hätten. Du wärst die nächste Angehörige. Nee, du hast gesagt, du hättst gesagt:»Ich bin die einzige Angehörige, hier.«

«Maria, die wollen mir Henry wegnehmen«, hast du gesagt,»die wollen mir auch noch Henry wegnehmen.«

Da hast du mir leid getan. Und da hab ich gesagt, dass sie dir Henry nich wegnehmen wollen. Nur, und da hab ich denn all meinen Mut zusammengenommen, nur, ob das nich vielleicht so besser wär.

«Was?«, hast du gefragt.»Was wär so besser?«

Da hätt ich am liebsten gar nix mehr gesagt, aber nu musst ich ja.»Na, ich mein ja bloß. Ob das im Heim nich besser für ihn wär.«

«Nein«, hast du bloß gesagt. Mehr nich. Aber ich glaub, du warst mir gar nich böse. Du hast nur ganz traurig ausgesehn.

Nee, diese Ingrid! hab ich gedacht. Dass die ihre eigne Mutter so ein Kummer machen muss! Wenn sie dich nu am Ende noch verhaften. Das hätt ja passieren können, das konnten die doch machen. Aber denn haben sie doch bloß Henry abgeholt. Gleich am nächsten Tag haben sie Henry abgeholt ins Heim.

Ein halbes Jahr später hattst du ihn wieder. Das kann ich mir vorstellen, wie du denen da aufn Senkel gegangen bist. Da hast du nich lockergelassen. Und du hast das wirklich geschafft. Du hast ihn wiedergekriegt. Das hat mich gar nich gewundert. Wenn du was wolltst, denn hast du das auch geschafft. Gewundert hab ich mich bloß, dass du das unbedingt wolltst. Dabei hattest du das doch gar nich so mit Kindern. So gut mit Kindern konntst du nich, das hatt ich bald gemerkt. Ich glaub, du wolltst auch nich unbedingt welche. Ich weiß noch genau, wie du mich angeguckt hast, als ich da damals zu dir gekommen bin und nich wusst, ob ich nu lachen oder weinen soll, und dir das auch erst gar nich sagen wollt, aber irgendeinem musst ichs doch erzähln, und wem denn, wenn nich dir.

«Anna, nu bün’ck schwanger«, hab ich gesagt und da wurd mir ganz heiß im Gesicht, so wie früher, als hätt ich was angestellt und müsst das nu sagen. Aber das war doch nu mehr was zum Freuen. Aber du hast bloß gesagt:»Jetzt schon?«

Und da hab ich mich irgendwie geniert, obwohl ich dacht, dass ich mich vor dir ja nu nich genieren muss, weil du noch gar nich so genau Bescheid weißt, hab ich gedacht, wenn du das nu erst wüsstst, wie das so is mit der Ehe, wie ich mich denn erst geniert hätt. Aber ich glaub, grad deswegen. Als wär ich nu irgendwie, wie haben sie das immer noch genannt — gefallen, ja. Hochmut kommt vor dem Fall. Und war ich nich ein bisschen hochmütig vielleicht gewesen, wie ich gesagt hab, ich heirat jetz den Simon Wachlowski, wo du Angst um deinen Theo hattst? So dumme Sachen hab ich da gedacht.

«Na, ich bin doch nu verheiratet«, hab ich gesagt, auf Hochdeutsch.

«Das stimmt«, hast du gesagt. Aber ich glaub, du wolltst was andres sagen. Und da hab ich mich geärgert über dich. Wie du nu so hochmütig sein konntst.

«Na, wart, bis du dein Theo heiratst«, hab ich gesagt. Und ich dacht schon, ich hätt was Falsches gesagt, weil du erst gar nix gesagt hast, und dann:

«Damit wird das auch nich anders.«

Ich glaub, da hab ich dich ganz entgeistert angeguckt.»Was? Was wird da nich anders?«

Und du hast bloß gegrient! Bloß gegrient hast du! Und da dacht ich, ich fall vom Stuhl.

«Ach, Maria, das weißt du doch nu genauso gut wie ich!«

Na, das hattst du jedenfalls fein hingekriegt. Wer hier wohl nu Grund hatte, sich zu genieren! Aber das hattst du nu wieder so hingedreht: dass ich nu wieder wie die Dumme dagestanden hab. Nee, Anna, manchmal war das nich zum Auszuhalten mit dir!

Wie ich denn das zweite Mal schwanger war, hab ich mich schon gar nich mehr getraut, dir das zu sagen. Aber du hast mir das sowieso gleich angesehn. Verheimlichen konnt man nix vor dir. Und da warst du denn auch wieder ganz anders. Da hast du mir denn Mut gemacht, weil ich ja nu das erste verloren hatt und nu Angst hatte, dass das wieder so kommt, und da hast du mich gefüttert mit das bisschen, was ihr noch mehr hattet als wir, und das war vierundvierzig, und du hast Sachen für das Kind gestrickt und hast gesagt, wenns so weit wär, denn wär der Krieg schon längst vorbei, das könnt ja nu nich mehr lange so weitergehn.

«Aber Anna, das darfst du doch nich so sagen«, hab ich gesagt.»Was denkst du, was das wird, wenn wir nu verliern!«