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Nee, Anna, so war das nachher nie mehr mit dir. Wie denn Anfang dreiundfünfzig dein Vater gestorben is und kurz danach Theo weg is von dir, da war das vorbei. Und du tatst mir auch leid, denn das war ja nu vielleicht doch nich deine Schuld, und ich wollt dir auch gerne helfen, aber ich wusst gar nich, wie, und denn hatt ich ja auch selber genug zu tun mit die drei lütten Kinder. Da kam das denn doch ganz anders, als ich mir das gedacht hätt, denn das war doch so schön gewesen mit uns. Wie wir uns da nachem Krieg Kleider aus alte Gardinen zusammengeschustert hatten, und du hattst sogar zwei Kleider von deine Mutter umgeändert, und das eine davon hattst du mir angepasst, und damit sind wir denn zum Tanz gegangen. Das haben wir uns ja nich nehmen lassen. Wie sie den Dorfkrug wieder einigermaßen hergerichtet hatten und das erste Mal wieder Tanz in den Mai war, da sind wir gleich hingegangen, da warn wir denn immer son Kleeblatt, du mit dein Theo, und ich mit mein Simon. Und die haben sich auch beide gut vertragen, unsre Männer. Was haben wir da geschwoft, und die Blaskapelle spielte, das war schön, das war ja wie wenn wir noch mal ganz jung wärn, das holten wir nu alles nach. Und denn haben wir auch immer mal getauscht, dass denn du mal mit Simon getanzt hast und ich mit Theo, und er war ja son Langer und ich so lütt, das gab nu bestimmt ein drolliges Bild ab, aber tanzen konnt er, da wurd einem ganz schwummrig, wie er einen so rumgeschleudert hat. Da konnt ich das denn manchmal verstehen, dass du dich in ihn verguckt hattst.

Da waren denn auch welche vonne Russen dabei, wenn was los war, und da mussten wir auch immer mal mit die tanzen, und da hatt ich immer Schiss. Das hat nu keiner gerne gesehen vonne Männer, wenn ihre Frauen mit den Russen übers Parkett schoben, aber was wollten wir denn machen, wir konnten doch nich nee sagen. Da hätt so manch einer einem gerne was aufs Maul gehaun, aber ging ja nich. Na, mich haben sie ja meistens in Ruhe gelassen, aber dich haben sie egaleweg aufgefordert, Anna, du hattest ganz schön Schlag bei die mit deine blonden Haare. Und bei Theo hatten sie ja auch nix zu befürchten, der hat ja auch mit die zusammen getrunken, und das konnt nu keiner verstehn. Da hat er denn bald seinen Namen weggehabt:»Russenkuli«. Richtig leiden konnt ihn keiner.

Tja, und da hätt doch nu keiner gedacht, dass ausgerechnet der abhaut. Und das haben sie dir denn in die Schuhe geschoben, und da waren sie auch noch schadenfroh.

Zuerst hat das gar keiner so mitgekriegt, weil, er war ja immer mal weg, da auf seine Schulung, wo er immer nach Berlin für musste. Damit er nu doch noch wieder das machen konnte, wo er ja schon die ganze Zeit drauf gelauert hatte, dass er nu als technischer Zeichner irgendwo eine Anstellung finden könnt, aber da musst er erst mal seine Ausbildung für fertig machen. Und du hast ihn das machen lassen und immer nach Berlin fahren lassen, obwohl ich mir vorstellen kann, dass du da vielleicht auch so deine Sorgen drum hattest, wie dein Vater, bloß dass der das auch laut gesagt hat, das hast du mir öfter erzählt, wie das da Knatsch drum gab bei euch. Und der hatte ja recht, dein Vater: Wer sollt sich denn dann um euer ganzes Anwesen kümmern, das Haus und die Viecher und den Acker, wer sollt den denn dann bestellen, ewig würd er das ja auch nich machen, dein Vater, und Peter war ja noch n bisschen lütt dafür. Und den wolltst du auch länger inne Schule lassen, noch zwei Jahre bis nache Einsegnung, und das war auch noch son Thema, denn das wollten sie ja nich mehr, das mitte Kirche, das gab eine richtige Hetze damals, aber Peter hat seine Einsegnung gekriegt, da hast du dich nich kleinkriegen lassen, und Ingrid später auch noch. Dabei bist du fast gar nich zur Kirche gegangen, da hab ich mich gewundert, dass du da nu so drauf bestehst, wo das ja nur Ärger machte, und Ärger hattest du schon genug. Ich bin denn auch nich mehr so oft zur Messe nach Anklam wie früher mit meine Eltern, wie denn auch hinkommen, von Putlitz aus sind wir mitm Pferdewagen von unsre Nachbarn oder notfalls auch zu Fuß, aber Bresekow war ja nu noch n Ende weiter weg, und Simon war das auch nich mehr so wichtig mitte Zeit, wir hatten auch so genug zu rennen. Zu Weihnachten, ja, da sind wir immer hin, aber bloß, wenn nich so hoch Schnee lag. Und bei Rosi und Bärbel haben wir das noch gemacht mitte Kommunion, die wollten das auch unbedingt, weil sie denn ja ein schönes Kleid kriegten, so wie bei mir früher, also Rosi hat eins gekriegt, und das haben wir denn aufgehoben, bis Bärbel so weit war, die konnt das denn noch mal anziehen, das hatte sich denn wenigstens gelohnt. Bei Hartmut haben wir uns das gespart, und er wollt ja auch gar nich, er wollt lieber Jugendweihe wie alle andern. Und das war auch besser, er sollt ja auch studiern. Bloß Tierarzt wollt er nu partout nich werden, da war er nich ranzukriegen.

Und ich glaub, dein Peter wollt nu auch kein Bauer werden, aber was Bessres is er deshalb auch nich geworden. Und Theo wollt ja mit euch am liebsten ganz weg aus Bresekow, nach Demmin oder Neubrandenburg oder was weiß ich. Weil da ja nu alles kaputt war, und da, dacht er, könnten sie ihn vielleicht gut gebrauchen, dass er da vielleicht gut Geld verdienen könnt. Du wolltst das nich, das hab ich gleich gemerkt, dass du nich von hier wegwolltst. Und da wusstest du nu wohl nich, wie du ihm das ausreden sollst. Anna, wie du mir das so erzähltest, da hab ich nich zum ersten Mal gedacht, dass das nich das Wahre is mit euch beiden, dass ihr vielleicht nich so gut zusammenpasst. Aber gesagt hab ich das nich. Vielleicht gibt sich das mitte Zeit, hab ich gedacht.

Aber denn is er nich wiedergekommen aus Berlin. Und du hast nix gesagt. Vielleicht hast du das erst selber nich geglaubt. Sonst wärst du vielleicht auch nich zur Polizei gegangen, wie er eine Woche später immer noch nich wieder da war. Später hast du gesagt, dass dir gleich was geschwant hat, dass du aber erst gedacht hast, na, vielleicht musst er länger bleiben diesmal, und denn hast du dir auch Sorgen gemacht, weil die Zeit ja grad diese Krawalle waren oder Demonstrationen, wo sie auf die Straße gegangen sind inne Großstädte, bei uns hat man das ja gar nich so mitgekriegt, aber da in Berlin war ganz schön was los. Und da hattest du nu Angst, dass er da irgendwie drin verwickelt wurd, und deshalb wolltst du auch erst nich zur Polizei, aber das war denn ja auch nich mehr auszuhalten, diese Ungewissheit, wo er nu abgeblieben war.»Besser eine schlimme Nachricht als gar keine«, hast du gesagt. Auffer Polizei haben sie dich denn erst mal ausgelacht, wie du sagtest, du möchtst deinen Mann vermisst melden und er wär zuletzt in Berlin gewesen.

«Tja, Frau März, da kommen so einige abhanden heutzutage«, hätten sie gesagt.

«Aber mein Mann doch nich, so is er doch nich«, hättst du gesagt. Da hätten sie bloß mitte Schultern gezuckt. Wenn sie das immer vorher wüssten, wie einer is, denn könnten sie ja was dagegen unternehmen.

Von den Demonstrationen hätten sie gar nix gesagt, bis du denn danach gefragt hättest, und denn wären sie gleich ganz komisch geworden:»Ach so ist das, warum haben Sie das nich gleich gesagt, dass Ihr Mann einer von denen ist?«

Da hättst du gesagt, weil er keiner von denen wär und du nur wissen wolltst, ob er dabei irgendwie zu Schaden gekommen wär. Wodrauf sie denn gesagt hätten, dass sie sich nich um jeden kümmern könnten, der sich unvorsichtig verhält, aber wenn er dabei gewesen wär, denn brauchtest du dir keine Sorgen machen:»Denn haben wir uns schon um ihn gekümmert!«Sie würden dir dann Bescheid geben.

Bloß, dass erst gar kein Bescheid kam, und wie denn was kam, stand da bloß drin, dass sie ihn nich gefunden hätten. Dass man daher annehmen müsst, na, ich weiß nich mehr, wie sie das genau geschrieben hatten. Dass er in Westberlin wär. Irgendwas von» unerlaubt «stand da. Aber helfen könnten sie dir da nu auch nich. Das war ja nu erst mal n Schlag für dich.»Na, wenigstens kein Knast und kein Krankenhaus«, hast du gesagt, aber da warst du auch dem Heulen näher als alles andre. Und ich möcht nich wissen, wie du da in Schlaf gekommen bist, immer mit diesen Gedanken im Kopp, dass du nu ganz allein dastandst mit die beiden Kinder. Das hättst du selber nich für möglich gehalten, und ich glaub, das hat dich am meisten fertiggemacht, dass das so aus heiterm Himmel gekommen war, dass du da nich vorher was gemerkt hattest. Dass du ihn nich richtig gekannt hast, deinen Mann. Aber man steckt da ja nich drin, nich? Das hab ich auch zu Simon gesagt, der war auch ganz vonne Socken, wie er das hörte. Und wie sich das nu erst rumgesprochen hatte, na, da ging das Schlattern los, das war ja nich mehr feierlich. Da kamen sie auf einmal alle bei mir an und wollten mich nu ausfragen. Aber ich wusst ja auch nix. Da wurd sich nu mächtig drüber aufgeregt: Wie das denn sein könnt, das würd ja auf keine Kuhhaut gehn, so viel Frechheit, erst den Russenkuli spielen und wien Dunkelroter tun, und denn beier erstbesten Gelegenheit in Westen abhaun, nee, son falscher Fuffziger! So ging das die ganze Zeit, und du hast das ja mitgekriegt, auch wenn du nu so tun wolltst, als würd dich das alles nix angehn. Na, die feine englische Art war das ja auch nich gerade. Auch, wie das denn auf einmal hieß, er hätt da ne andre gehabt, in Berlin. Und dass er mit der nach drüben wär. Oder vielleicht auch gleich eine von da aufgegabelt hätt. Da hätt ihm das denn hier nich mehr genügt. Und sowieso hätt er ja wohl von dir die Nase voll gehabt, so wenig, wie er zu Haus gewesen wär, und wenn, denn hätt er nix Bessres zu tun gehabt als mitte Russen zu saufen. Na, das wär ja auch kein Wunder gewesen, so wie du ihn reingelegt hättst, erst hättst du ihm ein fremdes Kind aus Hinterpommern vorgesetzt, das er nu mit dir mitheiraten musst, und denn hättst du inne Zwischenzeit schon still und heimlich das Erbe von dein Vater aufgebraucht, und dabei hätt doch jeder gewusst, dass ihr ordentlich was auffer hohen Kante hattet, schlecht wär euch das nie gegangen,»ümmer in Saus un Braus lääwt, ümmer nieje Schauh för den Bengel, anstatt dat se em ierst mool dat Stottern afwööhnt hett«, sagte Martha denn, und wie er denn gestorben wär, dein Vater, da wär da gar nix mehr übrig gewesen. Und dadrauf hätt er ja bloß spekuliert gehabt, dein» Luftikus«, dass er da was abstauben könnt, sonst hätt er dich doch nie nich geheiratet, und nu, Pustekuchen, ja denn mal nix wie weg.»Dat hemm wie joo glieks seggt, dat dei nix döcht!«Da bräuchtest du nu gar nich rumjammern. Als ob du gejammert hättst, na, da kannten sie dich aber schlecht! Den Gefallen hättst du ihnen nich getan, und wenn da sonstwas passiert wär. Da hattst du ja deinen Stolz.