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«Na, wenn du nich willst, dass dein Kind das hier mitkriegt, denn betst du besser dafür!«

Und siehst du, du hattest ja recht. Das Kind hat gar nix mitgekriegt. Das war noch gar kein Kind. Und der Krieg war denn ja auch vorbei. Und ich dacht, ich krieg nu gar keine Kinder mehr. Dass das nich geht bei mir. Ich wurd auch gar nich mehr schwanger die Zeit. Einerseits war ich ja froh. Und lieber gar keins als so ein fremdes, hab ich gedacht, weil, denn hattst du ja auf einmal diesen lütten Peter von eine aus Hinterpommern. Und mit Peter war das genau dasselbe wie mit Henry, bloß, dass ich das erst recht nich verstehn konnt, wo das nu schon gar nich dein eignes war und du noch nich mal verheiratet, und dein Theo noch nich wieder da, und die Zeit, Anna, die schlimme Zeit, das war ja schlimmer als wie im Krieg. Man hatte doch gar nix zu beißen die Zeit. Aber diesen lütten Wurm, den hast du dir nich ausreden lassen. Was denn sonst aus ihm werden sollt, er hätt doch sonst keinen mehr, hast du gesagt.

Die waren ja nu alle fünfundvierzig hierhergekommen, da wollt ja auch keiner mehr da bleiben, nach dem, was die alles gehört hatten vonne Russen, wie die Russen da gehaust haben inne Ostgebiete, da konnt dir das kalte Grausen kommen, wie die das so erzählt haben, und wie sie überfallen worden waren auffe Flucht und die Hälfte das gar nich geschafft hatte bis hierher. Und was hatten wir für eine Angst, dass uns das nu genauso gehen würd, wenn erst die Russen bis hierher wärn, dass uns das denn genauso dreckig gehen würd, und Anna, da hab ich gedacht, wenn das so kommt, denn bring ich mich um. Bevor mich einer vonne Russen anfasst, bring ich mich lieber um. Ich wollt sowieso nich mehr, die Zeit wollt ich gar nich mehr. Und da hab ich mich immer gefragt, wie du das so machst. Dass du gar keine Angst hattst, wie sie die alle bei euch einquartiert haben, die Flüchtlinge, und erst warst du auch noch ganz alleine mit die, bis denn dein Vater zurückkam. Uns hatten sie ja auch welche zugeteilt, aber bloß eine junge Frau mit ihre Mutter, und die waren anständig, und ich hatt ja da auch meine Schwiegereltern, und Simon war auch bald wieder da, und die haben sich nich gemuckt, und wie sie nu erst mitkriegten, dass Simons Eltern aus Polen waren, da waren sie nu ganz verschüchtert, da wollten sie nu gar nix mehr von uns nehmen, und da mussten wir denen erst sagen, dass wir ihnen nu bestimmt nix tun würden.

Aber die meisten hatten sie ja in die Schnitterkaserne gesteckt, und da sind denn auch paar noch gestorben, in das kalte Loch, und alles voller Wanzen, da hätt ich um nix auffer Welt drin sein wollen, da waren gar keine Scheiben mehr drin, das sah schon damals nich viel anders aus als heute. Und da war auch die Frau dabei, die Mutter zu dem Lütten, und die war so krank. Und du bist da immer hin und hast ihr Brot gebracht oder mal eine Suppe, und das ging aber auf die Dauer nich, weil die andern dich schon böse angeguckt haben, wie du gesagt hast, die hatten ja auch Hunger und sahen nu immer, dass die eine was kriegt und sie nich. Und denn hast du die auch noch in dein Haus geholt, die Frau mit ihrem lütten Kind, aber das war bloß paar Tage, und da is sie denn gestorben. Malius hat sie geheißen, jetzt weiß ich das wieder, Frau Malius, hast du immer gesagt, na, und ihr Lütter, das war ja Peter, und den hast du denn einfach behalten. Und das war auch gar nich so verkehrt zuerst, weil denn ja auch die Russen da warn, wo der Krieg vorbei war, und die hatten denn ja das Sagen, da haben sie auch gleich den Bürgermeister verhaftet, obwohl der nu gar nich son Nazi war, aber zwei Pistolen hat er gehabt, und das hat gereicht, und der is auch nich wieder aufgetaucht, und denn hatten die sich da im Gemeindehaus einquartiert, aber das war ja man nich sehr geräumig. Und denn habt ihr auch noch zwei Soldaten ins Haus gekriegt, das war nu euer Pech, dass ihr so ein schönes großes Haus hattet, das hatten die sich ausgeguckt, und wie die Soldaten nu das Kind bei dir gesehn haben, da haben sie natürlich gedacht, das wär deins, und denn haben sie dich auch in Ruhe gelassen, weil, Frauen mit Kindern haben die eigentlich nix getan. Die haben ihm immer übern Kopp gestreichelt und» schjonn, schjonn «gesagt, hast du gesagt. Und dass das auch noch halbe Kinder warn, vor die man nu keine Angst zu haben brauchte. Hilda Roggelin hat das auch immer erzählt später, wie sie, wenn die Russen vorbeikamen, immer schnell nach ihre Tochter gerufen hat und sie auffen Schoß genommen hat und wie sie ihr denn immer wieder die Zöppe geflochten hat und immer wieder aufgemacht und wieder neu geflochten, bis sie wieder weg waren, die Russen. Na, ich war jedenfalls froh, dass ich meinen Simon hatt. Und nich wie die Rieshöft mit ihrem Polen, wo der Mann nu schon so lange weg war, und keiner wusst, ob er nu tot war oder nich, und denn hatten sie ihr den Polen gegeben, zum Arbeiten, und wie nu die Russen kamen, sollt er weg, und denn haben sie ihn ihr auch weggenommen und wohl wieder nach Polen geschickt, ob er nu wollt oder nich, und der wollt ja gar nich, weil die Rieshöft, wie gesagt wurde, ja nu anscheinend mit ihm, na, weil er ja nu nich grad im Stroh schlafen musst, wie sie gesagt haben.

Und denn hab ich aber auch gedacht, wenn du da mal nu keinen Fehler nich gemacht hast, Anna, mit das Kind, wie das nu erst werden sollt, wenn dein Theo nach Haus kommt, wenn er kommt, wusste ja keiner, wo er abgeblieben war. Und denn kam er. Sommertag sechsundvierzig stand er vor deine Tür. Ach, der war ja bloß noch Haut und Knochen, da konntst du dir nu, wie wir immer so gesagt haben, ja n Splitter dran einreißen. Und da kam er vonne Russen, da hatten sie ihn gehen lassen, da hattst du noch Glück, Anna, dass das so fix ging, und das war vielleicht auch, weil er ja n bisschen n Roter war, nich, oder so getan hat, als wenn er einer wär. Und denn hat er dich ja wirklich auch gleich geheiratet, da war der Sommer noch nich vorbei, wie du da Frau März wurdst, bloß dass dich nie einer so angeredet hat. Und das mit Peter hat ihm anscheinend gar nix ausgemacht, vielleicht hat er erst n bisschen geguckt, aber wenn ihm das nich geschmeckt hätt, denn hätt er dich doch nich geheiratet, weil, da war er ja genauso wie du, wenn ihm was nich passte, denn hat er das nich gemacht. Und vielleicht haben sie deswegen immer alle gesagt, dass das n Sturkopp is, dein Mann,»son richtigen Stiesel«, hat Heini gesagt.»Dei döcht nix«, da waren sie sich gleich einig.

Aber mitgeholfen hat er ja, da konnt nu keiner was sagen, bloß wie, das hat wohl den meisten nich gepasst. Er war ja auch son halber Studierter, und das wollt er nu gerne weitermachen, was er da vorm Krieg gelernt hatte, das technische Zeichnen, aber das ging ja erst mal nich, und vonne Landwirtschaft hat er nu eigentlich überhaupt keine Ahnung gehabt, aber rumkommandieren wollt er. Er war ja auch der Einzigste, der die von sich aus gegrüßt hat, die Russen, das wollten die, dass man die grüßt, aber wenn ich einen gesehen hab von die, bloß von Weitem, denn bin ich gleich auffem Hacken umgedreht und um die nächste Ecke, und so haben das die meisten gemacht, oder manche waren auch ganz dreist und sind einfach so vorbei an die, und das gab denn oft Ärger. Aber dein Theo is denn auch zu sone Schule hin für paar Wochen, da hatten sie ihn hingeschickt, zu so einem Lehrgang, wo das nu bloß um Politik ging, das hatten sie wohl gleich gesehn, dass das einer is, den sie sich son bisschen hinbiegen können. Und denn haben sie ihm paar vonne Bauern zugeteilt, und mit die musst er denn immer los und aufräumen, kaputte Häuser leerräumen und Material, was man noch brauchen konnt, einsammeln und so was.

Und die Zeit hatte das ja auch schon angefangen mit das ganze Aufteilen, dass nu jeder was kriegte, das war nu gut für die Flüchtlinge und die, die vorher gar nix hatten, sondern bloß für einen geschuftet hatten, der viel Land hatte, aber ganz gerecht war das auch nich. Wie bei dem Kattenburg, dem sie nu das ganze Land weggenommen hatten, und jeder von seine Arbeiter kriegte nu auf einmal ein Stück, da wussten die ja auch erst nich, ob sie sich da nu freuen sollen, und der Kattenburg stand nu da, und der war nich schlecht zu seine Leute gewesen, das konnt man nich sagen. Bei uns mit unser klein bisschen Acker passierte da ja nix weiter, ihr hattet ja auch nich so viel, Anna, bloß dass euch denn die Russen noch das letzte Schwein weggenommen haben, das war vielleicht eine Sauerei, das hatten deine beiden Soldaten ausgeheckt, da wollten sie sich lieb Kind mit machen bei ihre Obersten oder was weiß ich, auf einmal hieß es, das Schwein wird geschlachtet. Na, da wart ihr nich die Einzigsten, wenn die das nämlich in Kopp gekriegt haben, denn musst man was hergeben, ob man wollt oder nich. Uns haben sie in Ruhe gelassen, weil der alte Schorschki ja bisschen russisch sprechen konnt und sich mit die ganz gut vertragen hat, obwohl, leiden konnt er die auch nich. Aber das wurden mit der Zeit immer weniger Hühner und Enten im Dorf. Und denn nu auch noch euer Schwein, und das war ja das letzte, das andre, was noch übrig war, hatte dein Vater noch geschlachtet, bevor er losmusst in Krieg, damit du denn was zu beißen hattst. Tja, aber wer sollt das nu schlachten, dein Vater war nich da und Theo auch noch nich, und der hätt das glaub ich auch nich gekonnt, und n Schlachter war weit und breit nich zu kriegen. Und denn machten die sich selber bei, die beiden Jungschen, und du sagtest, hätten die nich ihr Gewehr im Anschlag gehabt und dich damit vom Hof gescheucht, hättest du denen einfach paar runtergehauen.»Aber siehste, davon hätt der Lütte nu auch nix gehabt, wenn nu seine zweite Mutter auch noch totgeblieben wär. «Aber wütend warst du, da konntst du erst gar nich drüber wegkommen, was die da nu für eine Riesensauerei gemacht haben, wie sie da mit dem Messer auf das arme Viech los sind, und du wolltst noch schnell Simon holen, weil du dachtest, er wär der Einzigste, der dir helfen würd, wollt sich ja keiner mitte Russen anlegen, aber er war nich da, und wie du zurückkamst, wars schon zu spät, da lag das Schwein schon da in dem ganzen Blut, und deine Flüchtlinge haben dir das denn alles erzählt. Wie sie erst versucht hatten, dem Schwein eins mitm Hammer übern Kopp zu hauen, aber das denn nich liegenblieb, sondern wie wild übern Hof rannte, und wie denn der eine versucht hat, das mit seinem Gewehr zu erschießen, und das durften die eigentlich nich, einfach so schießen, und denn hat er aber auch noch nich richtig getroffen, und das quiekte, das Schwein, und quiekte und rannte und rannte, bis es denn irgendwann das Taumeln kriegte und umgefallen is, und denn is der andre mitm Messer drauflos und hat das irgendwie abgestochen, aber lange hat das wohl gedauert, und wie du wiederkamst, standen sie da nu beide, und der eine mitm Hinkefuß, da war ihm nämlich das Schwein drüber, und denn standen sie da und wussten nich weiter. Und denn musstet ihr die ganze Drecksarbeit machen, bloß abgekriegt habt ihr nix davon, nur den Bregen, das wollten sie nich. Aber danach sind sie dir aussem Weg gegangen, gar nich mehr inne Augen geguckt haben sie dir, hast du gesagt.»Diese Dämlacks!«